Steuergewerkschaft: Großbritannien politisch auf Linie bringen
Bislang halte vor allem Großbritannien einen Schutzmantel über Steueroasen in seinen Überseegebieten, kritisiert der Vorsitzende der Deutschen Steuergewerkschaft, Thomas Eigenthaler. Es müsse aber zumindest in der EU einheitliche Standards geben.
Nana Brink: Uli Hoeneß, der Präsident von Bayern München, hat einen Stein ins Rollen gebracht, und ganz unabhängig von seinem persönlichen Fall mit seiner Selbstanzeige wird wieder die Frage diskutiert: Bringt das wirklich etwas, also im Zweifel mehr Geld in die Kassen des Staates, und soll die Anzeige wirklich straffrei bleiben? Da gehen die Meinungen ja wirklich weit auseinander, auch in der Union werden Stimmen laut, die plötzlich eine Verschärfung der Regeln fordern. Viel wichtiger erscheint aber vielen, dass man sich endlich europaweit auf Regeln zum Informationsaustausch aus Kapitaleinkünften einigt, und das wird auf dem morgigen EU-Gipfel ein großes Thema sein. Thomas Eigenthaler ist Vorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft, hat viele Jahre das Finanzamt in Stuttgart geleitet. Schönen guten Morgen, Herr Eigenthaler!
Thomas Eigenthaler: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Sie haben ja nun lange an der Basis gearbeitet in Stuttgart. Welche Erfahrung haben Sie mit Selbstanzeigen gemacht?
Eigenthaler: Nun, es gibt zwei Arten von Selbstanzeigen: Sagen wir mal, die normale, die immer dann passiert, wenn jemand was vergessen hat, was falsch gemacht hat, und dann die zweite Gruppe, die wir in den letzten Jahren beobachten, wenn eben Schwarzgeld etwa in der Schweiz gebunkert wurde, das wurde immer häufiger.
Brink: Machen also dann diese Selbstanzeigen Sinn für Sie?
Eigenthaler: Ich würde mal sagen, im normalen Bereich. wenn man was vergessen hat, sollte man sich sehr gut überlegen, ob man da die Selbstanzeige abschafft. Ich glaube nicht, dass das das richtige Signal wäre. Wir sollten aber überlegen, ob wir bei großen Schwarzgeldhinterziehern wie etwa im Fall Hoeneß, wo es offenbar um Millionen geht, ob wir da die Selbstanzeige nicht in die Mülltonne werfen sollten.
Brink: Wo ist denn da die Trennlinie bei Ihnen, was sind kleine Fische und was sind große Fische?
Eigenthaler: Nun, wir dürfen nicht vergessen, dass der normale Steuerzahler jedes Jahr mit dem Finanzamt zu tun hat und das Steuerrecht immer komplizierter und immer komplexer wird. Da sollten wir schon die Möglichkeit schaffen, wieder mit der Ehrlichkeit ins Reine zu kommen. Wer aber gezielt über Jahre, ja, vielleicht über Jahrzehnte Millionen am Finanzamt vorbeischleust, der sollte keine Milde verdienen.
Brink: Nun gibt es auch Gegenargumente dafür, zum Beispiel der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs will die strafbefreiende Selbstanzeige nicht abschaffen mit dem Argument, der Staat darf auf Einnahmen nicht verzichten, also her mit der Kohle von Steuersündern?
Eigenthaler: Nun, Geld ist nicht alles. Natürlich braucht der Staat Geld, aber dass man Höchstkriminalität, etwa wenn es um die Hinterziehung von Millionen Euro geht, einfach wegwischt, als ob es sich hier um eine bloße Sünde handelt, ich glaube, da liegt der Staat falsch, das ist ein falsches rechtspolitisches Signal.
Brink: Haben Sie das auch im Finanzamt in Stuttgart so erlebt?
Eigenthaler: Nun, die Sache mit den Selbstanzeigen wegen Schwarzgeld in der Schweiz, die fingen ja an, als der frühere Postchef Zumwinkel hier spektakulär verhaftet wurde. Seither gibt es immer Wellen, immer wenn eine neue CDU angekauft wurde, kamen wieder Tausende von Selbstanzeigen an, bis in die jüngste Zeit.
Brink: Aber das ist ja eigentlich was Positives. Es gibt da ja zum Beispiel den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans von der SPD, der sagt, durch den Kauf von Datenträgern hat sich etwas verändert.
Eigenthaler: Nun, ich begrüße den Kauf von Datenträgern uneingeschränkt. Wer sich ins Unrecht gesetzt hat, ist der Steuerhinterzieher, und solang wir keinen Datenaustausch haben, wenn etwa Staaten wie die Schweiz sich an der Mitwirkung, an der europäischen Mitwirkung verweigern, bleibt dem Staat gar keine andere Möglichkeit mehr, als diese Daten zu erwerben – ich stehe da voll dahinter.
Brink: Also positives Ja zum Ankauf von Steuer-CDs – was ist mit der Straffreiheit?
Eigenthaler: Nun die Straffreiheit gehört ja zur Selbstanzeige, das ist die eine Seite der Medaille, man muss alles auf Heller und Pfennig nachbezahlen, plus sechs Prozent Zinsen pro Jahr, und der Lohn ist dann die Straffreiheit. Wie gesagt, das ist vertretbar, wenn es sich um normale Fälle handelt, um kleinere Fälle, nicht aber in Großfällen. Hier sollte der Gesetzgeber nachjustieren.
