Stöhr: Arbeitgeberangebot bedeutet "Reallohnverlust"

Moderation: Markus Pindur |
Nach Meinung des ersten Vorsitzenden der dbb-Tarifunion, Frank Stöhr, ist das derzeitige Angebot der Arbeitgeber an die Beschäftigten im öffentlichen Dienst nicht akzeptabel. Die angebotene Lohnerhöhung um fünf Prozent bedeute einen Reallohnverlust. Er forderte Bund und Länder auf, genügend Mittel für einen effektiven Öffentlichen Dienst bereitzustellen.
Markus Pindur: Die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi und die dbb-Tarifunion verlangen für die 1,3 Millionen Angestellten des Bundes und der Kommunen acht Prozent mehr Gehalt, mindestens aber 200 Euro. Bund und Kommunen bieten bisher fünf Prozent an, aber in drei Schritten verteilt bei gleichzeitiger Verlängerung der Arbeitszeit. Seit dem 14. Februar beteiligten sich nach Gewerkschaftsangaben insgesamt 70.000 Beschäftigte an Warnstreiks. Wir wollen mit Frank Stöhr sprechen, er ist der erste Vorsitzende der dbb-Tarifunion, das heißt, er ist Verhandlungsführer auf Seiten der Gewerkschaften für die Länder, guten Morgen Herr Stöhr.

Frank Stöhr: Guten Morgen Herr Pindur.

Pindur: Es hat bundesweite Warnstreiks gegeben, fünf Prozent liegen als Angebot auf dem Tisch. Ist es jetzt nicht Zeit, aufeinander zuzugehen?

Stöhr: Wenn es Zeit ist, aufeinander zuzugehen, dann ist es an der Stelle der Arbeitgeber, diesen Schritt zu machen. Wir haben schon in der letzten Runde die Arbeitgeber aufgefordert, ein Angebot vorzulegen, dass die Basis darstellt für konstruktive Verhandlungen. Das hat es bisher nicht gegeben, insofern ist unsere Aufforderung an die Arbeitgeber, dies Montag und Dienstag zu tun.

Pindur: Aber am Montag und Dienstag wird doch dann auch wieder verhandelt und zwar ernsthaft?

Stöhr: Davon gehe ist aus und das hoffe ich. Ich hoffe vor allem, dass die Arbeitgeber erkannt haben, wie groß der Unmut der Kolleginnen und Kollegen in den Dienststellen ist, und dass Sie ein klares Signal diese Woche gegeben haben. Mit diesem sogenannten Fünf-Prozent-Angebot der Arbeitgeber sind wir nicht einverstanden. Dieses Angebot der Arbeitgeber beinhaltet für die Beschäftigten im Jahre 2008 eine Einkommensverbesserung von 2,4 Prozent und im Jahre 2009 von 0,4 Prozent. Das bedeute tatsächlich Reallohnverlust und wenn man das kombiniert mit einer Arbeitszeitverlängerung von 1,5 Stunden, wie es die Arbeitgeber wollen, dann ist auch deutlich und klar, dass das den Unmut unserer Kolleginnen und Kollegen heraufbeschworen hat und dass sie zu Warnstreiks gegangen sind.

Pindur: Reallohnverluste mussten fast alle Arbeitnehmer in den letzten zehn Jahren hinnehmen, mit dem Unterschied, dass die Arbeitnehmer im öffentlichen Dienst ja immerhin einen sicheren Arbeitsplatz haben. Wenn also jetzt die IG-Metall mit etwas über fünf Prozent mehr nach Hause geht, dann müssten Sie doch eigentlich mit einem solchen Ergebnis im Vergleich auch gut leben können?

