Straubhaar: Banken statt Bankgeschäfte besteuern
Der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, lehnt eine Börsenumsatzsteuer ab.
Jörg Degenhardt: Die Neuregelung der internationalen Finanzmärkte bleibt eine Herkulesaufgabe. Das sehen nicht nur die Politiker, sondern auch die Banker so. Nicht alle vielleicht, aber doch viele wichtige und einflussreiche. Von denen haben etliche das Wochenende in Istanbul verbracht. Die Finanzminister und Notenbankgouverneure der sieben führenden Industrieländer, kurz also der G 7, waren dort zusammengekommen. Und heute an gleicher Stelle: Die Herbsttagung von Weltbank und Internationalem Währungsfonds nimmt ihre Arbeit auf. Man darf gespannt sein, wie viel Reformbegeisterung tatsächlich noch vorhanden ist, um aus den Fehlern der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen – jetzt, wo es gerade wieder ein bisschen aufwärts geht. Professor Thomas Straubhaar ist am Telefon, der Präsident des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts. Guten Morgen, Herr Straubhaar!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten könnte nach Einschätzung des Chefs des IWF vom Wochenende, von Dominique Strauss-Kahn, in spätestens einem Jahr überwunden sein. Ist das nicht eine sehr optimistische Aussage?
Straubhaar: Die Frage ist, was meint man genau mit Überwundensein? Ich denke, was richtig ist, ist, dass wir gute Anzeichen dafür haben, dass die Konjunktur wieder anzieht, dass insbesondere auch die Weltwirtschaft deutlich schneller, als vielleicht von den größten Pessimisten erwartet, wieder an Fahrt gewinnen wird, dass wir nächstes Jahr durchaus weltweit wieder positive Wachstumsraten von 2 bis 4 Prozent für die ganze Welt schreiben dürften. Allerdings werden die Spuren dieser Krise uns noch eine ganze Weile beschäftigen, und auch auf diesem Gipfel jetzt, der G 7, ist ja auch gesagt worden, insbesondere vom Bundbankpräsidenten, richtigerweise, dass wohl die Wachstumsdynamik generell in den nächsten Jahren geringer werden dürfte.
Degenhardt: Aber könnte denn nicht der am Wochenende in Istanbul zur Schau gestellte Optimismus dazu führen, dass man bei den Bemühungen, Reformen einzuleiten, um aus den Lehren der Vergangenheit oder aus den Problemen der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen, dass man mit diesen Reformbemühungen nachlässt?
Straubhaar: Doch, ich denke, das ist natürlich immer die große Gefahr, dass wenn sozusagen der Wasserstand wieder sich abzusenken beginnt, man glaubt, man könnte so weiterfahren wie vor der Krise. Andererseits ist natürlich das Bewusstsein groß genug und stark genug, dass etwas geändert werden muss. Und ich denke, jetzt ist die entscheidende Frage für den Makroökonomen, der ich bin, jene, ob man jetzt durch Regulierungen versuchen wird, sozusagen die Risiken einer Wiederholung dieser Krise zu vermeiden – das ist sicher richtig und angezeigt –, oder ob man andererseits vielleicht übers Ziel hinausschießen wird und eben auch ganz normale Bankgeschäfte überreguliert werden, sodass wir eben das dann mit entsprechenden Wachstumsreduktionen bezahlen werden müssen.
Degenhardt: Wie kann denn die Bankenbranche – das ist ja auch eine konkrete Frage, die noch nicht geklärt ist –, wie kann denn die Bankenbranche an den Kosten der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten beteiligt werden, die sie ja selber mit verursacht hat? Oder ist das jetzt gar nicht mehr notwendig?
Straubhaar: Natürlich, und ich denke, da muss man zwei Dinge unterscheiden. Gerade in Deutschland wird ja sehr stark auch bevorzugt ein Instrument, das im weitesten Sinne Börsengeschäfte verteuern sollte. Ich denke, ein anderer Ansatz scheint mir klüger zu sein, dass man nicht Bankengeschäfte verteuert, weil das würde letztlich ja immer auch wieder auf die Kunden überwälzt werden, sondern dass man die Banken ganz generell direkter an den Kostenfolgen teilhaben lässt. Und das läuft auf eine Besteuerung, wie auch immer geartet, der Banken und nicht deren Geschäfte hinaus, beispielsweise indem man Dividenden von Banken stärker belastet, beispielsweise indem man Bankaktien stärker in irgendeiner Art und Weise belastet oder Anleihen, die von Banken gezeichnet werden.
Degenhardt: Herr Straubhaar, welche Rolle haben Weltbank und Internationaler Währungsfonds bisher überhaupt bei der Bewältigung der Krise aus Ihrer Sicht gespielt?
