Streetart in Zeiten von Instagram

Was ist wichtiger: Die Kunst oder das Foto davon?

Aktuelle Streetart des Künstlers Banksy in Paris.
Streetart des Künstlers Banksy in Paris. © dpa / MAXPPP/ Frédéric Dugit
Matze Jung im Gespräch mit Gesa Ufer · 27.06.2018
Beeinflusst das Soziale Netzwerk Instagram auch die Graffitis? Das quadratische Format finde man nun auch vermehrt bei den Bildern auf der Straße, sagt Matze Jung vom Graffitiarchiv. Doch zum Instagram-Hype gebe es in dieser Szene auch eine Gegenkultur.
Der Social-Media-Dienst Instagram hat die Marke von einer Milliarde Nutzerinnen und Nutzern geknackt. Ein Achtel der Menschheit teilt und liked hier Bilder: Selfies, Essen, Städteansichten. Ein sehr beliebtes Motiv sind auch Streetart und Graffiti.
Ein prominentes Beispiel ist Banksy, der eindrucksvolle Graffitis in Paris hinterlassen und sie auch auf Instagram veröffentlicht hat – zum Beispiel ein Flüchtlingsmädchen, das ein Hakenkreuz mit pinkfarbenen Ornamenten übersprüht. Das Ganze kann man – angebracht in der Nähe eines Flüchtlingslagers – als Kommentar auf die französische Einwanderungspolitik verstehen.
Fehlen diesen Kunstwerken nicht der Hintergrund und auch der politische Kontext, wenn sie auf Instagram stehen, fragen wir Matze Jung vom Berliner Graffitiarchiv im Archiv der Jugendkulturen.
Matze Jung: "Oft sieht man nur noch die einzelnen Bilder und die Umgebung muss man sich dazu denken. Wenn die Accounts aber ein bisschen besser gepflegt sind, dann kann man über die Ortsangabe des Bildes oder über die Hashtags herausfinden, ob das Bild in Shanghai steht oder in Berlin an der Mauer."

Enthaltung pflegen

Graffitis seien implizit politisch, betont Jung, und funktionierten nicht nur durch die räumliche Zuordnung. Durch das Posten auf Instagram habe sich aber der Umgang mit den Bildern verändert. Er werde oberflächlicher: "Der Konsum der Bilder wird viel schneller." Die Auseinandersetzung mit den Pieces, mit den Entstehungsbedingungen, mit den Menschen, die dahinter stehen, findet, glaube ich, immer weniger statt."
Deswegen gebe es eine gewisse Gegenbewegung, sagt Jung: "Der Konsum der Bilder wird viel schneller. Die Auseinandersetzung mit den Pieces, mit den Entstehungsbedingungen und den Menschen, die dahinter stehen, findet immer weniger statt. Deshalb gibt es eine bestimmte Gegenbewegung zu dem Instagram-Hype, die so aussieht, dass manche Künstlerinnen und Künstler keine Seiten von ihren Werken schalten, sondern eine gewisse Enthaltung pflegen und die Fotos von ihren Pieces in Büchern, Monographien oder prestigeträchtigen Szenemagazinen unterbringen."

Streetart im Instagram-Format

Neben den Künstlern selbst, die ihre Werke via Instagram bekannt machen wollen, gebe es eine parallele Subkultur von Graffiti-Fotografen und -fotografinnen, die fremde Werke fotografieren und dafür Likes einsammeln, erzählt Jung.
"Geht es dabei um das Foto oder um das abgebildete Graffiti, das ist oft gar nicht mehr klar. Und manchmal hat man auch den Eindruck, dass die Graffiti-Fotografen und -fotografinnen sich diese Pieces, die sie da fotografieren, aneignen und sie behandeln als wären sie ihre eigenen, obwohl sie eigentlich nur das Piece aufgestöbert und ein Foto davon gemacht haben. Da gibt es manchmal so eine Verschiebung."
Und was verändert sich für die Streetart grundsätzlich durch das Medium Instagram?
"Was mir da natürlich auf die Schnelle einfällt, sind natürlich quadratische Pieces, die in den letzten Jahren einen gewissen Zuwachs bekommen haben – also Pieces, die man im Instagram-Format perfekt fotografieren kann."
(cosa)
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