Stoiber geht

Von Barbara Roth · 26.09.2007
Edmund Stoiber macht nun seine Ankündigung vom 18. Januar dieses Jahres wahr: Er tritt als Parteivorsitzender der CSU ab und als bayerischer Ministerpräsident zurück. Die Bilanz seiner 14-jährigen Amtszeit: Bayern ist Spitze und steht im Bundesvergleich glänzend da. Trotzdem wollte seine Partei, dass Stoibers selbstherrliche Regentschaft endlich aufhört.
"Champagner, jawohl. Jetzt sind alle in der Champagner-Etage angekommen."

So hört sich einer an, der Ende der Woche seine Ämter verliert: Edmund Stoiber in Champagner-Laune – gut 800 Kilometer von Bayern entfernt. Paris. Elysée-Palast. Besuch bei einem alten Freund, der sich mal der Stoiber Frankreichs nannte. Nicolas Sarkozy empfängt ihn leger, in Hemdsärmeln und nicht im Arbeitszimmer, sondern im lauschigen Garten. Zum Abschied eine innige Umarmung. "Au revoir, mon cher Edmond" ist zu hören. Der französische Präsident hat noch eine Bitte.

Stoiber: "Dass ich selbstverständlich auch in Zukunft als Freund und Gesprächspartner zur Verfügung stehe."

Acht Monate zieht sich Stoibers Abschied nun schon hin. Er sagt nicht leise Servus, er tut es weltweit: Russlands Präsident Putin lässt die Ehrengarde im Kreml aufmarschieren, der ukrainische Präsident Juschtschenko fliegt ihn im Helikopter über die Krim. Und daheim ist seiner CSU Udo Jürgens zu teuer. "Mit 66 Jahren, da fängt das Leben an" – seit Hit hätte so gut gepasst. Der Auftritt auf dem Parteitag scheiterte an der Gage. Trotzdem feiert Stoiber am Freitag seinen 66. Geburtstag. Tags darauf tritt er zurück.

Franzose: "Sie sind immer herzlich willkommen hier. Kommen Sie gerne wieder."
Stoiber: "Dankeschön."

Es ist eine Szene ganz nach seinem Geschmack - für die Unterhaltung kommt der Straßenverkehr rund um den Triumphbogen völlig zum Erliegen. Die große Politik war und ist Stoibers große Leidenschaft. Er führt in Paris politische Gespräche, als würde er es noch Jahrzehnte lang tun. 99,99 Prozent Pflichterfüllung bis zur allerletzten Minute. Wehmut oder Abschiedsschmerz lässt er nicht zu.

Stoiber: "Das mag dann kommen, wenn ich ein bisschen mehr Zeit habe zu reflektieren und an Vergangenes zu denken. Aber ich bin kein Wehmütiger und besonders sentimentaler Mensch, weil ich ja noch einiges vor mir habe."

Ein paar Sekunden gibt er sich den Emotionen hin, dann spricht Stoiber wieder über die Zukunft in der EU. Einer wie er zur Muse verdammt? Ehefrau Karin:

Karin Stoiber: "Irgendwann ist ja auch mal die Zeit da, da sehnt man sich nach mehr Ruhe, nach mehr Gelassenheit und ich hoffe, dass sie jetzt auch eintreten wird."

Das Ende einer Ära. 1974, der Einser-Jurist zieht in den bayerischen Landtag ein. Er wettert gegen die Nacktbader an der Isar. Hilft mit, Ministerpräsident Alfons Goppel zu stürzen. Franz Josef Strauß wird auf ihn aufmerksam. 1978 macht er den damals 37-Jährigen zum CSU-Generalssekretär. Stoiber ist sein Scharfmacher:

Stoiber: "Blondes Fallbeil. Wadlbeißer, Vordenker, Zuspitzer, Lautsprecher, the masters voice."

Der politische Ziehvater holt ihn in die Staatskanzlei. Stoiber ist Diener seines Herrn. Ein Arbeitstier, ein Aktenfresser. Im Büro geht das Licht selten vor Mitternacht aus.

