Stilbildend über den Tod hinaus
Brahms, Mendelssohn, Schumann – die Namen von Komponisten aus dem 19. Jahrhundert sind auch dem heutigen Konzertpublikum ein Begriff. Die damaligen Interpreten ihrer Werke sind aber fast vergessen. Dabei entstanden viele Werke für charismatische Musiker der Zeit, wie etwa für den Violinisten Joseph Joachim. Dessen musikalische und pädagogische Tätigkeit hat das Repertoire klassischer Musik bis in unsere Zeit geprägt.
„Nicht Joachim hat gestern Beethoven und Bach gespielt, Beethoven hat sich selbst gespielt. Auf den Knien hätte man zuhören mögen.“
Der Dirigent Hans von Bülow 1856 über Joseph Joachim. Schon früh war der 1831 geborene Geiger als Wunderkind aus Ungarn in die Musikstädte Wien und Leipzig gekommen. Seit er dort durch Felix Mendelssohn unterrichtet worden war, lag für viele etwas Objektives in seinem Spiel. Dass ein Musiker den Eindruck erweckte, seine Interpretationen besäßen fortdauernde Gültigkeit, war im Konzertleben vor Erfindung der Schallplatte alles andere als unbedeutend, noch dazu auf einem Instrument, das damals keineswegs den Nimbus idealer Klassizität im Sinne Beethovens, sondern durch Paganini den Ruch des Dämonischen hatte.
„Ein nachahmenswerthes Beispiel für alle Jene, die vom Dämon kleinlicher Eitelkeit besessen immer nur ihr langweiliges Ich zur Schau stellen wollen. Joachim macht Musik, seine eminente Leistungsfähigkeit befindet sich allein im Dienste der echten, wahren Kunst, und so ist es recht.“
Askese besiegt Virtuosität, der Instrumentalist wird Verkünder der Komposition und ihres Gedankens – das zieht sich wie ein Credo durch Joseph Joachims Leben. Und so wundert man sich kaum über den großen Kreis von Komponisten, die ihm ihre Freundschaft und ihre Werke antrugen: Felix Mendelssohn, Robert Schumann, Edvard Grieg, Franz Liszt, Max Bruch und vor allem: Johannes Brahms. Dass Joachim so konsequent instrumentale Effekte verweigerte, vertrug sich gut mit der herben Tonsprache des Hamburgers. Für den feinen Ton der Geige zu komponieren, konnte sich Brahms – sonst eher für seine ausladenden Klaviersätze berühmt – nur mit Joachims Spiel im Ohr vorstellen. Als er endlich auf Drängen Joachims ein Violinkonzert schrieb, holte sich der Komponist von seinem Lieblingsinterpreten Ratschläge.
„Ich bin zufrieden, wenn du einige Worte hineinschreibst: schwer, unbequem, unmöglich usw. Vom letzten Satz schreib ich dir den Anfang – damit mir gleich die ungeschickten Figuren verboten werden.“
Als Brahms den Mut besaß, Joachims Ehefrau Amalie vor der Eifersucht ihres Mannes zu verteidigen, trennte sich Joachim nicht nur von der bekannten Sängerin, sondern kündigte auch dem Komponisten die Freundschaft auf. Das künstlerische Verständnis zwischen Joachim und Brahms dagegen hielt ein Leben lang: Noch 1903, als der alte Geigenprofessor zur Aufnahme vor den neu erfundenen Phonographen gebeten wurde, spielte er als Erstes Brahms‘ Ungarische Tänze, die er für sein eigenes Instrument arrangiert hatte.
Als Gründungsdirektor der Berliner Musikhochschule bekannte sich Joachim selten zum Neuen, dafür umso mehr zur Tradition: Kammermusik wurde gefördert, Wagners exzentrische Chromatik dagegen aus den Hochschulmauern verbannt. Mit nur einer Handvoll Stücken von Bach bis Brahms wirkte sein Joachim-Streichquartett lange über seinen Tod am 15. August 1907 hinaus stilbildend. Joachims Konservatismus blieb zeitlebens auch Protest gegen das musikalische Virtuosentum. Als der später legendäre Geiger Fritz Kreisler in Joachims Unterricht einmal ziemlich gekonnt Violinschüler am Klavier begleitete, war Joachims Lob an Kühle nicht zu überbieten:
„Sie sind wirklich ein fixer Pianist.“
Mit seinem unbedingten Willen, den Gehalt von Werken der Vergangenheit auszuleuchten, begründete Joachim die heutige Auffassung von der Interpretation klassischer Musik. Nur vorläufig gingen moderne, brillante Violinisten wie Kreisler und Sarasate über das abgeklärte Spiel Joseph Joachims hinweg, ebenso wie Joachim selbst einmal den Teufelsgeiger Paganini abgelöst hatte.
