Stilvoll inszenierte Langeweile

Vorgestellt von Anke Leweke · 23.01.2008
Mit "My Blueberry Nights" hat sich der chinesische Kultregisseur Wong Kar-Wai filmisch auf das amerikanische Festland gewagt. Herausgekommen ist ein Road-Movie über die Suche nach Liebe, gedreht in betörenden Bildern, die doch die Langeweile nicht vertreiben können. "Von einem der auszog" schildert den Werdegang Wim Wenders' zum erfolgreichen Regisseur.
"My Blueberry Nights"
USA/Hongkong/China 2007. Regie: Wong Kar Wai. Mit: Norah Jones, Jude Law, David Strathairn, Natalie Portman und Rachel Weisz. Farbe, 111 Minuten.

Mit "In the Mood for Love" und "Happy Together" bewies Wong Kar Wai, dass er zu großem Gefühlskino in der Lage ist, dabei aber seine ganz eigenen Wege geht. Wie kaum ein anderer Regisseur vermag er auf der Leinwand zu dichten, Stimmungen und Empfindungen in Bilder zu verwandeln.

Auch in "My Blueberry Nights", seinem ersten in den Vereinigten Staaten gedrehten Film, geht es um die Unmöglichkeit der Liebe: Die Jazz- und Countrysängerin Norah Jones spielt eine junge Frau, die gerade von ihrem Freund verlassen wurde. Um den Schmerz zu überwinden, tritt sie eine Reise durch die USA an. Sie trifft auf andere Unglückliche und Sehnende, auf einsame Menschen, die zum Spiegelbild ihrer eigenen Gefühle werden.

Wie würde Wong Kar Wais Stimmungskino in der neuen Umgebung aussehen und wirken? In einer Landschaft, die vorwiegend Kulisse für klassische Erzählungen, für lineare Geschichten ist? Doch statt den bis zum Exzess abgefilmten amerikanischen Städten und Landschaften neue Ansichten abzutrotzen, zitiert sich der Hongkong-Chinese selbst.

Wenn sich Norah Jones mit dem einsamen Restaurantbesitzer Jeremy (Jude Law) nach Arbeitsschluss den übrig gebliebenen Kuchen teilt, dann glänzen die stilisierten Blaubeeren um die Wette. Wieder sieht man Männer mit melancholischem Blick, deren letzter Halt die Zigarette ist. Wieder zelebriert die Kamera Frauen in engen Kleidern, die ihre Hüften in Zeitlupe schwingen. Wieder werden Augenblicke durch sekundenkurze Zeitlupen poetisiert.

Und doch bleibt dieses künstliche Kino-Amerika eine seltsam altmodische Vision. "My Blueberry Nights" ist eine sentimentale Gefühlsreise, der jede innere Spannung fehlt.

"Von einem der auszog - Wim Wenders frühe Jahre"
Deutschland 2006. Dokumentarfilm von Marcel Wehn. Farbe, 96 Minuten

Marcel Wehns Abschlussarbeit an der Ludwigsburger Filmakademie ist kein Film über den Regisseur Wim Wenders. Vielmehr ist er an dem Menschen hinter den Bildern interessiert. Immer wieder werden frühe Super-Acht-Streifen gezeigt, die Wenders als Kind und Jugendlicher drehte. Dabei erinnert er sich an seine Familie, an die Mutter, die alles machte, was der Vater sagte, die nie eine eigene Meinung hatte. Er erinnert sich auch an das Schweigen beim Mittag- und Abendessen. Seine erste Freundin kommt zu Wort, gemeinsam hat sie mit Wim den Existenzialisten Albert Camus gelesen und schätzen gelernt.

In einem Raum hat Marcel Wehn Stills von Wenders' Filmen und andere Fotografien gehängt. Anhand dieser Bilder rekonstruiert Wim Wenders die eigene Biographie wie auch seine filmische Karriere. Wegbegleiter wie der Kameramann Robby Müller, der Schriftsteller Peter Handke und seine verschiedenen Frauen sprechen sehr offen über ihre Beziehung und Freundschaft zu Wim Wenders. Man lernt einen Menschen kennen, den letztlich im Leben wie in der Kunst dieselbe Frage interessiert: Wie soll man leben?
Wim Wenders
Wim Wenders© AP Archiv