Strauß: "Ich habe noch nie einen kennengelernt, der so von opportunistischen Instinkten frei war wie Edmund Stoiber. Er hält den Kopf auch dann hin, wenn er weiß, dass es ihm den Kopf kosten würde. Und das ist die sicherste Gewähr dafür, dass man auch einen Feldmarschallstab im Tornister hat. Denn die Verzagten und die Feigen sind noch nie etwas geworden auf dieser Welt."

1988, Franz Josef Strauß stirbt. Stoiber wird Innenminister unter Max Streibl. 1993, von der sogenannten "Amigo-Affäre" gebeutelt, tritt der Ministerpräsident beleidigt zurück.

Streibl: "Freunde zu haben - ist das eine Schande bei uns in der CSU? Und deshalb: Saludos Amigos."

Um die Nachfolge tobt ein eiskalter Machtkampf. Stoibers Umfeld streut gezielt Gerüchte. Zeitungen schreiben über Theo Waigels Affäre mit der Skisportlerin Irene Epple. Der CSU-Chef zieht den Kürzeren, verzeiht die Indiskretionen nie. Und Stoiber wird mit 51 jüngster Ministerpräsident Bayerns.

Waigel: "Ich hatte es nicht für möglich gehalten, dass dabei auch persönlich, private Dinge instrumentalisiert würden."

Stoiber: "Was soll das überhaupt? Ich meine für, für wie verrückt oder für wie blöd halten eigentlich manche mich? Auch wenn ich einen Konflikt mit Theo Waigel hätte, ich habe keinen."

Ihre Zusammenarbeit bleibt problematisch. 1998, mit Helmut Kohl an der Spitze, verliert die Union die Bundestagswahlen. Auch Waigel wirft das Handtuch, tritt als CSU-Vorsitzender zurück. 1999 - Stoiber übernimmt.

Waigel: "Nun hast Du es Edmund schwerer: Noch mehr Präsenz in Bonn, Berlin und Brüssel. und noch weniger Schlaf. Leichter hast Du es, weil Du über einen direkten Draht zum Ministerpräsidenten verfügst. Und der immer hinter Dir steht."

Stoiber ist ganz oben, auf dem Zenit seiner Macht. Unantastbar wie einst sein großes Vorbild Strauß. Ihm will er nacheifern. Unermüdlich arbeitet er daran, jenes High-Tech-Land zu vollenden, für das Strauß einst die Grundlagen gelegt hatte.

Stoiber: "Die Geschichte des modernen Bayern ist ein beispielloser Aufholprozess, der uns vom Schlusslicht an die Spitze der deutschen Länder geführt hat. Die Wirtschaftskraft, die Arbeitsplätze, die Staatfinanzen, die Bildung, die Innere Sicherheit, die Kultur – überall ist Bayern heute weit vorne. Und das bei einem ausgeglichenen Haushalt."

Erfolgsmodell Bayern. Die Zahlen sprechen für sich. Und für den Ministerpräsidenten, der sich 14 Jahre lang verstand als Vorstandsvorsitzender der Bayern AG.

Stoiber: "Ich frage mich doch heute, hast Du das Erbe des größten Sohns der CSU, Franz Josef Strauß, auch für Bayern gut verwaltet? Hast Du es vielleicht sogar vermehrt? Ehrlich gesagt, ich glaube, dass auch die Ergebnisse so sind, dass mein großer Mentor Franz Josef Strauß oben sagt: Hast Du gut gemacht."

Doch der barocke Strauß wird in Bayern geliebt. Stoiber – nur geachtet. Das Image eines kühlen Polit-Technokraten schüttelt er nie ab. Er ist verbissener Perfektionist. Pflichtbewusst, diszipliniert, akribisch. Ein Bayer mit preußischen Tugenden. Bundeswirtschaftsminister Michael Glos:

Glos: "Wenn er den bayerischen Gebirgsschützenanzug trägt, dann kommt er vielen Menschen so vor, als ob er maskiert wäre."

