Stimmen aus dem Bundestag

Der Wunsch nach mehr Kulturpolitik in der EU

Hände ragen in die Höhe.
Kultur muss in die EU-Kommission, ist die einstimmige Meinung. © Imago-Images/ Panthermedia
Von Vladimir Balzer  · 28.09.2019
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Wer sich unter den Kulturpolitikern im Bundestag umhört, erfährt, dass sich fast alle von ihnen mehr Einsatz für die Kultur in Brüssel wünschen - mit Ausnahme der AfD. Kommissionspräsidentin von der Leyen sollte ihre Entscheidung gegen ein Kulturressort umdenken.
Wenn man sich in den Fraktionen im Deutschen Bundestag umhört, ist die Botschaft eindeutig: Kultur muss in die EU-Kommission. Und zwar nicht versteckt hinter einem anderen Titel, sondern sichtbar, hörbar, erkennbar. Es braucht eine Kommissarin, die Kultur im Titel trägt. Das sagen fast alle, auch wenn sie das Thema unterschiedlich angehen. Bei der größten Oppositionsfraktion, der AfD, ist die Lage etwas anders. Das rührt schon in ihrer grundsätzlichen Skepsis gegenüber der EU und ihren Institutionen.
Ihr kulturpolitischer Sprecher Marc Jongen sagt: "Die EU ist eine gewaltige Bürokratie, die auch ohne Kulturkommissar funktioniert. Außerdem ist ein Kommissar keine demokratische Insitution. Das sagt schon der Name. Es ist eine zentralistische Stelle. Die Kultur braucht keine Kommissare, die sie zentralistisch steuert und beeinflusst."
Diese Sicht passt zum Bild, das sich Jongen und seine Partei oft genug von staatlicher Kulturpolitik auch auf anderen Ebenen machen: Sie gebe ein bestimmtes Weltbild vor. Das gilt für ihn auch auf europäischer Ebene: "Vor allem müssten ideologische Vorgaben, wie Diversity, Geschlechtergerechtigkeit, all diese politisch korrekten Dinge, die in der Kultur wenig zu suchen haben, zurückgefahren werden", fordert der AfD-Mann.

Kultur als Staatsziel

Mit dieser Position ist seine Fraktion allerdings allein im Bundestag. Auf der anderen Seite des politischen Spektrums sitzt Simone Barrientos, die bei der Linksfraktion für Kulturpolitik zuständig ist. Sie redet weniger von einem Weltbild, das Kulturpolitik angeblich vermittle, sondern will ganz grundsätzlich die Kulturpolitik auf eine höhere Ebene bringen. "Ich will Kultur als Staatsziel ins Grundgesetz, damit es eine Verpflichtung gibt, damit es Mindestsummen gibt", lautet ihre Forderung. "Genau das wünsche ich mir auf europäischer Ebene: Dass es als europäisches Grundsatzziel auf die Agenda kommt. Es bräuchte ein Kommissariat nur für Kultur."
Ein reines Kulturkomissariat will außer der Linkspartei niemand, aber auch Thomas Hacker von der FDP ist davon überzeugt, dass "Kultur" auch in einen der Titel gehört. "Dass die Kulturpolitik in einer europäischen Union, in der man das Gefühl hat, dass die Länder immer weiter auseinandergehen, in der die nationalen Egoismen immer stärker werden, von besonderer Bedeutung ist, das sollte sich niederschlagen", sagt er. "Dass die Kultur in die Untertitel verschoben wird, bedauern wir sehr."
Das sieht auch ein Mann so, der sich in seiner SPD-Fraktion um europapolitsiche Fragen kümmert und bei seinen Kollegen im EU-Parlament schon mal dafür getrommelt hat, dass sie bei den Anhörungen der Kandidatinnen und Kandidaten auf der Kultur für ein EU-Kommissariat bestehen. Axel Schäfer findet, die Kultur sollte genannt werden. "Das ist für mich unabdingbar. Kultur ist für Europa ein zentraler Begriff. Es verbindet uns. Und gerade weil wir Europa wirtschaftlich begründet haben, Kohle, Stahl und Landwirtschaft, war immer das darüber hinausgehende, die Softpower, das war immer die Kultur."

240 Millionen Euro Gesamtetat

Auch Stefan Kaufmann (CDU) ist überzeugt davon und plädiert an seine Parteikollegin, Ursula von der Leyen, dass sie als EU-Kommissionspräsidentin die Entscheidung gegen ein Kulturressort überdenkt. Er sagt es so: "Für den Zusammenhalt in der EU ist die Kultur wichtig. Daran sollten wir auch in der neuen Legislaturperiode anknüpfen."
Aber wohin sollte sich die EU-Kulturpolitik weiter entwickeln? Die europäischen Programme sind auf mehrere Kommissariate verteilt und können auf einen Gesamtetat von etwa 240 Millionen Euro zurückgreifen. Das größte nennt sich "Creative Europe" und unterstützt neben europäischen Filmproduktionen unter anderem die Kulturhauptstädte.
"Ich glaube man müsste sich auf mehrere Säulen stützen", formuliert Erhard Grundl von den Grünen seine Vorstellungen von einer europäischen Kulturpolitik. "Das eine ist die Erinnerungskultur, das andere ist der Umgang mit den Kreativen. Und das meint nicht nur die Kreativwirtschaft, nicht nur den Profit. Und das dritte wäre die integrative Kraft der Kultur. Das könnte man sehr groß machen."
Am Ende wird klar, dass ein politisches Signal von Berlin nach Brüssel – bis auf die AfD – eindeutig ausfällt: Kein Kommissariat ohne Kultur. Mal sehen, was die designierte Kommissarin Mariya Gabriel und ihre Chefin aus dieser Botschaft machen. Eine Botschaft hat Gabriel schon mal ausgegeben: Investieren sollte Europa in Menschen, in Talente.
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