Streit um den gefährdeten Thunfisch

Von Bernd Musch-Borowska · 23.02.2010
Den meisten Menschen der industrialisierten Welt ist Thunfisch als Speise bestens vertraut. Doch nun kürzte die Internationale Fischfangkommission die Fangquoten beträchtlich. Besonders davon betroffen ist Australien, das auch wegen des Walfangs noch eine Rechnung mit Japan offen hat.
In der Auktionshalle des Tsukiji-Fischmarktes in Tokio gehört der Thunfisch zu den kostbarsten Handelswaren. Rund 300.000 Tonnen werden hier pro Jahr versteigert. Thunfisch ist in Japan ein Milliarden-Geschäft.

16 Millionen Yen, umgerechnet 120.000 Euro, bezahlte ein Käufer Anfang des Jahres für einen einzelnen Blauflossen-Thunfisch. 230 Kilogramm wog das Prachtexemplar aus dem südlichen Pazifik, das den Rekordpreis erzielte.

Doch der Bluefin-Tuna, der vor allem in den Gewässern südlich von Australien gefangen wird, ist in seinem Bestand offenbar drastisch zurück gegangen. Auktionsleiter Keijichi Suzuki rief zu Beginn der ersten Fischauktion des Jahres zu einem nachhaltigen Umgang mit den immer knapper werdenden Fischbeständen auf. In keinem anderen Land ist der Fischkonsum pro Einwohner so groß wie in Japan.

Suzuki: "Thunfisch ist eine extrem kostbare Nahrungsquelle für uns Japaner. Er ist einer der Eckpfeiler unserer Esskultur. Wir müssen deshalb darauf achten, dass diese Ressource auf lange Sicht erhalten wird."

Um den begehrten Blauflossen-Thunfisch vor dem Aussterben zu bewahren, hat die Internationale Fischfang-Kommission im November die Fangquote weltweit um 20 Prozent gekürzt. Australien musste sogar eine noch stärkere Kürzung der Quote hinnehmen. Um fast 30 Prozent, von 5265 Tonnen auf 4000 Tonnen pro Jahr.

Völlig überraschend für die Fischer in Port Lincoln, dem australischen Zentrum des Thunfischfangs im Bundesstaat Südaustralien. Sie verlieren dadurch mehrere hundert Millionen Dollar allein in der laufenden Fangsaison. Sie sind fassungslos. Brian Jeffries, der Chef des Verbandes der australischen Thunfischindustrie:

Jeffries: "Zu Beginn der diesjährigen Fang-Saison sind wir davon ausgegangen, dass wir mit der gleichen Quote arbeiten können wie im letzten Jahr. Eine Kürzung haben wir frühestens Ende 2010 erwartet. Und jetzt müssen wir mit 30 Prozent weniger auskommen. Die Quote der Japaner wurde nur um 20 Prozent gekürzt. Das ist völlig unrealistisch und nicht akzeptabel."

Der Southern Bluefin-Tuna kann bis zu zwei Meter lang werden und etwa 200 Kilogramm schwer. 350 australische Dollar, umgerechnet rund 175 Euro, also etwas mehr als einen Euro pro Kilo, bekommen die Fischer im Durchschnitt für jeden Thunfisch, vor einigen Jahren lag der Preis noch bei rund 1000 Dollar. In den vergangenen Jahrzehnten haben die Fischer in Port Lincoln ein Millionenvermögen verdient. Bis zu 80.000 Tonnen Thunfisch jährlich wurden in den späten 60er-Jahren in australischen Gewässern gefangen.

Aus Sorge um die Bestände des Bluefin-Tuna wurde die Fangmenge Anfang der 80er-Jahre auf 40.000 begrenzt, bis 1990 reduzierten die Fischer ihre Fangmenge freiwillig auf weniger als 12.000 Tonnen.

Wissenschaftler und Umweltschützer warnen dennoch vor einem (..) Kollaps der Bestände. Campbell Davies von der Forschungsgesellschaft CSIRO sagte im australischen Rundfunk, der Blauflossen-Thunfisch sei schon fast vom Aussterben bedroht:

"Der Southern Bluefin wird seit Mitte der 50er-Jahre gefischt: Nach unseren Schätzungen sind die Bestände jetzt auf einem historischen Tiefstand von zehn Prozent des ursprünglichen Niveaus. Wir befürchten, dass unter diesen Umständen die Reproduktion einbricht. Wenn immer weniger Jungtiere nachwachsen, dann kann sich die Population nicht erholen."

