Streaminganbieter Sooner

Filme und Serien jenseits des Mainstreams

05:42 Minuten
Filmausschnitt aus "Komm, süßer Tod".
Auch erfreulich viele österreichische Erfolgsfilme wie "Komm, süßer Tod" sind im Angebot von Sooner. © dpa / Film Ventura / Fotoreport
Von Jörg Taszman · 16.08.2020
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Wer Arthouse-Filme und europäische Serien liebt, ist beim neuen Streamingportal „Sooner“ gut aufgehoben. Der Anbieter versteht sich als europäisches Netzwerk. Doch der Preis für das Abo ist relativ hoch und die Konkurrenz groß.
"Netflix bekommt Konkurrenz", "Ein Indie-Netflix aus Deutschland" - Das waren nur zwei der Schlagzeilen im deutschen Blätterwald Ende Juli, als der neue Streaminganbieter Sooner an den Start ging. Beides ist falsch.
Eine wirkliche Entdeckung ist die chilenische Serie "Mary & Mike". Dort geht es um ein ganz bürgerliches Ehepaar mit zwei Kindern und schöner Villa. Aber im Schuppen des Hauses befindet sich ein Folterkeller des Pinochet-Regimes. Mary und Mike arbeiten für den berüchtigten chilenischen Geheimdienst DINA.
Sie bringen Dissidenten im Ausland um, foltern und ermorden Gegner des Regimes oder ganz einfach auch Tänzerinnen aus einem Erotikclub, an denen sie Giftgas testen. Dieser ganz alltägliche Horror in einer Diktatur wird erschreckend beiläufig und schmerzlich genau gefilmt. "Mary & Mike" ist ebenso brillant inszeniert wie hervorragend besetzt.

Kein Mainstream

Wer mit einer Serie wie "Mary & Mike" eine Marktnische besetzt, die von den großen US-amerikanischen Anbietern derzeit kaum bedient wird, kann überhaupt nicht mit den milliardenschweren Streamingportalen Netflix, Amazon oder Disney+ mithalten. Das betont auch der Geschäftsführer von Sooner, Andreas Wildfang: "Der Markt ist eben mainstream-dominiert, hier in Deutschland von drei Betreibern - alle mit US-amerikanischer Mutterfirma", sagt er. "Über Mainstream müsste man sich selbst, wenn man es machen wollte, und ich glaube ich bin nicht einmal sonderlich gut darin, muss man sich keine Gedanken machen, weil niemand hier in Europa das Geld hat."
Wildfang ist durchaus ein Pionier für Arthouse-Streamingdienste. Er betreibt derzeit noch realeyz - ein Portal mit vielen unabhängigen Arthousefilmen, das langsam in Sooner aufgehen wird. Mehr als 20.000 Abonnenten hatte realeyz in den besten Zeiten. Mit Sooner erwartet Wildfang optimistisch sehr viel mehr: "Aber es ist logisch, dass wir die Investments machen, weil wir schon glauben, dass wir im sechsstelligen Bereich Abonnenten haben können. Und dazu kommt: Sooner ist ein Netzwerk, ein europäisches Netzwerk. Das machen nicht nur wir: Deutschland, Österreich, Schweiz. Es ist zeitgleich in Benelux gestartet, geht nach Frankreich, Italien. In zwei bis drei Jahren will man in den meisten europäischen Ländern vertreten sein."

Nischenfilme und -serien

Ein Marktanteil von zehn Prozent der Streamingnutzer scheint jedoch zweifelhaft. Denn es gibt bereits kleinere Anbieter wie Mubi, Alles Kino, Flimmit und Lacinetek, die auf Klassiker und künstlerisch anspruchsvolle Werke jenseits des Mainstreams setzen. Aber all diese Anbieter zeigen keine Serien - und mit diesem Alleinstellungsmerkmal kann Sooner durchaus wuchern.
Außerdem bündelt man auf einer Plattform Werke, für die man sonst mehrere Streamingdienste abonnieren müsste. Und selbst wenn die großen kommerziellen Kracher fehlen, Mainstream- und Publikumsfilme findet man schon auf Sooner, wie die Kultfilme um Egon Olsen und seine Olsenbande.
Neben der "Olsenbande", dem dänischen Hit in den DDR-Kinos finden sich auch DEFA-Klassiker wie "Der geteilte Himmel" und erfreulich viele österreichische Erfolgsfilme wie "Komm, süßer Tod". Mit dabei sind auch frühe Meisterwerke des Tonfilms wie der Skandalfilm "Extase" mit Hedy Lamarr, der wegen seiner Nacktszenen in die Filmgeschichte einging, aber darüber hinaus ein sehr modernes und mutiges Frauenporträt zeichnet.

Jeden Tag eine Deutschlandpremiere

Wer jedoch heute mit seinem Streamingangebot reüssieren möchte, der braucht neue Filme und Serien, die sonst kein Anbieter zeigt, betont Wildfang und weist vor allem auf seine "Sooner Exclusives" hin:
"Wir haben viele französische Sachen, viele internationale Sachen, die alle auf den Festivals gelaufen sind und die hier keine Schnitte sehen. Wenn du bei 'Neue Filme' oder 'Sooner Exclusives' schaust, dann wirst du jeden Tag einen Film sehen, den es in Deutschland vorher noch nicht gab: nicht im Kino, nicht auf DVD oder Blu-Ray, nicht im Streaming, sondern nur bei uns."
Zu den Höhepunkten im Filmangebot gehört der russische Film "Arrhythmia" von Boris Khlebnikov um ein junges Ärztepaar in Moskau, das sich noch liebt, aber scheiden lassen will. "Arrhythmia" lief kurz in den deutschen Kinos und ist auch auf Amazon Prime zu sehen. Bei einer Plattform wie Sooner besteht jedoch die Chance, dass man so ein kleines Filmjuwel eher wahrnimmt.

Jüngere Zielgruppe

Clever scheint, dass Sooner ganz bewusst eine jüngere Zielgruppe anspricht, die digital affiner ist als das Arthouse-Kinopublikum der Generation 45 plus, das im Kino kaum Experimente wagt. Wer es also sperriger, böser, zwiespältiger, origineller und gewagter mag, der ist bei Sooner gut bedient.
Der Abopreis von 7,95 Euro im Monat oder 60 Euro für ein Jahr ist jedoch ziemlich hoch angesetzt. Und ob man ohne nennenswerte Werbung mit Arthouse-Filmen und -Serien wahrgenommen wird, bleibt abzuwarten. Einen Erfolg wünscht man Sooner jedoch auf jeden Fall.
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