Straßenbau

Autobahnausbau erzürnt Mainzer Umweltschützer

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Blick Richtung Mainzer Sand - hier soll die Autobahn ausgebaut werden. © Gerhard Weitmann
Von Anke Petermann  · 17.11.2014
Das Schiersteiner Kreuz ist bei Pendlern im Rhein-Main-Gebiet wegen langer Staus gefürchtet. Jetzt soll die A 643 von Wiesbaden bis zum Kreuz Mainz erweitert werden, doch das Projekt durchschneidet ein Naturschutzgebiet - es gibt Widerstand.
Weidmann: "Hast du so Arbeitshandschuhe? Gut. Moin, moin."
Mit Astschere und Rechen bewaffnet verteidigen drei Dutzend Naturschützer wochenends den "Mainzer Sand". Zunächst mal gegen Brombeerbüsche und Weißdorn, die diese seltene Mischung von osteuropäischen Steppen-Pflänzchen und Mittelmeer-Flora zu überwuchern drohen.
"Aber notfalls schwingen wir den Rechen auch gegen den Bundesverkehrsminister", witzelt ein Senior in grüner Arbeitshose.
Raritäten im November
Joachim Wolf schwitzt im Wollpulli, während er Weißdorn ausrupft. Dabei hat der promovierte Apotheker und Biologe ein Auge für die Raritäten, die sogar im November noch gelb und zartrosa blühen:
"Sandsteinkraut, Kartäusernelke blüht. Eben hab' ich gesehen: Sonnenröschen blüht auch - ein Mittelmeergewächs, dann blüht noch Fünffingerkraut, Reiherschnabel, was an sich früh im März blüht. Manche Sachen blühen mittlerweile zweimal im Jahr - früh und dann noch mal spät."
Im Naturschutzgebiet "Mainzer Sand" trifft Steppe auf Mittelmeer - mit Federgras, das man sonst in Südmähren antrifft, und mediterranem Feldmannstreu, das jetzt im Herbst abbricht und vom Wind als Kugel übers Gras geblasen seine Samen verstreut.
Wolf: "Nit nur Forschungsbiotop, sondern auch Arbeit, harte Arbeit. Man muss ständig dran bleiben, sonst verbuscht das alles. Das ist sowieso so ein isoliertes kleines Gebiet, das darf dann nit noch kleiner werden und ..."
"Jeder Meter, wo mir Umweltschützer hier kämpfe, ist ja sehr, sehr wichtig, ja",
ergänzt Herbert Immekus: Seit zwei Jahrzehnten kämpfen die beiden Naturforscher gemeinsam mit Mitgliedern verschiedener Umweltgruppen gegen die Effekte der Überdüngung unter anderem durch Stickstoff aus Abgasen. Jetzt sehen sie ihre Arbeit durch den sechsspurigen Ausbau der A 643 mit einem Schlag zunichtegemacht. Hektarweise würde der Kalkflugsand verloren gehen, die großzügig versprochene Lärmschutzwand würde den Mainzer Sand verschatten und abschneiden von den Winden, die ihn sommers heiß und trocken halten.
Kompromissvorschlag zur Staubeseitigung
27 Umweltgruppen haben sich zum Bündnis "Nix in den (Mainzer) Sand setzen" zusammengefunden und einen Kompromissvorschlag zur Staubeseitigung erarbeitet. Und zwar, so Jürgen Weidmann vom Arbeitskreis Umwelt Mombach,
"dass man temporär morgens und abends, wenn die vielen Pendler fahren, die Standstreifen nutzen würde. Das ist auch ein Vorschlag den das Land Hessen für die Staustellen in Hessen, den das Bundesverkehrsministerium selbst 2011 als Anti-Stauprogramm des Bundes vorgeschlagen hat. Wir konnten das Land Rheinland-Pfalz und die Stadt Mainz von diesem Vorschlag überzeugen, nur den Herrn Dobrindt in Berlin, den konnten wir noch nicht überzeugen."
Dessen Vorgänger Ramsauer hatte den sechsspurigen Ausbau gegen den Willen des Landes und der Stadt sogar angewiesen. Als feindlichen Akt fassten die Rheinland-Pfälzer das Vorgehen des Bundesverkehrsministers auf.
Nachfolger Dobrindt zeigte sich beim Besuch seines Mainzer Amtskollegen Roger Lewentz vor knapp einem Monat zugänglicher. Dobrindt hat zugehört, erzählt SPD-Mann Lewentz beim Ortstermin mit Umweltschützern auf der Autobahnbrücke.
"Er hat gesagt, er lässt seine Abteilung das nochmal prüfen. Ich hab das Prüfungsergebnis neu noch nicht mitgeteilt bekommen."
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Der rheinland-pfälzischer Verkehrsminister Roger Lewentz, (Mitte), mit Umweltaktivisten auf dem Weg zur Autobahnbrücke im Lennebergwald© Gerhard Weitmann
Der Mainzer Verkehrsminister Lewentz wartet, die Ausbau-Gegner warten auch. Und sammeln derweil Unterschriften für eine Petition gegen die Mega-Piste, demnächst verstärkt auf Weihnachtsmärkten. Im Advent wollen sie die aktuelle Zahl von über 7000 weiter hochfahren und - sollte Dobrindt bis dahin nicht eingelenkt haben - im Januar zur Übergabe nach Berlin fahren.
Notfalls würden der NABU und andere Verbände eine Klage gegen die verbreiterte Schneise durchs europaweit bedeutende Naturschutzgebiet prüfen. Roger Lewentz hofft auf den Pragmatismus seines Amtskollegen in Berlin und die sogenannte "Vier plus zwei Lösung" mit ertüchtigten Standstreifen:
"Es hilft ja nichts, dass der Bund mit dem Kopf durch die Wand will und, dass das dann so lange beklagt wird, dass man dann eine St-Nimmerleinstag-Tag-Situation hat. Also: Kompromiss scheint mir möglich, und den sollte man dann auch angehen."
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