Wirklich warm werden sie mit ihrem rastlosen Landesvater nicht. Stoiber ist ein Getriebener. Immer auf dem Sprung. Bundespräsident oder EU-Kommissionspräsident hätte er werden können, er will gestalten, lehnt ab. Ein Schnelldenker. Oft ein Besserwisser. Sein Lächeln wirkt kalt. Er ist auf Distanz bedacht. Detail verliebt. Hoch kompetent und doch ein schlechter Redner. Manches ist längst Kult.

Stoiber: "Dann bedarf es nur noch eines kleines Sprühens sozusagen in die gludernde Lot, in die gudernde Flut, in die lodernde Flut, wenn ich das so sagen darf.
Sie steigen in den Hauptbahnhof ein. Sie fahren mit dem Transrapid in zehn Minuten an den Flughafen Franz Josef Strauß. Dann starten sie praktisch hier am Hauptbahnhof in München. Das bedeutet natürlich, dass der Hauptbahnhof im Grunde genommen, näher an Bayern heranwächst."

Was ihm noch fehlt, ist ein Amt auf bundespolitischer Bühne. 2001 stellt sich die K-Frage. Wer tritt als Kanzlerkandidat gegen Gerhard Schröder an? "Die kann es nicht" - hinter den Kulissen stichelt er gegen Angela Merkel. Sie kommt zum Frühstück nach Wolfratshausen. Sie bietet dem CSU-Chef die Kanzlerkandidatur an.

Karin Stoiber: "Wir haben uns verabschiedet, Frau Merkel und ich. Und da sagte sie, jetzt wird sehr viel Arbeit auf sie zukommen. Und da habe ich gewusst, wie die Entscheidung gefallen ist."

Es soll der Höhepunkt seiner politischen Karriere sein. Selbst Strauß hätte er übertrumpft, der 1980 als Kanzlerkandidat gescheitert war. Für Momente sieht es an jenem Abend im September 2002 auch so aus, als habe der Bayer die Bundestagswahl gewonnen.

Stoiber: "Und ich werde noch kein Glas Champagner öffnen. Aber es wird bald sein. Jubel."

Doch er verliert, wenn auch denkbar knapp. Am Ende fehlen 6027 Stimmen. Und CSU-Generalsekretär Markus Söder räumt ein, in Gummistiefeln hat Schröder die bessere Figur gemacht.

Söder: "Die Flut. Deutschland ist gespalten. Der Westen wählt eindeutig Schröder ab. Im Osten gewinnt die SPD und das nur wegen der Flut. Tja, gegen die Flut kannst Du nichts machen."

Stoibers Popularität in Bayern schadet das nicht. Die Landtagswahlen 2003 werden zum Triumph. Er schafft etwas in der Geschichte der Bundesrepublik noch nie Dagewesenes: Seine CSU erobert die Zwei-Drittel-Mehrheit der Mandate – sogar für die erfolgsverwöhnten Christsozialen ein einmaliges Ergebnis.

Stoiber: "Das ist nicht ein Erfolg eines Mannes. Sondern das ist der Erfolg der gesamten CSU. Ihnen ein herzliches Dankeschön."

Doch der Wahlsieger macht sich unbeliebt. Allen will er beweisen, dass er es besser kann. Besser als ein Kanzler Schröder. Wie besessen vom Wunsch, der Beste zu sein, will Stoiber seinen Landeshaushalt schuldenfrei. Er verordnet Bayern einen Sparkurs mit Brachialgewalt.

Stoiber: "Es muss gespart werden. Sparen ist die Mutter aller Reformen. Und der solide Haushalt ist die Grundlage unserer weiteren Politik."

Seine Verwaltungsreform geht ans Eingemachte. Betroffene laufen dagegen Sturm. Er agiert ziemlich eigenmächtig, was ihm immer mehr CSU-Abgeordnete übel nehmen. Sie nämlich stecken zuhause dafür die Prügel ein. Die schleichende Demontage des Regierungschefs beginnt.

