Streit um César-Nominierungen für Polanski

"Man muss sehr genau gucken, was wirklich passiert ist"

07:39 Minuten
Roman Polanski beim Golden Combat Boot Award im November 2019 in Lodz, Polen.
Der Regisseur Roman Polanski ist Hauptfigur in einem Streit, der den französischen Filmpreis César betrifft. © imago images / Eastnews
Ulrich Khuon im Gespräch mit Axel Rahmlow · 14.02.2020
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Der Vorstand der César-Akademie ist wegen der umstrittenen Nominierung von Roman Polanski für den Filmpreis zurüchgetreten: Dem Regisseur wird Vergewaltigung vorgeworfen. Theaterintendant Ulrich Khuon mahnt, die Überprüfung der Vorwürfe abzuwarten.
Der französische Filmpreis César ist ein nationales Ereignis. Die Verleihung soll am 28. Februar in Paris stattfinden. Nun trat gestern Abend der Vorstand der französischen César-Akademie geschlossen zurück - ein Vorfall, der das Ereignis überschattet.
Hintergrund ist der Streit um den Regisseur Roman Polanski, dessen jüngster Film "Intrige" (im Original: "J'accuse") insgesamt zwölfmal für den diesjährigen César nominiert wurde. Dies sorgte für harsche Kritik, denn im November 2018 waren Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski öffentlich geworden. Ein früheres Model hatte Polanski vorgeworfen, sie 1975 vergewaltigt zu haben. Der Filmemacher bestreitet den Vorwurf.

Wie soll man jetzt mit Polanskis Werk umgehen?

Catherine Newmark aus unserer Philosophie-Redaktion findet Polanski als Regisseur und Künstler "immer noch interessant", als Mensch mache er sich jedoch schon seit Jahrzehnten "unmöglich". Newmark würde zwar die juristische Ebene von dem Werk trennen. Aber es gebe noch eine dritte Ebene, die der Festspiele und der Preise: Es sei für viele Menschen "unerträglich", wenn Polanski auf solchen Veranstaltungen auch noch geehrt und gefeiert werde. Auch der Zeit-Kunstkritiker Hanno Rauterberg unterscheidet in der Rezeption zwischen Werk und Person. Man könne dem Menschen gegenüber durchaus Zeichen der Distanz setzen, "ohne das Werk in Frage zu stellen". Man müsse jedoch immer den Einzelfall betrachten. Die gesamte Diskussion können Sie hier hören:

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Vergewaltigungsvorwürfe gegen Polanski gibt es seit Jahrzehnten. Schon 1977 wurde Polanski in Los Angeles wegen Vergewaltigung eines damals 13 Jahre alten Mädchens angeklagt. Er floh deshalb aus den USA nach London und lebte anschließend in Frankreich.

Genaue Überprüfung jedes Einzelfalls

In unserem Programm mahnte der Intendant des Deutschen Theaters in Berlin, Ulrich Khuon, eine "sehr genaue Betrachtung der Gegebenheiten" an. Solche Vorwürfe müssten in jedem Einzelfall überprüft werden.
Allerdings könne auch er selbst sich nicht ganz und gar von den im Raum stehenden Vorwürfen lösen, wenn er Filme von Roman Polanski schaue. "Polanski hat ja viele bedeutende Filme gedreht. Aber das schwingt natürlich mit", sagt Khuon in unserem Programm. Person und Kunstwerk könne man nicht völlig voneinander trennen. "Gleichzeitig kann man es nicht völlig verschmelzen", so Khuon.
Es sei aber falsch, Menschen, die eine Kinokarte für den Film "Intrige" kaufen, vorzuwerfen sie würden Verbrechen legitimieren. "Ich glaube nicht, dass das ein Pro-Übergriffs-Polanski-Statement ist, wenn ich in den Film gehe. Ich war noch nicht drin, aber ich habe es vor. Er scheint sehr interessant zu sein. Er erzählt ja auch eine interessante Geschichte, wie Vorurteile wirksam werden. Also da bin ich anderer Meinung."

Verhaltenskodex für die Bühnenarbeit

Es gebe viele problematische Filme, sagt Khuon. Menschen, die selber abgründig sind oder die Abgründe kennen, seien manchmal diejenigen, die schwierige Stoffe besonders sensibel umsetzen könnten. "Das gilt auch für Romane", so der Intendant.
Um Missbrauch und Übergriffe zu verhindern oder zumindest zu erschweren, trügen alle in ihren jeweiligen Bereichen Verantwortung. Als Präsident des Deutschen Bühnenvereins habe er sehr für einen Verhaltenskodex gekämpft, betont Khuon. "Wir müssen im Grundsätzlichen lernen, dass wir sensibler miteinander umgehen", meint er.
(huc)
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