Angetrieben wird der globale Thunfisch-Fang von der immer weiter steigenden Nachfrage aus Japan. Der größte Teil der Fangmenge des Southern Bluefin-Tuna wird auf den Fischauktionen in Japan zu Höchstpreisen versteigert.

80 Prozent des weltweit gefangenen Blauflossen-Thunfischs kommt in den Sushi-Restaurants in Tokio und anderen Städten auf den Tisch. Maguro, wie der Thunfisch auf japanisch heißt, gilt als bester Fisch für Sashimi, die rohe Fisch-Spezialität der Japaner, für die nur Zutaten bester Qualität verwendet werden.

Die Japaner seien Schuld am Rückgang der Thunfisch-Bestände, meint Brian Jeffries vom australischen Fischerei-Verband. Japan hat im Jahr 2007 zugegeben, dass sich die japanischen Fischer über Jahre hinweg nicht an die Quote gehalten und rund 200.000 Tonnen Blauflossen-Thunfisch mehr gefangen hatten, als ihnen zustand. Die australischen Fischer dürften dafür nicht bestraft werden.

Brian: "Nach 25 Jahren hat die Internationale Fischfang-Kommission festgestellt, dass die Japaner in all den Jahren ihre Quote dreifach überschritten hatten. Dabei hat Japan ohnehin die größte Fangquote. Man kann sich vorstellen, wie das dem Bestand des Thunfischs geschadet hat. Japan hat 2007 zwar einer Kürzung der eigenen Quote zugestimmt - als Ausgleich für die jahrelange Überfischung, aber der Thunfisch-Bestand ist ohne Zweifel stark geschädigt worden."

Port Lincoln im Bundesstaat Südaustralien ist das Fischerei-Zentrum des Kontinents. Die Quoten-Kürzung für den Thunfischfang hat in dem kleinen verschlafenen Städtchen wie eine Bombe eingeschlagen. Fast jeder der insgesamt 14.000 Einwohner lebt direkt oder indirekt vom Fischfang. Die Quoten-Reduzierung für den Blauflossen-Thunfisch bedeute Millionenverluste für die Branche , klagt Peter Fair von der Sarin Fishing Group in Port Lincoln. Entlassungen auch in der Zulieferungs- und Verarbeitungsindustrie seien unvermeidlich:

Fair: "Eine Quoten-Kürzung von 25 Prozent bedeutet, dass wir jeden vierten Mitarbeiter entlassen müssen. Das bedeutet auch, dass wir etwa 25 Prozent weniger Fischköder brauchen. Die Köder-Fische werden importiert, das heißt, Transportunternehmen sind betroffen, Verpackungsunternehmen sind betroffen.

Es gibt auch zahlreiche Fisch-Verarbeitungs-Firmen hier in Port Lincoln, die weniger Aufträge bekommen, weil wir weniger Thunfisch fangen. Die Nebeneffekte dieser Quotenkürzung sind gewaltig."

Eine Handvoll Unternehmen teilt sich die australische Fangquote für den Blauflossen-Thunfisch. Die Quoten sind so etwas wie Optionsscheine für den internationalen Fischmarkt und für die Banken eine Sicherheit bei der Vergabe von Krediten an die Fischer. Eine geringere Quote bedeute auch weniger Kredite, klagt Brian Jeffries vom australischer Fischerei-Verband:

"Die größte Herausforderung für die Fischerei-Industrie ist natürlich die Erhaltung des Thunfisch-Bestandes. Darüber gab es zwar schon in der Vergangenheit große Meinungsverschiedenheiten zwischen den Fischern, den Wissenschaftlern und der Regierung. Die jetzige Kürzung der Quote um 24 Prozent ist ein schwerer Schlag für die Industrie.

Die Quoten sind unsere Sicherheit bei den Banken, um kurzfristige Kredite zu bekommen. Die Quotenkürzung bedeutet letztlich, dass die Fischerei-Unternehmen weniger Kapital zur Verfügung haben."