2005 - vorgezogene Bundestagswahlen. Merkel fordert Schröder heraus. Stoiber kandidiert für den Deutschen Bundestag und stürzt sich in den Wahlkampf. Ob er in Merkels Kabinett will, lässt er offen.

Stoiber: "Aber ich akzeptiere es nicht, dass letzten Endes erneut der Osten bestimmt, wer in Deutschland Kanzler wird. Es darf nicht sein, dass hier die Frustrierten über das Schicksal Deutschlands bestimmen."

Union und SPD sprechen über eine Große Koalition. Und Stoiber zimmert sich ein Superministerium für Wirtschaft und Technologie zurecht. Künftige Kabinettskollegen meckern. Merkel aber schweigt. Zuhause sammeln Günther Beckstein und Erwin Huber im Kampf um seine Nachfolge die Truppen hinter sich. Franz Müntefering tritt als SPD-Chef zurück. Und Stoiber bleibt doch lieber in Bayern. Die Seinen sind sauer, enttäuscht.

"Der hängt sein Blättchen nach dem Wind, nix anders."
"Der Mann ist nicht mehr kalkulierbar."
"Die Enttäuschung und der Riss sitzt tief bei der Bevölkerung, bei der Basis."
"Das war ein Mann, den ich immer verehrt habe, den ich mein Leben lang gewählt habe. Nein, nie mehr. Umfaller wollen wir nicht."

"Du hast den Bayern ihren Stolz genommen" - der von ihm einst geschasste Justizminister Alfred Sauter beschreibt den Frust im Land treffend. Immer mehr Bürger sind seiner überdrüssig. Die Christsozialen müssen um Wählerstimmen fürchten. Für CSU-Verhältnisse ungewohnt offen, wird sein selbstherrlicher Regierungsstil kritisiert. Stoiber gelobt Besserung, tut Buße.

Stoiber: "Die CSU ist ein Stück meines Lebens. Ich leide wie ein Hund."

Ein knappes Jahr später. Parteitag in Augsburg. Stoiber glaubt sein Image wieder aufpoliert. Doch sein Berlin-Rückzieher holt ihn erneut ein. In der Person einer Landrätin. Gabriele Pauli, CSU-Mitglied aus Fürth.

Pauli: "Immerhin sind es nach den neusten Umfragen 62 Prozent der bayerischen Wähler, die sagen: Er soll 2008 nicht mehr als Ministerpräsident antreten. Ich habe das Gefühl, dass er nicht so richtig versteht, warum dieser Vertrauensverlust eingetreten ist."

Die aufmüpfige Rothaarige wird zum Sprachrohr der Stoiber-Kritiker. Doch er nimmt sie nicht ernst – ein Fehler. Kurz vor Weihnachten bittet sie um ein Gespräch, Stoiber lehnt ab. Pauli macht ihren Vorwurf öffentlich: Sein Büroleiter Michael Höhenberger habe ihr nachspioniert. Männerbekanntschaften und Alkoholprobleme wolle man ihr andichten, um sie mundtot zu machen. Stoiber opfert seinen engsten Mitarbeiter. Und glaubt, wie Generalsekretär Söder, die Krise nach Strauß-Manier einfach aussitzen zu können.

Söder: "Für die CSU ist die Angelegenheit mit dem heutigen Tag erledigt. Aber der Ego-Trip von Frau Pauli muss endlich aufhören. Ihr Verhalten ist mittlerweile Partei schädigend. Wir erwarten, dass sie endlich damit aufhört. So geht es nicht weiter."

Anfang Januar - das 40-köpfige Parteipräsidium wird eilig nach München bestellt, um dem Spitzenmann das Vertrauen auszusprechen. Edmund Stoiber ist und bleibt die Nummer Eins in der Partei und in Bayern, heißt es wörtlich in einer einstimmigen Solidaritätsbekundung. Gut gelaunt reist er zur Winterklausur der CSU-Landesgruppe im Bundestag nach Wildbad-Kreuth. Landesgruppenchef Peter Ramsauer.