Der Dirigent Hans von Bülow 1856 über Joseph Joachim. Schon früh war der 1831 geborene Geiger als Wunderkind aus Ungarn in die Musikstädte Wien und Leipzig gekommen. Seit er dort durch Felix Mendelssohn unterrichtet worden war, lag für viele etwas Objektives in seinem Spiel. Dass ein Musiker den Eindruck erweckte, seine Interpretationen besäßen fortdauernde Gültigkeit, war im Konzertleben vor Erfindung der Schallplatte alles andere als unbedeutend, noch dazu auf einem Instrument, das damals keineswegs den Nimbus idealer Klassizität im Sinne Beethovens, sondern durch Paganini den Ruch des Dämonischen hatte.
„Ein nachahmenswerthes Beispiel für alle Jene, die vom Dämon kleinlicher Eitelkeit besessen immer nur ihr langweiliges Ich zur Schau stellen wollen. Joachim macht Musik, seine eminente Leistungsfähigkeit befindet sich allein im Dienste der echten, wahren Kunst, und so ist es recht.“
Askese besiegt Virtuosität, der Instrumentalist wird Verkünder der Komposition und ihres Gedankens – das zieht sich wie ein Credo durch Joseph Joachims Leben. Und so wundert man sich kaum über den großen Kreis von Komponisten, die ihm ihre Freundschaft und ihre Werke antrugen: Felix Mendelssohn, Robert Schumann, Edvard Grieg, Franz Liszt, Max Bruch und vor allem: Johannes Brahms. Dass Joachim so konsequent instrumentale Effekte verweigerte, vertrug sich gut mit der herben Tonsprache des Hamburgers. Für den feinen Ton der Geige zu komponieren, konnte sich Brahms – sonst eher für seine ausladenden Klaviersätze berühmt – nur mit Joachims Spiel im Ohr vorstellen. Als er endlich auf Drängen Joachims ein Violinkonzert schrieb, holte sich der Komponist von seinem Lieblingsinterpreten Ratschläge.
„Ich bin zufrieden, wenn du einige Worte hineinschreibst: schwer, unbequem, unmöglich usw. Vom letzten Satz schreib ich dir den Anfang – damit mir gleich die ungeschickten Figuren verboten werden.“
Als Brahms den Mut besaß, Joachims Ehefrau Amalie vor der Eifersucht ihres Mannes zu verteidigen, trennte sich Joachim nicht nur von der bekannten Sängerin, sondern kündigte auch dem Komponisten die Freundschaft auf. Das künstlerische Verständnis zwischen Joachim und Brahms dagegen hielt ein Leben lang: Noch 1903, als der alte Geigenprofessor zur Aufnahme vor den neu erfundenen Phonographen gebeten wurde, spielte er als Erstes Brahms‘ Ungarische Tänze, die er für sein eigenes Instrument arrangiert hatte.
Als Gründungsdirektor der Berliner Musikhochschule bekannte sich Joachim selten zum Neuen, dafür umso mehr zur Tradition: Kammermusik wurde gefördert, Wagners exzentrische Chromatik dagegen aus den Hochschulmauern verbannt. Mit nur einer Handvoll Stücken von Bach bis Brahms wirkte sein Joachim-Streichquartett lange über seinen Tod am 15. August 1907 hinaus stilbildend. Joachims Konservatismus blieb zeitlebens auch Protest gegen das musikalische Virtuosentum. Als der später legendäre Geiger Fritz Kreisler in Joachims Unterricht einmal ziemlich gekonnt Violinschüler am Klavier begleitete, war Joachims Lob an Kühle nicht zu überbieten:
„Sie sind wirklich ein fixer Pianist.“
Mit seinem unbedingten Willen, den Gehalt von Werken der Vergangenheit auszuleuchten, begründete Joachim die heutige Auffassung von der Interpretation klassischer Musik. Nur vorläufig gingen moderne, brillante Violinisten wie Kreisler und Sarasate über das abgeklärte Spiel Joseph Joachims hinweg, ebenso wie Joachim selbst einmal den Teufelsgeiger Paganini abgelöst hatte.