Straubhaar: Ich denke sogar eine steigende. Ich denke, dass in dieser Krisensituation die Bedeutung von Weltbank und Weltwährungsfonds gestiegen sind, weil ja ganz klar und eindeutig ist, dass es um eine globale Krise geht, eine Krise, die alle Länder gleichermaßen betrifft und selbst gerade wohl die Ärmsten der Welt ganz besonders, weil – wie immer in Krisensituationen – die besser Gestellten, die haben Alternativen, die können ausweichen. Die schlechter Gestellten, die werden von einer solchen Krise mit voller Wucht getroffen. Und deshalb, denke ich, der Weltwährungsfonds und die Weltbank werden eine größere, eine bedeutendere Rolle spielen, wenn es jetzt eben darum geht, globale Regeln für globale Spiele zu suchen. Das ist ein langer Prozess, das wird Jahre hinhalten, bis man so weit sein wird. Aber ich denke, dass es nur über im weitesten Sinne die Weltbank beziehungsweise den Weltwährungsfonds laufen kann.
Degenhardt: Vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise haben ja die ärmeren Länder Afrikas eine Vertretung in der Runde der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gefordert. Ist das nicht überfällig, dass neben Südafrika – die sind ja schon dabei – ein weiteres Land vom schwarzen Kontinent folgt, selbst wenn es vielleicht hoch verschuldet ist, wie beispielsweise der Senegal?
Straubhaar: Absolut, weil ich denke, wie eben angesprochen ist die Weltbank eine Vertretung von allen Ländern der Welt gleichermaßen, und es kann nicht sein, dass ganze Ländergruppen nicht dabei sitzen. Es wird eine Frage sein, wie man das koordiniert. Also das gab’s ja bis jetzt auch schon, dass es zu einer Art Gruppenbildung von einzelnen Ländern gekommen ist. Und das wird deshalb ganz besonders wichtig sein – nehmen wir mal Afrika –, weil gegebenenfalls man macht global gültige Regeln, dann müssen die natürlich auch in Afrika zur Anwendung kommen, sonst haben wir wieder Steueroasen oder wieder Regulierungsoasen. Und das kann nur geschehen, wenn man sozusagen freiwillig diese Länder in diese Vereinbarungen bringt. Und das wiederum kann nur bedeuten, dass sie auch teilhaben müssen an den Rechten, dass sie dazugehören.
Degenhardt: Der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, zur Herbsttagung von IWF und Weltbank in Istanbul. Herr Straubhaar, vielen Dank für das Gespräch!
Straubhaar: Gern geschehen!
Thomas Straubhaar: Guten Morgen, Herr Degenhardt!
Degenhardt: Die schwerste Wirtschaftskrise seit Jahrzehnten könnte nach Einschätzung des Chefs des IWF vom Wochenende, von Dominique Strauss-Kahn, in spätestens einem Jahr überwunden sein. Ist das nicht eine sehr optimistische Aussage?
Straubhaar: Die Frage ist, was meint man genau mit Überwundensein? Ich denke, was richtig ist, ist, dass wir gute Anzeichen dafür haben, dass die Konjunktur wieder anzieht, dass insbesondere auch die Weltwirtschaft deutlich schneller, als vielleicht von den größten Pessimisten erwartet, wieder an Fahrt gewinnen wird, dass wir nächstes Jahr durchaus weltweit wieder positive Wachstumsraten von 2 bis 4 Prozent für die ganze Welt schreiben dürften. Allerdings werden die Spuren dieser Krise uns noch eine ganze Weile beschäftigen, und auch auf diesem Gipfel jetzt, der G 7, ist ja auch gesagt worden, insbesondere vom Bundbankpräsidenten, richtigerweise, dass wohl die Wachstumsdynamik generell in den nächsten Jahren geringer werden dürfte.
Degenhardt: Aber könnte denn nicht der am Wochenende in Istanbul zur Schau gestellte Optimismus dazu führen, dass man bei den Bemühungen, Reformen einzuleiten, um aus den Lehren der Vergangenheit oder aus den Problemen der Vergangenheit die richtigen Lehren zu ziehen, dass man mit diesen Reformbemühungen nachlässt?