Ramsauer: "Wir werden selbstverständlich ein klares Signal setzen, dass die CSU-Landesgruppe voll und ganz hinter Edmund Stoiber steht, wenn von hinten geschossen wird. Und vor ihm steht, wenn von vorne geschossen wird."

Stoiber lacht. Glaubt die Parteigremien hinter sich. Er will die CSU 2008 erneut als Spitzenkandidat in die Landtagswahlen führen. Keine 24 Stunden später wird allen das Lachen vergehen. Ob er nach der Wahl eine Staabsübergabe plant, wird Stoiber gefragt.

Stoiber: "Die aus München, die mich gut kennen, Ihre Kollegen, die wissen, dass ich nie halbe Sachen machen."

Eine flapsige Bemerkung, die seine Kritiker aufschreien lässt: Er will Bayern bis 2013 regieren. Dann ist er 72. Nicht im Traum denke Stoiber an eine geordnete Übergabe. Eine Woche später tagt die 124-köpfige Landtagsfraktion in Wildbad-Kreuth. Die Herzkammer der CSU genannt. Als Stoiber kommt, spielen sich unwürdige Szenen ab.

Stoiber: "Guten Morgen. Ja, ich gehe. - Ja, Moment ein Mal. - Also bitte. Ich gehe zu meiner Fraktion. Und wir diskutieren weiter. …"

Hinter verschlossener Tür stellt sich Stoiber der Diskussion. Stundenlang. Fraktionschef Joachim Herrmann fürchtet ein Scherbengericht. Abgeordnete bringen miese Stimmung von der Basis mit.

Herrmann: "Es geht um eine gute Zukunft Bayerns und unserer CSU. Und dem haben sich alle anderen Interessen und Ambitionen unterzuordnen, das war immer so in der Geschichte unserer überaus erfolgreichen Partei."

Frau: "Die Stimmung an der Basis ist nicht gut und da werden uns sicher danach richten."

Mann: "2008 mit einem neuen Kandidaten."

Stoiber kämpft, spielt auf Zeit. Er hofft, dass auch die potentielle Putschisten noch eine Weile brauchen, um Allianzen gegen ihn zu schmieden. Stoiber will an die Basis, um neues Vertrauen werben. Dass es dafür zu spät sein könnte, will er nicht wahrhaben.

Stoiber: "Sie wissen, dass ich gerne auch erneut antreten möchte (für die nächste Legislaturperiode – die Red.), dass ich das aber nicht muss."

Die Entscheidung wird vertagt - auf einen Parteitag im Herbst. Ein Pyrrhussieg für Stoiber. Im Glauben weitermachen zu dürfen, fährt er nach Hause. Und Parteivize Barbara Stamm verspricht:

Stamm: "Die Fraktion spricht ihm das Vertrauen aus. Und alles andere wird von unserer Basis, vom Parteitag mit ihm gemeinsam auf den Weg gebracht. Und sie werden mich nicht dabei erwischen, dass ich hier irgendwelche Unklarheiten über diesen Beschluss entstehen lasse."

Der Beschluss ist keinen Pfifferling wert. Während Stoiber im heimischen Bett liegt, treffen sich in Kreuth Günther Beckstein und Erwin Huber auf ein Bier. Was der Ministerpräsident für unmöglich hält: Die einstigen Rivalen um seine Nachfolge sprechen sich aus. Und mehr noch: Sie sind einer Meinung, mit Stoiber verliert die CSU beim Wähler. Geht es um ihren Machterhalt, sind Parteifreunde gnadenlos. Weil sie in Bayern an der Macht bleiben wollen, entmachten sie ihn. Beckstein und Huber teilen seine Ämter unter sich auf. Der Franke, weil beim Wähler beliebter, wird Ministerpräsident; der Niederbayer übernimmt die Spitze der Partei. Von den Eilmeldungen kalt erwischt, kündigt er noch am 18. Januars seinen Rücktritt an.