Die Fischer halten die Horrorszenarien über das bevorstehende Aussterben des Thunfischs für völlig überzogen. Dinko Lukin, einer der Pioniere der australischen Thunfisch-Industrie in Port Lincoln, sagt, die Fischer hätten keinen Rückgang der Fangmengen festgestellt, der auf eine Gefährdung des Bluefin-Tuna-Bestandes hinweise. Durch die ständigen Quoten-Kürzungen in den vergangenen Jahrzehnten müsste sich der Thunfisch-Bestand doch erholt haben, meint Lukin.

"Wie kann man denn behaupten, dass der Thunfisch knapp wird? Wenn man unsere Fanggründe betrachtet, dann sind die so groß wie ein Stecknadel-Kopf auf der Landkarte. Doch der Blauflossen-Thunfisch lebt in einem Gebiet von Neuseeland bis nach Südafrika, vom Pazifik über den Indischen Ozean bis in den Atlantik. Wer kann denn da sagen, die Bestände sind gefährdet, nur weil wir 5000 Tonnen aus diesen riesigen Ozeanen heraus holen?"

Die Fischer geben an, sie könnten an einem guten Tag mit einem einzigen Fischzug ihre gesamte Quote fangen.

Wissenschaftler beobachten seit Langem die Entwicklung der Thunfisch-Population und das Wanderungsverhalten der Schwärme, die durch den südlichen Pazifik ziehen. David Ellis, vom Industrieverband der australischen Thunfisch-Unternehmen, hält die Angaben der Wissenschaftler für falsch:

"Wenn man sich anschaut, wie der Aufwand ist, um die Fische zu fangen, kommt man zu dem Schluss, dass dort draußen sehr viele Thunfische sein müssen. Wenn man lange braucht, um die Netze voll zu kriegen, dann sind wohl weniger Fische da.

Aber wenn unsere Boote raus fahren, dann fangen sie die Fische ohne irgendwelche Probleme. Die Erfahrungen der Fischer stimmen also überhaupt nicht mit dem überein, was die Wissenschaftler sagen. Das passt alles nicht zusammen."

Die Kürzung der Thunfisch-Quote für die australischen Fischer ist nach Ansicht von Dinko Lukin eine Art politische Verschwörung. Die Regierung habe sich von Japan unter Druck setzen lassen, meint Lukin. Den Schaden hätten nun die australischen Fischer zu tragen:

"Wer hinter dieser Schweinerei steckt, ist schwer zu sagen. Aber: Wenn die japanische Regierung eine Kürzung unserer Fangquoten durchsetzen will, dann sagt sie der australischen Regierung, dass sie sonst keine Rohstoffe mehr oder andere australische Exportgüter kauft. So läuft das doch, wie man weiß."

Auch Brian Jeffries vom australischen Fischerei-Verband macht andere Gründe für die Quoten-Kürzung verantwortlich als die Sorge um den Thunfisch-Bestand im südlichen Pazifik. Deshalb seien die Vertreter der australische Fischerei-Industrie zum ersten Mal in der Geschichte der internationalen Fischfang-Kommission von den Gesprächen über neue Fangquoten ausgeschlossen worden.

Die Regierung sieht solche Verhandlungen immer in einem größeren Kontext. Australien will mit Japan ein Freihandelsabkommen abschließen. Und es gibt keinen Zweifel daran, dass die australische Fischerei-Industrie diesem Ziel geopfert worden ist. Das ist sehr bedauerlich, aber wir müssen uns wohl damit abfinden.

Auch für den atlantischen Thunfisch wurde die Fangquote Ende vergangenen Jahres drastisch gekürzt. Im Mittelmeer, einem der Laichgründe des Thunfischs, wurden offenbar über Jahre derart räuberische Fangmethoden praktiziert, dass es dort kaum noch Thunfisch gibt. Monaco, der kleinste Mittelmeer-Anrainer, will den Thunfisch deshalb auf die Liste der gefährdeten Tierarten setzen lassen. Prinz Albert von Monaco sagte im Fernsehen, nur durch einen völligen Stopp des Thunfischfangs könne die Spezies gerettet werden:


"Wir haben im Mittelmeer über Jahrhunderte Thunfisch gefangen, aber in den vergangenen Jahren, seit dem Aufkommen des industriellen Fischfangs, sind die Bestände um 75 Prozent zurück gegangen, allein in den vergangenen zehn Jahren um 60 Prozent. Und es werden immer kleinere Fische gefangen. Das ist ein großes Problem. Ich persönlich, als Anwohner des Mittelmeeres, kann nicht tatenlos zusehen, wie der Thunfisch, von dem viele Menschen hier in der Region leben, so einfach ausstirbt."