Straubhaar: Doch, ich denke, das ist natürlich immer die große Gefahr, dass wenn sozusagen der Wasserstand wieder sich abzusenken beginnt, man glaubt, man könnte so weiterfahren wie vor der Krise. Andererseits ist natürlich das Bewusstsein groß genug und stark genug, dass etwas geändert werden muss. Und ich denke, jetzt ist die entscheidende Frage für den Makroökonomen, der ich bin, jene, ob man jetzt durch Regulierungen versuchen wird, sozusagen die Risiken einer Wiederholung dieser Krise zu vermeiden – das ist sicher richtig und angezeigt –, oder ob man andererseits vielleicht übers Ziel hinausschießen wird und eben auch ganz normale Bankgeschäfte überreguliert werden, sodass wir eben das dann mit entsprechenden Wachstumsreduktionen bezahlen werden müssen.
Degenhardt: Wie kann denn die Bankenbranche – das ist ja auch eine konkrete Frage, die noch nicht geklärt ist –, wie kann denn die Bankenbranche an den Kosten der schwersten Finanzkrise seit Jahrzehnten beteiligt werden, die sie ja selber mit verursacht hat? Oder ist das jetzt gar nicht mehr notwendig?
Straubhaar: Natürlich, und ich denke, da muss man zwei Dinge unterscheiden. Gerade in Deutschland wird ja sehr stark auch bevorzugt ein Instrument, das im weitesten Sinne Börsengeschäfte verteuern sollte. Ich denke, ein anderer Ansatz scheint mir klüger zu sein, dass man nicht Bankengeschäfte verteuert, weil das würde letztlich ja immer auch wieder auf die Kunden überwälzt werden, sondern dass man die Banken ganz generell direkter an den Kostenfolgen teilhaben lässt. Und das läuft auf eine Besteuerung, wie auch immer geartet, der Banken und nicht deren Geschäfte hinaus, beispielsweise indem man Dividenden von Banken stärker belastet, beispielsweise indem man Bankaktien stärker in irgendeiner Art und Weise belastet oder Anleihen, die von Banken gezeichnet werden.
Degenhardt: Herr Straubhaar, welche Rolle haben Weltbank und Internationaler Währungsfonds bisher überhaupt bei der Bewältigung der Krise aus Ihrer Sicht gespielt?
Straubhaar: Ich denke sogar eine steigende. Ich denke, dass in dieser Krisensituation die Bedeutung von Weltbank und Weltwährungsfonds gestiegen sind, weil ja ganz klar und eindeutig ist, dass es um eine globale Krise geht, eine Krise, die alle Länder gleichermaßen betrifft und selbst gerade wohl die Ärmsten der Welt ganz besonders, weil – wie immer in Krisensituationen – die besser Gestellten, die haben Alternativen, die können ausweichen. Die schlechter Gestellten, die werden von einer solchen Krise mit voller Wucht getroffen. Und deshalb, denke ich, der Weltwährungsfonds und die Weltbank werden eine größere, eine bedeutendere Rolle spielen, wenn es jetzt eben darum geht, globale Regeln für globale Spiele zu suchen. Das ist ein langer Prozess, das wird Jahre hinhalten, bis man so weit sein wird. Aber ich denke, dass es nur über im weitesten Sinne die Weltbank beziehungsweise den Weltwährungsfonds laufen kann.
Degenhardt: Vor dem Hintergrund der Finanz- und Wirtschaftskrise haben ja die ärmeren Länder Afrikas eine Vertretung in der Runde der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer gefordert. Ist das nicht überfällig, dass neben Südafrika – die sind ja schon dabei – ein weiteres Land vom schwarzen Kontinent folgt, selbst wenn es vielleicht hoch verschuldet ist, wie beispielsweise der Senegal?
Straubhaar: Absolut, weil ich denke, wie eben angesprochen ist die Weltbank eine Vertretung von allen Ländern der Welt gleichermaßen, und es kann nicht sein, dass ganze Ländergruppen nicht dabei sitzen. Es wird eine Frage sein, wie man das koordiniert. Also das gab’s ja bis jetzt auch schon, dass es zu einer Art Gruppenbildung von einzelnen Ländern gekommen ist. Und das wird deshalb ganz besonders wichtig sein – nehmen wir mal Afrika –, weil gegebenenfalls man macht global gültige Regeln, dann müssen die natürlich auch in Afrika zur Anwendung kommen, sonst haben wir wieder Steueroasen oder wieder Regulierungsoasen. Und das kann nur geschehen, wenn man sozusagen freiwillig diese Länder in diese Vereinbarungen bringt. Und das wiederum kann nur bedeuten, dass sie auch teilhaben müssen an den Rechten, dass sie dazugehören.
Degenhardt: Der Chef des Hamburgischen Weltwirtschaftsinstituts, Thomas Straubhaar, zur Herbsttagung von IWF und Weltbank in Istanbul. Herr Straubhaar, vielen Dank für das Gespräch!
Straubhaar: Gern geschehen!