"Straßenbekanntschaft" und mehr

Von Claudia Lenssen |
Ein Außenseiter und Grenzgänger war der Filmregisseur Peter Pewas. Solch ein Bilderpoet und Individualist hatte es überall schwer: In der Nazi-Zeit, im frühen Nachkriegskino unter sowjetischer Kontrolle und in der Adenauer-Ära der BRD. Eine DVD-Edition lädt dazu ein, Peter Pewas zu entdecken.
Die Wohnung einfacher Leute in einer deutschen Kleinstadt. Mutter und Tochter leben hier allein. Eine gute Partie wünscht sich die Mutter für ihr Kind, doch die Tochter lehnt den spießbürgerlichen Bräutigam rundheraus ab, weil ein anderer Mann ihre Träume zu erfüllen scheint. Nun soll die Mutter den Ungeliebten abweisen.

In Peter Pewas Film "Der verzauberte Tag" gerät solch ein Dialog zum optischen Feuerwerk in Schwarzweiß. Sein Melodram mischt Realistik und Fantastik ungewöhnlich wirkungsvoll und stellt den fanatischen Kleinbürger allein durch den visuellen Stil ganz gegen den Geist der Nazi-Zeit als böse Karikatur dar.

Der Regisseur erinnert sich, wie er mit solchen Inszenierungsideen aneckte:

"Im Feuerloch im Kamin fangen die Holzscheite an zu glimmen. Und das Glimmen sieht man auf einmal auf seinem Brillenglas und jetzt sieht die Kamera von oben auf diese Szene, wie der Waschtopf zum Kochen kommt und wie die Tropfen zsch zsch, wie das auf die heiße Herdplatte kommt und wie er aufspringt, wütend ist, in den hellen Raum läuft, zurückkommt. Plötzlich war ein Drama entstanden. Da bekam ich Beifall, als alles fertig war. Da fragen Sie mich, welche Schwierigkeiten ich hatte, das durchzusetzen?! Echtes kochendes Wasser im Atelier?!"

Mit einer 16-Millimeter-Kamera machte Peter Pewas in den frühen 30ern dokumentarische Aufnahmen vom Alexanderplatz, konnte den Film jedoch nie fertigstellen. Pewas arbeitete als Werbegrafiker und Plakatkünstler, bis er 1938 in die neu gegründete Filmakademie der Ufa aufgenommen wurde, einige Probespielfilme drehen durfte und nebenher Assistent bei Propagandaproduktionen war. "Der verzauberte Tag", sein erster eigener Kinofilm, entstanden mitten im Bombenkrieg 1944 in den Babelsberger Studios, missfiel dem obersten Zensor der Nazi-Filmindustrie. Goebbels verbot das Melodram über zwei junge lebenshungrige Frauen und die Täuschungsgefahren in Sachen Liebe. Pewas’ Plädoyer für die Sprache der Gefühle schien zu sensibel für das letzte Propagandaaufgebot zum Krieg. Die Stimmungen, die seine Traumbilder im Kino erzeugten, waren ihrer Zeit voraus. Diesen Ruf wurde Peter Pewas zeit seines Lebens nicht los.

"Straßenbekanntschaft", Peter Pewas’ erfolgreichster Film, griff 1948 ein heißes Nachkriegsthema auf. Die Defa, damals vor Gründung der DDR eine Aktiengesellschaft unter sowjetischer Aufsicht, wollte vor Geschlechtskrankheiten warnen und ließ Pewas ein Drehbuch verfilmen, das die Gefahren vor allem dem sexuellen Leichtsinn junger Frauen zuschrieb. Doch Pewas’ Regieeinfälle und seine junge Hauptdarstellerin Gisela Trowe machten das sozialhygienische Aufklärungsstück zu einem faszinierenden Zeitportrait, das die illusionslose Cleverness der Nachkriegsjugend mit Sympathie darstellte.

Fünf Millionen Menschen sahen "Straßenbekanntschaft", kein Film von Pewas konnte je wieder daran anknüpfen. Obwohl er einen mit Klaus Kinski plante, Lob für den Jugendfilm "Viele kamen vorbei" einheimste und mehrere Kurzfilme drehte, musste der Regisseur sich mit Werbespots über Wasser halten und starb verarmt 1984 in Hamburg. Eine Peter-Pewas-Retrospektive des Hamburger Cinefestes 2009 dokumentiert nun als Doppel-DVD fast die gesamte Bandbreite seines Werks. Diese Kollektion und ihre Extras, darunter auch ein Portrait machen heute wieder neugierig auf den unangepassten Bilderfinder Peter Pewas. Es hätte das bornierte und banale deutsche Kino verändert, wenn er auf gute Produzenten gestoßen wäre.

Peter Pewas: "Ich wollte versuchen, aus der Armut heraus einen neuen deutschen Filmstil, nämlich die Wirklichkeit zu präsentieren. Das war damals mein Anliegen. Ich kam nicht dazu. Ich war wirklich mit diesen Themen zu früh dran."

Peter Pewas, Filme 1932 – 1967, eine DVD-Edition des Hamburger Filminstituts Cinegraph und des Bundesarchivs, ist mit zahlreichen Extras erschienen bei absolut medien zum Preis von 29,90 Euro