Auf der Sitzung der Internationalen Kommission für den Erhalt des Atlantischen Thunfischs, ICCAT, Ende vergangenen Jahres in Brasilien einigte man sich darauf, die Fangquote auf 13.500 Tonnen zu kürzen. Den Umwelt- und Tierschützern und sogar einigen Delegationen ging das nicht weit genug.

Die Bestände des atlantischen Blauflossen-Thunfischs sind nach Einschätzung der Wissenschaftler bereits so weit dezimiert worden, dass sich die Population nie wieder erholen wird. Rebecca Lent, die Leiterin der US-Delegation auf der ICCAT-Konferenz, hatte sich für einen weiter gehenden Schutz des Thunfischs eingesetzt, doch vergeblich:

"Wir hatten für 2010 mit einer niedrigeren Quote gerechnet. Wir sind nicht davon überzeugt, dass die jetzt festgelegte Quote von 13.500 Tonnen ausreicht, um den Thunfisch zu schützen. Aber es ist ein gutes Zeichen, dass die Kommission beschlossen hat, auf der nächsten Sitzung nachzubessern, wenn neue wissenschaftliche Erkenntnisse vorliegen. Damit wird die Wahrscheinlichkeit erhöht, dass wir doch noch eine Erholung der Thunfisch-Bestände erreichen können."

Umweltschützer hatten gar ein vollständiges Fangverbot für den Thunfisch verlangt - zumindest vorübergehend, bis sich die Bestände erholt haben. Doch das war nicht durchzusetzen. Willi MacKenzie von der Umweltschutzorganisation Greenpeace:

"Das ist wirklich die letzte Chance für die ICCAT, etwas zu unternehmen, um den Blauflossen-Thunfisch zu retten. Die Beweise, die auf dem Tisch liegen, sind überwältigend. Erst vor kurzem haben die Wissenschaftler der ICCAT selbst festgestellt, dass die Lage ernst genug ist, um ein völliges Fangverbot zu verhängen."

Die Kommission habe nicht mal die Warnungen ihrer eigenen Wissenschaftler befolgt, klagte Susan Lieberman von der amerikanischen Umweltschutzgruppe PEW. Sie sieht deshalb schwarz für den Blauflossen-Thunfisch im Atlantik und anderswo:

"Am besten wäre es, den Thunfischfang völlig einzustellen. Das wäre auch am einfachsten zu überwachen. Nun - das hat nicht geklappt. Im vergangenen Jahr hatten die Wissenschaftler gesagt, 15.000 Tonnen seien die absolute Grenze, und es wurde eine Fangquote von 22.000 Tonnen vereinbart. Tatsächlich gefangen wurden aber 60.000. Eine Quote von 13.500 entbehrt jeder wissenschaftlichen Grundlage. Außerdem ist es sowieso zu spät."

Die Nachfrage nach Thunfisch ist in den vergangenen Jahren drastisch gestiegen. Für Millionen von Menschen ist Fisch die wichtigste Protein-Quelle. Nach Schätzungen der Landwirtschaftsorganisation der Vereinten Nationen FAO stammen 15 bis 20 Prozent der tierischen Proteine in der weltweiten Nahrungsmittelversorgung aus dem Meer.
Thunfisch galt lange Zeit als minderwertig und wurde vor allem als Tierfutter verwendet. Seit einigen Jahrzehnten habe sich das jedoch geändert, sagt Ben Birt vom "Australian Marine Conservation Council":

"In der Vergangenheit wurden der atlantische und der pazifische Blauflossen-Thunfisch vor allem Katzenfutter verarbeitet. Später wurde er in Dosen auch als Lebensmittel für Menschen verkauft, und heute gilt er insbesondere in Japan als Delikatesse. Er ist zu einem Modeartikel geworden, und der hohe Preis, der dafür erzielt wird, treibt dieses Phänomen weiter an."

