Streit um Feinstaubwerte

"Die Fakten werden verdeckt"

22.01.2019, Baden-Württemberg, Stuttgart: Autos stehen während dem ersten Feinstaubalarm im Jahr 2019 auf einer Straße hintereinander. Foto: Sebastian Gollnow/dpa | Verwendung weltweit
In manchen Städten sind die Feinstaubwerte durch den Autoverkehr sehr hoch. © picture alliance/dpa/Sebastian Gollnow
Alan Posener im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 24.01.2019
Einige Lungenärzte bezweifeln die Notwendigkeit der geltenden Feinstaubwerte. Unser Studiogast Alan Posener findet das "empörend". Auch würden die Bürger mit so vielen Berichten bombardiert, dass sie keinen klaren Blick mehr auf die nackten Fakten hätten.
Feinstaubwerte und ihre gesundheitlichen Folgen sind im wahrsten Sinne des Wortes ein Reizthema. Jede Region scheint das anders auszulegen - was die Leute dort aber nicht gesünder oder kranker als anderenorts zu machen scheint. Eine Gruppe von 100 deutschen Lungenärzten jedenfalls scheint die Idee von EU-weiten Werten für unsinnig zu halten und stellt Grenzwerte gar in Frage. Das verärgert unseren Studiogast, den Journalisten Alan Posener:
"Ich finde es empörend, dass Ärzte sagen: Es ist noch niemand an Feinstaub gestorben. Sie könnten mit dem gleichen Argument sagen: Es ist noch niemand an Zigarettenrauch gestorben - weil man das im Einzelfall sowieso nicht nachweisen kann."

Gesundheitsschädlich für Alte, Kranke und kleine Kinder

Über Grenzwerte lasse sich selbstverständlich streiten - unbestritten gesundheitsschädlich sei Feinstaub aber für alte Menschen, kleine Kinder und Asthmakranke. Und die derzeitige Diskussion sei bezeichnend für die Art, wie die Gesellschaft zu den Schwächsten stehe, "die keine Lobby haben". Diese müssten geschützt werden, sagte Posener. Deshalb seien Grenzwerte sinnvoll - und es sei besser, Dieselfahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen, als Menschen zu gefährden.
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.
Der britisch-deutsche Journalist Alan Posener zu Gast bei Deutschlandfunk Kultur.© Deutschlandradio – Laura Lucas

Alan Posener wurde in London geboren und wuchs in Kuala Lumpur und Berlin auf. Er war Lehrer und freier Autor. Als Journalist machte er sich einen Namen als pointierter Kommentator und Blogger. Heute ist er Korrespondent für Politik und Gesellschaft bei der "Welt"-Gruppe. Posener hat zahlreiche Bücher geschrieben, darunter "Imperium der Zukunft – Warum Europa Weltmacht werden muss" (Pantheon 2007) und "Benedikts Kreuzzug: Der Kampf des Vatikans gegen die moderne Gesellschaft" (Ullstein 2009).

Eine grundsätzlich Frage sei aber: Wolle die Gesellschaft sensibel bleiben - oder vielmehr mit Risiken leben, um etwa die Autoindustrie nicht zu gefährden? Dass eine Flut von Texten und Meinungen zu Themen wie dem Klimawandel publiziert werde, sei eher hinderlich, um zu einer klaren Meinung zu kommen. Mal falle kein Schnee - also witterten die Medien den Klimawandel. Mal sei es sehr kalt wie jetzt gerade - also werde schlussgefolgert, es gebe vielleicht doch keinen Klimawandel. "Man wird so eingedeckt mit Informationen - man nennt das in der Werbesprache 'Fische ertränken'."
Das führe dazu, dass die einfachen Konsumenten die eigentlichen Fakten nicht mehr von den Nebensächlichkeiten unterscheiden könnten - alles gehe "in einem Rauschen unter".
(mkn)
Die komplette Sendung mit Alan Posener hören Sie hier:
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