Stoffliche Beziehungen

Von Thomas Migge |
Italien ist ein internationales Vorbild in Sachen Kleider - schon seit dem 14. Jahrhundert, wie jetzt eine Ausstellung zu den Modebebeziehungen zwischen Russland und Italien verdeutlicht. Unter dem Titel "Der Stil der Zaren" zeigt das Textilmuseum in Prato bei Florenz Zobelpelze, Stolen und Gemälde.
Großherzog Ferdinand II. der Toskana: gekleidet in einen prächtigen Umhang aus russischen Zobelpelzen. Beim genauen Hinschauen auf das Porträtbild aus dem 18. Jahrhundert wird deutlich, dass der Maler besonderen Wert auf die möglichst realistische Darstellung der Pelze gelegt hat. Sie leuchten und wirken ungemein echt. Fast zum streicheln. Diese Originaltreue in der malerischen Darstellung des Zobelumhangs ist nicht zufällig: sie sollte auf einen der wichtigsten Handelspartner der Florentiner Fürsten verweisen. Zwischen Russland und Italien existierten bereits viele Jahrhunderte bevor sich reiche Russinnen mit Produkten von Armani, Dolce & Gabbana und anderen Italo-Designern einkleideten, enge Beziehungen. Stoffliche Beziehungen im wahrsten Sinn des Wortes, erklärt Tatiana Lekhovich, eine der beiden Ausstellungskuratoren:

"Für den vielen Zobel auf den Porträts toskanischer Fürsten gibt es eine ganz einfache Erklärung. Die kauften direkt in Russland oder bekamen die kostbaren Pelze von den Zaren geschenkt. Unsere Ausstellung will verdeutlichen, dass seit dem Mittelalter engste wirtschaftliche Beziehungen zwischen Italien und Russland bestanden. Das ist die erste Ausstellung überhaupt, die dieses Thema behandelt."

Rund 150 Objekte, darunter Gemälde und wertvolle Stoffe, werden in der Kleinstadt Prato bei Florenz gezeigt. Eine Stadt, die seit dem Mittelalter für ihre kostbaren Stoffe in ganz Europa berühmt war. So auch in Russland, wo sich der Zarenhof mit toskanischen Stoffen versorgte. Auch in Venedig kauften die Russen ein: Seidenstoffe und Damast vom Allerfeinsten.

In den wie Bühnenbilder ausgeleuchteten Sälen der Ausstellung in einer ehemaligen Stofffabrik aus dem 19. Jahrhundert sind unter anderem einmalige Stücke italienisch-russischer Kooperation zu sehen. Darunter eine aus venezianischer Seide und mit Goldstreifen durchwirkte Stola für einen Patriarchen der russisch-orthodoxen Kirche. Ein Gewand aus dem 18. Jahrhundert. Oder auch das Taufkleid, ebenfalls aus golddurchwirkter Seite, für Zar Peter I. Viele dieser Objekte haben zum ersten Mal Russland für eine Ausstellung verlassen. Tatiana Lekhovich:

"Diese engen wirtschaftlichen Beziehungen in Sachen Luxusgütern zwischen dem für Italiener und die übrigen Europäer recht fernen Land Russland sind relativ unbekannt. Wir wollen hier die Geschichte dieser Beziehungen erzählen. Eine Geschichte, bei der Italiener Luxus liefern und die Russen Naturprodukte. Diese Ausstellung soll auch eine Würdigung für so lange gute wirtschaftliche Beziehungen sein."

Und ist somit auch ganz im Sinn der Regierung Berlusconi, die keine Gelegenheit unterlässt, um ihre guten politischen wie auch wirtschaftlichen Beziehungen zu Putin und Russland herauszustreichen.

Die Ausstellung behandelt die stofflichen Beziehungen zwischen beiden Staaten vom Mittelalter bis zum Ende des 19. Jahrhunderts. Dabei wird deutlich, dass vor allem Zar Peter der Große eine Leidenschaft für die damals in ganz Europa begehrten Stoffe aus Italien pflegte. Die Familie Medici, die einige Jahrhunderte lang die Toskana regierte, war ihrerseits an den guten Beziehungen zu den fernen Zaren interessiert – war man doch darauf aus, gegenüber anderen europäischen Höfen mit Pelzen aus Russland zu brillieren. Die kamen, als Dankeschön für die kunstfertigen Stoffe aus Prato und Umgebung, in Form von ganzen Wagenladungen aus Russland. Das gleiche gilt auch für die Dogenrepublik Venedig.

Interessant ist, dass in gewisser Weise sich schon seit dem Mittelalter ein Beziehungsgeflecht entwickelte, das an das heutiger wirtschaftlicher Beziehungen erinnert. Die politischen Eliten des damals wirtschaftlich unterentwickelten Russland, dessen Ortschaften in keiner Weise mit den Städten Italiens vergleichbar waren, kauften in Venedig und Prato, um in Sachen Mode europaweit mithalten zu können. Dafür wurden Unsummen an Geld ausgegeben. Wie heute: die Eliten von sogenannten Entwicklungsstaaten kaufen Luxus in Bella Italia, um mit der internationalen Schickeria mithalten zu können.

Dazu der Florentiner Wirtschaftshistoriker Paolo del Tronco:

"Das waren ungemein erfolgreiche und dauerhafte wirtschaftliche Beziehungen. Von Herrscher zu Herrscher und immer mit Blick auf Luxusprodukte. Die Russen waren ganz wild auf Italo-Produkte. In vielen Fällen wurden italienische Edelstoffe gekauft und in Russland mit Verzierungen nach russischem Geschmack angereichert. Aber auch in Italien arbeitete man nach russischen Vorlagen. Das war vor allem im 17. und 18. Jahrhundert so."

Spannend ist die Ausstellung in Prato vor allem aufgrund der Gegenüberstellung von gemalten Stoffen, wie man sie auf zahlreichen Porträtbildern zu sehen bekommt, und originalen Vorlagen aus der Zeit. Da wird erst richtig deutlich, was für kostbare Produkte damals zwischen Russland und Italien hin- und hergeschickt wurden. Zum Beispiel ein aufwendig bestickter liturgischer Mantel der orthodoxen Kirche aus dem frühen 18. Jahrhundert. Eine Patriarchenstola - ganze 150 Zentimeter hoch.

Service:
Der Stil der Zaren – Kunst und Mode zwischen Italien und Russland von 14. bis zum 19. Jahrhundert
21.September 2009 bis 10. Januar 2010
Prato, Museo del Tessuto