Auch die Fangmethoden haben einen wesentlichen Anteil an der Überfischung der Thunfisch-Bestände. Während die japanischen Schiffe mit kilometerlangen Leinen, an denen Tausende Haken befestigt sind, durch die Gebiete des Blauflossen-Thunfischs im Südpazifik ziehen, wurde in Australien eine Fangmethode entwickelt, die inzwischen in vielen anderen Regionen der Welt angewandt wird.

Dabei fangen die Fischer mit riesigen Netzen Thunfische mittleren Alters im offenen Meer und schleppen sie in Küstennähe zurück, wo sie noch einige Monate lang gefüttert werden, bis sie eine für den Verkauf geeignete Größe haben. Peter Fair, von der Sarin Fishing Group in Port Lincoln:

"Unsere Schiffe fahren normalerweise im Januar raus aufs Meer und fangen die Thunfische. Danach werden sie in Netzen, die unten mit einem Seilzug verschlossen werden, nach Port Lincoln gezogen und dort in riesigen Käfigen im Wasser gehalten. In den folgenden sechs Monaten füttern wir sie und bereiten sie für den Verkauf vor. Wir sind also so etwas wie Fischfarmer."

Diese Thunfischfarmen galten anfangs als gute Lösung, denn an den Haken der langen Leinen, die bis dahin für den Thunfischfang eingesetzt worden sind, verfingen sich oft auch andere Tiere - Delfine, Schildkröten und Haie, die man eigentlich gar nicht fangen wollte.

Doch die Riesennetze, mit denen ganze Schwärme oder Schulen, wie sie in der Fachsprache genannt werden, eingefangen werden, haben die Fischbestände noch schneller ruiniert. Abgefischt werden vor allem Jungfische vor der Brutreife, deshalb wachsen kaum noch Thunfische heran, die für weiteren Nachwuchs sorgen könnten.

Die Rettung des Blauflossen-Thunfischs im Südpazifik soll künftig die Zucht bringen. Der aus Deutschland stammende Fischerei-Unternehmer Hagen Stehr hat mit seiner Firma Clean Seas in Port Lincoln erstmalig in Australien in riesigen Aquarien Thunfisch aus Fischeiern aufgezogen. Ein Versuch, der auch von der Kinki-Universität in Japan bereits erfolgreich praktiziert worden ist. Hagen Stehr sieht darin die einzige Möglichkeit, um die weltweit steigende Nachfrage nach Thunfisch befriedigen zu können, ohne die Bestände des wilden Thunfischs im Meer zu gefährden:

"Wenn wir in Zukunft noch Fisch essen wollen, brauchen wir Off-Shore-Fischfarmen. Das ist die Zukunft, es gibt keinen anderen Weg. Die Frage ist nicht, ob es dazu kommt, sondern wann es dazu kommt. Es ist also nur eine Frage der Zeit."

Miles Wise, der Fischerei-Ingenieur von Clean Seas, zeigt in der Thunfisch-Zuchtanlage in Arnaud Bay in Südaustralien, wie die Aufzucht des bisher nur wild vorkommenden Thunfischs funktioniert - in einem Drei-Millionen-Liter-Bassin.

"Man sieht hier wie das Weibchen nach oben schwimmt, das Männchen dicht dahinter. Jetzt wird gerade hinter den Eiern, die das Weibchen ausgeschieden hat, eine Wolke mit Sperma ausgestoßen. Diese befruchteten Eier schwimmen an die Oberfläche des Wassers. Wir sammeln sie ein und bringen sie in die Tanks unserer Zuchtstation."

Der erste Versuch sei ein großer Erfolg gewesen, sagt Hagen Stehr. Jetzt sucht er Investoren für die Kommerzialisierung der Thunfisch-Zucht:

"Die Fische haben 35 Tage ununterbrochen gelaicht. Wir waren total schockiert, denn wir waren darauf gar nicht vorbereitet. Wir haben nur zwei Tanks und konnten nicht alle unter bringen. Viele Eier haben wir weg geworfen. Wenn wir entsprechende Einrichtungen hätten, könnten wir jetzt schon in die Produktion gehen."

