Street Art

Das Kleben ist schön

Eine Litfaß-Säule in Berlin wird neu beklebt
Eine Litfaß-Säule in Berlin wird neu beklebt - und vielleicht schon bald von Barbara mit einem Kommentar bedacht. © dpa / picture alliance / Klaus-Dietmar Gabbert
Von Axel Schröder · 24.02.2016
Ihre Botschaften stehen auf angeklebten Zetteln: "Barbara." kommentiert Rassismus, Diskriminierungen und Beleidigungen. Auf 30 bis 150 Undercover-Einsätze pro Monat bringt es die Street-Art-Künstlerin. Viele Menschen kennen und mögen ihre Interventionen.
"Ich klebe, also bin ich" − diese Botschaft in weißen Lettern auf schwarzem Grund klebt an einer Hauswand. DIN A4-groß, direkt unter dem Schild: "Plakatieren verboten". Ganz unten in der Ecke steht auch der Name des klebenden Wesens: "Barbara." Mit einem Punkt hinterm Namen. Ein Punkt wie ein Ausrufezeichen. Im Internet sind viele ihrer Miniaturen zu sehen. Vor allem in Heidelberg, in Berlin, Hamburg, an Mauern, Laternenpfählen, auf Stromkästen. Den Passanten im Hamburger Schanzenviertel gefallen die Werke:
"Kennt Ihr Barbara? / Ja. Die Klebeschilder. / Und wie gefällt Dir Barbara? / Ich finde die Idee nicht schlecht. Oft gegen "Rechts" und so. Das ist gar nicht schlecht! / So was habe ich schon mal gesehen! Ich finde das schön. Ich finde das gut, was sie macht!"
Interviews gibt der oder die Unbekannte nicht von Angesicht zu Angesicht, nicht am Telefon, nur im Chat. Wir verabreden uns. Es geht los.
"Was war Dein erstes verklebtes, rangetackertes, rangenageltes Bild? Wo hing es?"

Eine Sonne überm Hakenkreuz

Zwei, drei, vier Minuten vergehen. Dann antwortet Barbara:
"Da war ich noch ein Kind und mit meinem Opa spazieren. Er hat mir ein hingeschmiertes Hakenkreuz an einer Häuserwand gezeigt und mir erklärt, für welche schrecklichen Ereignisse dieses Symbol steht. Er versuchte es mit Taschentuch und Spucke wegzuwischen, aber das gelang ihm nicht. Also bin ich am nächsten Tag wieder mit ihm dahin und hatte einen Zettel dabei, auf den ich eine lachende Sonne gemalt hatte und klebte ihn über das Hakenkreuz. Mein Opa hat mich sehr dafür gelobt und er hat gelächelt, was er sonst leider nicht so viel getan hat. Das ging runter wie Öl und ich wusste: Das mach ich jetzt öfter."
Auf 30 bis 150 Undercover-Einsätze bringt es Barbara. Pro Monat. Vor allem in Heidelberg − wahrscheinlich ihr Wohnort... auch in Berlin, wo sie aufwuchs, in Hamburg oder Mannheim, wo sie vielleicht Freunde hat.
Viel braucht sie nicht für ihre Missionen, erzählt Barbara im Chat: Klebe, Schere, einen Copyshop. Was sonst noch, behält sie für sich. Erwischt wurde sie noch nie:
"Zur genauen Vorgehensweise möchte ich nichts sagen, da das ein Teil meiner Deckung ist."
Ich chatte zurück: Wie kommst Du auf die einzelnen Botschaften, die Du draußen hinterlässt? Welchen Schildern oder Botschaften musst Du begegnen, damit es "Plopp" macht und eine Idee entsteht?
"Dafür hab ich nicht wirklich ein Rezept. Ideen entstehen dadurch, dass ich mit offenen Augen durch den städtischen Schilderwald laufe und im Besonderen auf die Botschaften achte, die sich dort an mich und alle anderen Passanten richten. Aber vor allem rassistische, diskriminierende und beleidigende Botschaften möchte ich nicht unkommentiert stehen lassen."

"AfD wirkt. Wie ein Brechmittel"

Also prangt unter einem AfD-Aufkleber an einem Laternenmast nun auch Barbaras Meinung dazu. Vorher war dort zu lesen: "AfD wirkt. Und wirkt. Und wirkt." Barbara hat den Spruch in ihrem Sinn vervollständigt: "AfD wirkt. Und wirkt. Und wirkt." − "Bei mir wie Brechmittel. Barbara." An Verbotsschildern hat das Phantom seine helle Freude: "Plakate ankleben verboten" kommentiert die Künstlerin mit einem blassgelben Post-it: "Haftnotizen gehen klar, oder?"
Die meisten Sprüche auf den nur angeklebten, leicht abziehbaren Zetteln stammen von ihr selbst, ab und zu klaut sie sich einen Spruch dazu. Große Kunst ist das nicht. Ab und zu auch belanglos, etwa, wenn Barbara auf einen Mülleimer in der Hansestadt klebt: "Hamburg ist das schönste Dorf der Welt." Trotzdem. Den Leuten gefällt’s. Egal, ob es um banale Botschaften oder gegen Rassismus geht:
"Ich find’s in Ordnung! Da sollten sich einige ein Beispiel dran nehmen! Wir sind ja nicht Sachsen oder so. / Weiß nicht… Macht das Ganze ein bisschen lustiger, ein bisschen bunter – auch wenn ihre Schilder schwarz-weiß sind. Und ein bisschen schöner, oder? Das Stadtbild wird ein bisschen bunter. Oder? Also ich find’s gut!"
Bunter wird es aber nur für die Menschen, die eine Botschaft von Barbara überhaupt wahrnehmen − auf Wänden voller Graffiti, übereinander geklebten Konzertplakaten, den "Suche-Wohnung"-Zetteln in Klarsichtfolie. Wer in Heidelberg, Hamburg, Mannheim oder Berlin auf die schwarz-weißen Nachrichten der großen Unbekannten stoßen möchte, muss wachsam sein. Erste Regel: Nicht ständig auf’s Smartphone-Display starren. Augen geradeaus!
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