Stoiber: "Ich werde mein Amt als bayerischer Ministerpräsident zum 30. September diesen Jahres abgeben. Ich werde auch nicht mehr als CSU-Vorsitzender kandidieren."

Am gleichen Tag kündigt Bundeslandwirtschaftsminister Horst Seehofer seine Kandidatur um den Parteivorsitz an. Er ist verärgert, weil Beckstein und Huber das Fell des Bären schon verteilt haben. Doch der populäre Seehofer ist angeschlagen. Veröffentlichungen um eine Geliebte in Berlin machen ihm zu schaffen. Monate später wirft auch die Fürther Landrätin Gabriele Pauli ihren Hut in den Ring.

Wolfrathausen. Gartenstraße. Das Privathaus der Stoibers – von Fotografen belagert. Politrentner Gerhard Schröder kommt zu Besuch. Der Altkanzler hat Erfahrung mit dem Unruhestand.

#Schröder: "Wann kommt unsereins als Pensionär schon mal zu einem warmen Mittagessen?"

Bei Schweinswürstel, Leberkäse und Weißbier schwelgen die einstigen Erzrivalen um das Kanzleramt in alten Zeiten. Was sie eineinhalb Stunden lang zu plaudern hatten, behalten sie für sich. Der Sozialdemokrat will dem Demnächst-Rentner keine Ratschläge geben; öffentlich jedenfalls nicht.

Schröder / Stoiber: "Ich lese und höre, dass er in Brüssel jetzt einen neuen Job bekommen hat für die Bekämpfung der Bürokratie. Aber es ist ein Null-Dollar-Job. Ja, das ist eben der Unterschied zwischen uns beiden. Ich kann es mir nicht leisten, umsonst zu arbeiten.
Aber das höre ich und finde es beachtlich. Mal sehen, was dabei herumkommt. Okay."

Ein Ehrenamt. Nicht mehr als eine Teilzeitjob. Ein, vielleicht zwei Mal im Monat wird Stoiber in Brüssel sein. EU-Kommissionspräsident Barroso hat ihn an die Spitze einer Expertenkommission berufen. Auf alte Freunde ist eben Verlass. Keiner weiß das besser als Schröder. Er hat seinen Job bei Gasprom dem russischen Präsidenten Putin zu verdanken. Für Stoiber jedoch hat er kein Angebot im Gepäck vom gemeinsamen Duzfreund Wladimir:

Schröder / Stoiber: "Nein. Qualifiziert genug wäre er ohne Zweifel, das ist gar keine Frage, aber ich hatte keine Angebote zu machen. Sehr gut. Sie wissen, dass ich genügend habe und eher Schwierigkeiten haben, die richtigen auszuwählen. Da habe ich ihn natürlich gefragt, wo man Schwerpunkte setzen sollte. Und er hat ja doch große Erfahrungen."

So gelöst wie an Schröders Seite haben ihn seine CSU-Freunde lange nicht gesehen. Seine Nachfolger sind froh um jeden Job, den er annimmt. Dann funkt er mit seinen Ratschlägen nicht ständig dazwischen. Stoiber ist für die Seinen Geschichte. Schröder kennt das. Es schweißt sie zusammen. Ein letzter Händedruck, ein Lachen für die Fotografen – dann packt Schröder die Rentnersolidarität. Er kann sich eine letzte Bemerkung mit Blick auf Stoibers Nachfolger nicht verkneifen.

Schröder / Stoiber: "Wenn überhaupt ich auf Bayern eingehe, dann nach dem Motto: Das war Bundesliga! Und was jetzt in Bayern kommt, ist bestenfalls Kreisklasse. Aber das muss er jetzt zurückweisen. Das muss ich natürlich mit Empörung zurückweisen."