Doch Umweltschützer betrachten die geplante Thunfisch-Zucht mit Skepsis. Ben Birt vom Australian Marine Conservation Council befürchtet, dass die Bestände des wilden Thunfischs dadurch gar nicht entlastet werden:

"Die Thunfisch-Zucht in einem geschlossenen Zyklus ist natürlich besser als das, was jetzt geschieht. Aber das wird nicht funktionieren. Die Nachfrage ist so groß, dass der wilde und der gezüchtete Thunfisch zusammen nicht ausreichen. Außerdem gibt es das Problem der Fütterung. Für die Thunfisch-Zucht benötigt man wilden Fisch und zwar viel mehr, als man durch die Zucht produziert. Das Verhältnis liegt bei zehn zu eins. Man muss also viel mehr wilden Fisch fangen, als man Thunfisch produziert."

Auch Brian Jeffries vom australischen Verband der Thunfisch-Industrie betrachtet die geplante Zucht des Blauflossen-Thunfischs mit Skepsis. Die Kosten dieses Vorhabens seien noch gar nicht abzusehen, meint er. Anders als bei der bisherigen Praxis, bei der Thunfische gefangen und dann bis zur Schlachtreife angefüttert würden, sei die Zucht vom Fischei bis zum Schlachttier möglicherweise viel zu teuer.

"Wenn man die Thunfische von klein an aufzieht, dann sind die Kosten, bis sie 15 oder 20 Kilogramm schwer sind, sehr hoch. Man hat also hohe Futterkosten und auch eine hohe Sterblichkeitsrate im Aquarium. Bei unserem jetzigen System gibt uns die Natur bereits die ersten 15 bis 20 Kilo. Das ist doch viel effektiver. Aber vielleicht kann man beide Systeme miteinander kombinieren."

Das wiederum ist die Sorge der Umweltschützer. Die Aquakultur des Thunfischs sei im wesentlichen eine Geschäftsidee der Industrie und keine Lösung für den Erhalt der gefährdeten Spezies, meint Peter Trott von der Umweltstiftung WWF.

"Es ist sehr wichtig, dass wir darauf achten, dass hier nicht nur eine neue Marktlücke für die Fischerei-Unternehmen geschaffen wird, während der wilde Thunfisch weiterhin in Gefahr ist."
Während die einen in der Aquakultur die Zukunft sehen und die einzige Chance, den angeblich vom Aussterben bedrohten Thunfisch zu retten, können sich die anderen gar nicht vorstellen, wie man ausgerechnet diesen Fisch in Aquarien züchten will.

Thunfische stehen in der Nahrungskette des Meeres ganz oben. Die äußerst kräftigen und extrem schnellen Tiere haben kaum natürliche Feinde. Auf seinen Wanderungen durch den südlichen Atlantik, den Indischen Ozean und gesamten Pazifik legt der Blauflossen-Thunfisch in rasanter Geschwindigkeit Zehntausende von Kilometern zurück. Um die Kiemenatmung aufrechtzuerhalten ist der Thunfisch in ständiger Bewegung.

Wie man diesen Fisch in einem Becken halten will, sei unvorstellbar, meint David Ellis vom australischen Thunfisch-Verband:

"Der Thunfisch beschleunigt so schnell wie ein Porsche. Da kommt kaum ein anderer Fisch hinterher. Er hat eine aerodynamische Form und kann seine Flossen völlig weg klappen. Und das bedeutet, der Thunfisch wird von kaum einem anderen Fisch gefressen. Das ist ein Raubfisch und keine Sardine."

Ob es den Thunfisch in Dosen oder als Sashimi auch in Zukunft noch geben wird, ist also ungewiss. Notwendig sei ein Umdenken bei den Produzenten und den Verbrauchern, meint Brian Jeffries vom Verband der australischen Thunfisch-Unternehmen. Angesichts der steigenden Nachfrage und dem zurück gehenden Bestand müsse sorgsam mit dem Thunfisch umgegangen werden.

"Fisch ist heute die weltweit am meisten gehandelte Ware, noch vor Rindfleisch und Weizen. Es gibt also einen riesigen Markt für dieses Produkt. Und jetzt, wo sich China weiter öffnet und der Markt in Japan stärker ist als jemals zuvor, müssen wir besonders sorgsam mit dem Bestand umgehen. Nur dann werden wir als Industrie in der Lage sein, auch in den nächsten 20 Jahren zu bestehen."