Strandgut der Wissenschaft
46 Zigarrenkistchen mit 18.000 Schmetterlingen fanden sich in einem Berliner Museum, dazu Landkarten, Zeitungsausschnitte und ein Tagebuch. Das faszinierende Vermächtnis eines Naturforschers lebt in einem kunstvoll illustrierten Buch weiter.
"Ich hab noch einen Koffer in Berlin", sang einst Marlene Dietrich und obwohl das Lied nichts mit dem Naturforscher Arnold Schultze zu tun hat, passt es: Auch er hat einen solchen Koffer. Entdeckt haben ihn der Schriftsteller Hanns Zischler und die Illustratorin Hanna Zeckau. Bei Recherchen im Berliner Naturkundemuseum stießen sie zufällig auf den "Koffer 41/ Trockenmaterial", der 1939 aus dem fernen Kolumbien nach Berlin geschickt worden war. Der Koffer blieb in den folgenden Jahrzehnten im Depot, sein Inhalt wurde nicht ausgewertet. Dabei entpuppt sich das Trockenmaterial als faszinierendes Vermächtnis Arnold Schultzes: 46 Zigarrenkistchen randvoll mit gefalteten Papiertütchen, in denen sich insgesamt 18.000 Schmetterlinge befinden.
Zischler und Zeckau haben in ihrem Buch "Der Schmetterlingskoffer" nicht nur die Lebensgeschichte des Absenders Arnold Schultze rekonstruiert. Sie erstellen auch eine Bibliographie seiner wissenschaftlichen Publikationen, verfolgen seine Reisen durch Afrika und Südamerika. Hanna Zeckau hat den Inhalt des Koffers kunstvoll illustriert: alte Rechnungen, Zeitungsausschnitte, Romanseiten, Telegramme, Zigarrensiegel, Landkarten, dazu über 80 Schmetterlinge. Zu lesen sind auch Aufzeichnungen aus Schultzes Tagebuch und sein Artikel gegen die Tropenwaldzerstörung. Darüber hinaus gibt es Texte von Nabokov, Wilhelm Lehmann oder Roger Caillois, über Wesen und Arbeit von Lepidopterologen ("Schmetterlingsmenschen"). All das macht dies Buch zu einer wahren Schatzkiste.
1875 in Köln geboren, studierte Arnold Schultze nach dem Militärdienst Geographie und Naturwissenschaften und promovierte. 1910/11 nahm er an der 2. Deutschen Zentral-Afrika-Expedition des Herzogs zu Mecklenburg teil. 1920 ging Schultze nach Kolumbien; untersuchte im Auftrag der dortigen Regierung kaum besiedelte Landstriche auf ihre Tauglichkeit für landwirtschaftliche Nutzung. 1937 erschien in Deutschland sein Buch "Flammen in der Sierra Nevada da Santa Marta", in dem er beispielhaft die ökologischen Folgen übermäßiger Waldrodung benennt. 1934 bricht er gemeinsam mit seiner Frau erneut nach Südamerika auf, um sich fortan seiner botanischen und entomologischen Sammlertätigkeit zu widmen.
Die Arbeit von Jahrzehnten – seine Sammlung seltener Herbarien, Käfer, Samen, Wurzeln, pflanzengeographische Aufzeichnungen, Zeichnungen und Fotografien - wird vernichtet, als der Frachter, auf dem Schultze 1939 nach Deutschland zurückreist, von einem englischen Kriegsschiff versenkt wird. Einzig den Koffer mit den 18.000 Schmetterlingen hatte er aus Kolumbien separat nach Berlin geschickt – er kam an, überstand unbeschadet Bombennächte und Kriegswirren, "wurde ein Strandgut der Wissenschaft, ein Zeitcontainer."
Dass der nun geöffnet und durch –zumindest teilweise – Überführung seines Inhalts in ein graphisch äußerst liebevoll gestaltetes Buch – sinnlich, anmutig, dokumentarisch - einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden kann, ist den Autoren des Buches kaum genügend zu danken.
Besprochen von Carsten Hueck
Hanna Zeckau und Hanns Zischler, Der Schmetterlingskoffer – Die tropischen Expeditionen von Arnold Schultze
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2010
255 Seiten, 39,95 Euro
Zischler und Zeckau haben in ihrem Buch "Der Schmetterlingskoffer" nicht nur die Lebensgeschichte des Absenders Arnold Schultze rekonstruiert. Sie erstellen auch eine Bibliographie seiner wissenschaftlichen Publikationen, verfolgen seine Reisen durch Afrika und Südamerika. Hanna Zeckau hat den Inhalt des Koffers kunstvoll illustriert: alte Rechnungen, Zeitungsausschnitte, Romanseiten, Telegramme, Zigarrensiegel, Landkarten, dazu über 80 Schmetterlinge. Zu lesen sind auch Aufzeichnungen aus Schultzes Tagebuch und sein Artikel gegen die Tropenwaldzerstörung. Darüber hinaus gibt es Texte von Nabokov, Wilhelm Lehmann oder Roger Caillois, über Wesen und Arbeit von Lepidopterologen ("Schmetterlingsmenschen"). All das macht dies Buch zu einer wahren Schatzkiste.
1875 in Köln geboren, studierte Arnold Schultze nach dem Militärdienst Geographie und Naturwissenschaften und promovierte. 1910/11 nahm er an der 2. Deutschen Zentral-Afrika-Expedition des Herzogs zu Mecklenburg teil. 1920 ging Schultze nach Kolumbien; untersuchte im Auftrag der dortigen Regierung kaum besiedelte Landstriche auf ihre Tauglichkeit für landwirtschaftliche Nutzung. 1937 erschien in Deutschland sein Buch "Flammen in der Sierra Nevada da Santa Marta", in dem er beispielhaft die ökologischen Folgen übermäßiger Waldrodung benennt. 1934 bricht er gemeinsam mit seiner Frau erneut nach Südamerika auf, um sich fortan seiner botanischen und entomologischen Sammlertätigkeit zu widmen.
Die Arbeit von Jahrzehnten – seine Sammlung seltener Herbarien, Käfer, Samen, Wurzeln, pflanzengeographische Aufzeichnungen, Zeichnungen und Fotografien - wird vernichtet, als der Frachter, auf dem Schultze 1939 nach Deutschland zurückreist, von einem englischen Kriegsschiff versenkt wird. Einzig den Koffer mit den 18.000 Schmetterlingen hatte er aus Kolumbien separat nach Berlin geschickt – er kam an, überstand unbeschadet Bombennächte und Kriegswirren, "wurde ein Strandgut der Wissenschaft, ein Zeitcontainer."
Dass der nun geöffnet und durch –zumindest teilweise – Überführung seines Inhalts in ein graphisch äußerst liebevoll gestaltetes Buch – sinnlich, anmutig, dokumentarisch - einer breiten Öffentlichkeit vorgestellt werden kann, ist den Autoren des Buches kaum genügend zu danken.
Besprochen von Carsten Hueck
Hanna Zeckau und Hanns Zischler, Der Schmetterlingskoffer – Die tropischen Expeditionen von Arnold Schultze
Verlag Galiani Berlin, Berlin 2010
255 Seiten, 39,95 Euro