Streik

"Nicht mehr nebenher arbeiten müssen"

Eine blonde Frau hält eine rote Tröte in der Hand und trägt einen Überwürf aus Plastik, auf dem "Streik" steht
Warnstreik: Gerade der 100-Euro-Sockel ist umstritten in den Tarifverhandlungen. © picture alliance / dpa / Armin Weigel
Von Anke Petermann · 31.03.2014
Über den gewerkschaftlich geforderten Zuschlag von 100 Euro wird in den Tarifverhandlungen heftig gestritten. Dieser Sockel soll insbesondere die Gehälter in den unteren Einkommensgruppen steigern - dazu gehören auch Erzieher in Kitas.
Sara Breuer und Evelyn Land und haben sich zum Plausch auf der Sonnenterrasse eines Cafés verabredet. Beide arbeiten in einer Kita. Die eine als Sozialassistentin bei einem freien Träger, die andere als Erzieherin bei der Stadt Frankfurt, also im öffentlichen Dienst. So ganz gelingt beiden das Abschalten nicht, der Job ist Thema:
- "Wir sollen das machen, dies machen, Sprachförderung, links, rechts."
- "Ja, nicht nur das, die wollen Analysen haben."
Seit Kitas Bildungspläne und gezielte Sprachförderung umsetzen sollen, fungieren Erzieherinnen als Pädagoginnen. Einen Gehaltssprung aber hat das nicht bewirkt. Evelyn Land steht deshalb nur noch mit einem Bein in diesem Beruf, hat auf Teilzeit reduziert und angefangen, an der Fachhochschule Frankfurt Soziale Arbeit zu studieren. "Als Erzieherin hat man keine Aufstiegschancen", sagt die 29-Jährige. 2.400 Euro brutto verdient sie. Die Stadt Frankfurt zahlt am oberen Ende des Tarifs. Die hohen Mieten in der Bankenstadt fressen das Plus aber auf. Auch ein Grund dafür, dass Evelyn Land nicht in diesem Beruf bleiben will, den sie eigentlich liebt.
"Das Gehalt eines Erziehers wird zwar stetig mehr im Laufe der Jahre, aber das dauert viele Jahre. Ich als alleinstehende Person kann das gerade noch stemmen, aber wenn jetzt Familie oder ein Kind noch vorhanden wäre, wäre das nicht mehr tragbar. Also, ich habe in meiner Vollzeittätigkeit trotz allem noch einen Nebenjob gehabt, den ich immer samstags ausgeübt habe. Wenn ich mir vorstelle, noch eine Familie zu haben – ja, wo ist dann die Zeit, die man mit dem Kind verbringen kann? Die ist dann gar nicht mehr vorhanden."
Sechs-Tage-Woche
Im Fitnessstudio jobbt die Teilzeiterzieherin und -studentin immer noch – seit der Ausbildung hat sie eine Sechs-Tage-Woche. Soeben ist Evelyn Land in die Gewerkschaft eingetreten. Dass Verdi mit dem geforderten Zuschlag von 100 Euro plus 3,5 Prozent der Lohnschere entgegenwirken will, findet sie richtig. Wenn die Arbeitgeber sich da nicht bewegen, ist die Frankfurterin für klare Kante, sprich: unbefristeten Streik. Selbst wenn es ihr für die betroffenen Eltern leidtäte. "100 Euro - das klingt erst mal nicht viel", sagt sie.
"Ja, aber ich glaube, für uns ist das schon eine Menge, auch, weil ich eine Person bin, die an die Zukunft oder auch an die Rente denkt. Und ich könnte mir vorstellen, die 100 Euro haben oder nicht haben oder die zurücklegen oder nicht, macht auch einen enormen Unterschied."
In der Ausbildung haben die Eltern die junge Frau unterstützt. Ihre Freundin Sara Breuer, Name geändert, hatte dieses Glück nicht. Weil sie anders als Evelyn Land kein Fachabitur hatte, hätte sie fünf, statt drei Jahre in die Ausbildung gehen müssen, um Erzieherin zu werden. Doch nach zwei Jahren hörte sie auf. Obwohl sie gemeinsam mit ihrer Freundin zu den 25 Prozent Bewerbern gehörte, die auf der Fachschule für Sozialwesen einen Platz für die Erzieherinnen-Ausbildung ergattert hatte. Von weniger als 600 Euro BAföG im Rhein-Main-Gebiet zu leben, nicht zu machen, befand Breuer und bewarb sich bei einer Kita als Sozialassistentin. Für 1.400 Euro am Anfang, inzwischen 1.700 Euro brutto.
Nicht mehr nebenher arbeiten müssen
"Es ist schwierig, sich da noch was zurückzulegen. Jetzt als blödes Beispiel: Die Waschmaschine ist kaputt, da dann irgendwie ... - finanzielle Rücklagen fehlen halt grundsätzlich."
Von dem Gehaltsplus, das Verdi für den öffentlichen Dienst erkämpft, wird Breuer nicht direkt profitieren, denn sie arbeitet bei einem nicht tarifgebundenen freien Träger. Aber sie hält den Kolleginnen in den städtischen Kitas die Daumen. Allen voran natürlich ihrer Freundin. Die wünscht sich,
"dass einfach ein Vollzeitjob komplett ausreichen sollte und nicht noch nebenher arbeiten zu müssen."
Doch vorerst jobbt Evelyn Land weiter zusätzlich im Fitnessstudio. Wie auch an diesem sonnigen Wochenende. Mangelberuf Erzieherin – Land wird ihn quittieren. Nach dem Studium will sie sich einen besser bezahlten suchen.
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