Stöhr: Wir haben die Situation, dass seit dem Jahre 2004 es keine lineare Erhöhung gegeben hat. Und wenn Sie über Reallohnverluste sprechen, trifft das insbesondere auf die Kolleginnen und Kollegen im öffentlichen Dienst in den Kommunen und beim Bund zu. Hier hat sich ein Reallohnverlust von fünf Prozent ergeben. Und genau darum geht es: Diesen Reallohnverlust nicht im Jahre 2008 und 2009 fortzusetzen. Und wenn Sie von sicheren Arbeitsplätzen sprechen, das ist ein Vorwurf, der immer wieder geleistet wird, aber wir stellen fest, dass im öffentlichen Dienst massiv Stellen abgebaut wurden, in den letzten fünf Jahren über 100.000 Stellen, und das hat zu einer Arbeitsverdichtung geführt und das hat auch teilweise dazu geführt, dass Stellen nicht nur friedlich abgebaut worden sind, sondern dass es auch Entlassungen gegeben hat.

Pindur: Aber Herr Stöhr, betriebsbedingte Entlassungen im öffentlichen Dienst, wo hat es die gegeben?

Stöhr: Also die hat es insbesondere in einigen Krankenhäusern gegeben, die durch den Rückbau an Personal auch dazu gekommen sind, Personal auch abzubauen.

Pindur: Also reden Sie von Personalabbau, oder von betriebsbedingten Kündigungen?

Stöhr: Ich weiß, dass es auch betriebsbedingte Kündigungen in Krankenhäusern gegeben hat.

Pindur: ...auch bei Arbeitnehmern des öffentlichen Dienstes?

Stöhr: Auch bei Arbeitnehmern, die in einem Tarifverhältnis standen.

Pindur: ...also nicht im öffentlichen Dienst sind.

Stöhr: ...die im öffentlichen Dienst in kommunalen - oder Krankenhäusern waren, die einem Tarifvertrag unterliegen, der das öffentliche Tarifrecht abbildet.

Pindur: Ja, das ist ja ein Unterschied dann. Herr Stöhr, jetzt ist noch die Frage, es kommt jetzt gerade mehr Geld in die Kassen, durch die größeren Steuereinnahmen. Tatsache ist aber, dass insbesondere der Bund noch nicht einmal dazu kommt, seine Verschuldung abzubauen, sondern dass inzwischen jeder fünfte Steuergroschen in die Zinszahlungen geht. Ist denn da eine Forderung von acht Prozent und zwar unmittelbar jetzt, wie Sie sie stellen, angemessen?

Stöhr: Also, wir haben die Situation, dass in den Jahren 2006/7/8 die Steuerquellen hochgesprudelt sind und dass also auch die öffentliche Hand mehr Einnahmen zur Verfügung hat, als sie in den vergangenen Jahren davor hatte. Und hier ist auch die Frage, wie diese Mehreinnahmen verteilt werden und hier ist die Frage, welchen öffentlichen Dienst will denn der Staat? Und der Staat hat den öffentlichen Dienst genau formuliert, wie er aussehen soll, in den Kommunen, im Bund und auch bei den Ländern. Und wenn die Politiker sagen, der öffentliche Dienst soll so gestaltet werden, wie er aussieht, mit einem hohen Dienstleistungsangebot in den Krankenhäusern, im Nahverkehr, in der Entsorgung, in der Kommunalverwaltung, dann ist es auch gerecht, dass diese Kolleginnen und Kollegen dann gerecht bezahlt werden. Insofern hat die Aufgabe der Bund und die Kommunen, hier die Mittel bereit zu stellen, die sie für einen leistungsfähigen, öffentlichen Dienst haben wollen.
Pindur: Herr Stöhr, wie geht es jetzt weiter? Wenn es am Montag und Dienstag keine Annäherung gibt? Kommen dann flächendeckende Streiks auf uns zu?

Stöhr: Wir haben Montag und Dienstag die vierte Verhandlungsrunde und eine weitere Verhandlungsrunde für Anfang März geplant. Ich gehe davon aus, oder ich hoffe, dass die Arbeitgeber ein Angebot vorlegen, auf dem wir weiterverhandeln können. Wenn die Arbeitgeber aber auch am Montag und Diensttag kein weiteres Angebot oder verbessertes Angebot vorlegen, dann gehe ich aber davon aus, dass in der Zeit bis zur fünften Verhandlungsrunde, Anfang März die Warnstreiks fortgesetzt werden.