Brink: Sie haben das Stichwort selbst genannt, das muss eigentlich einen EU-weiten Informationsaustausch geben, das wird auch Thema beim EU-Gipfel morgen sein. Aber ist das wirklich aussichtsreich? Was ist Ihre Einschätzung?
Eigenthaler: Nun, wir haben derzeit einen Flickenteppich in Europa. Einige Staaten beteiligen sich am Informationsaustausch, dann gibt es Staaten, die weiter anonym sind, die aber eine Quellensteuer erheben, wie etwa die Schweiz, und dann gibt es Staaten, die sich überhaupt nicht beteiligen.
Brink: Also Liechtenstein zum Beispiel oder Monaco.
Eigenthaler: Liechtenstein, oder aber alles was in Übersee ist. Und da muss dringend nachgearbeitet werden, dass wir mindestens in der EU – auch bitte mit britischer Beteiligung – zu einheitlichen Standards kommen. Bislang hält Großbritannien einen deutlichen Schutzmantel über seine Überseeinseln, wo viel an Steuerhinterziehung stattfindet. Also insbesondere Großbritannien muss in der EU wieder auf Linie gebracht werden.
Brink: Das ist ein schöner Traum – immerhin hat Premier Cameron ja schon mal eine deutliche Warnung in diese Richtung gegeben, dabei hat er es aber dann auch belassen. Warum geht man eigentlich nicht den amerikanischen Weg? Das US-Gesetz über Steuerehrlichkeit für Auslandskonten ist ja seit 2010 in Kraft und zwingt ausländische Finanzinstitute, Konten von US-Bürgern an die US-Steuerbehörde zu liefern.
Eigenthaler: Ich habe Bundesfinanzminister Schäuble immer wieder empfohlen, sich Amerika zum Vorbild zu nehmen. Er hat sich ja da in den Verhandlungen etwa mit der Schweiz nahezu einlullen lassen. Aber wir dürfen eines auch nicht vergessen: Wir brauchen in Europa Einstimmigkeit in diese Fragen, und da hat es bislang gefehlt, es haben sich verweigert Luxemburg, Österreich und vor allem auch Großbritannien.
Brink: Wie kann man die unter Druck setzen, letzte Frage?
Eigenthaler: Nun, da bleiben nur wirtschaftliche Maßnahmen, man muss gucken, dass man mit diesen Staaten jetzt nicht extreme Freundschaften schließt, sondern man muss sie zwingen, einfach auf diesem Weg der Ehrlichkeit und der Abschaffung des Bankgeheimnisses zu gehen.
Brink: Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft. Schönen Dank, Herr Eigenthaler, für das Gespräch!
Eigenthaler: Gerne, Wiederhören!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
Thomas Eigenthaler: Guten Morgen, Frau Brink!
Brink: Sie haben ja nun lange an der Basis gearbeitet in Stuttgart. Welche Erfahrung haben Sie mit Selbstanzeigen gemacht?
Eigenthaler: Nun, es gibt zwei Arten von Selbstanzeigen: Sagen wir mal, die normale, die immer dann passiert, wenn jemand was vergessen hat, was falsch gemacht hat, und dann die zweite Gruppe, die wir in den letzten Jahren beobachten, wenn eben Schwarzgeld etwa in der Schweiz gebunkert wurde, das wurde immer häufiger.
Brink: Machen also dann diese Selbstanzeigen Sinn für Sie?
Eigenthaler: Ich würde mal sagen, im normalen Bereich. wenn man was vergessen hat, sollte man sich sehr gut überlegen, ob man da die Selbstanzeige abschafft. Ich glaube nicht, dass das das richtige Signal wäre. Wir sollten aber überlegen, ob wir bei großen Schwarzgeldhinterziehern wie etwa im Fall Hoeneß, wo es offenbar um Millionen geht, ob wir da die Selbstanzeige nicht in die Mülltonne werfen sollten.
Brink: Wo ist denn da die Trennlinie bei Ihnen, was sind kleine Fische und was sind große Fische?
Eigenthaler: Nun, wir dürfen nicht vergessen, dass der normale Steuerzahler jedes Jahr mit dem Finanzamt zu tun hat und das Steuerrecht immer komplizierter und immer komplexer wird. Da sollten wir schon die Möglichkeit schaffen, wieder mit der Ehrlichkeit ins Reine zu kommen. Wer aber gezielt über Jahre, ja, vielleicht über Jahrzehnte Millionen am Finanzamt vorbeischleust, der sollte keine Milde verdienen.
Brink: Nun gibt es auch Gegenargumente dafür, zum Beispiel der CDU-Wirtschaftsexperte Michael Fuchs will die strafbefreiende Selbstanzeige nicht abschaffen mit dem Argument, der Staat darf auf Einnahmen nicht verzichten, also her mit der Kohle von Steuersündern?
Eigenthaler: Nun, Geld ist nicht alles. Natürlich braucht der Staat Geld, aber dass man Höchstkriminalität, etwa wenn es um die Hinterziehung von Millionen Euro geht, einfach wegwischt, als ob es sich hier um eine bloße Sünde handelt, ich glaube, da liegt der Staat falsch, das ist ein falsches rechtspolitisches Signal.
Brink: Haben Sie das auch im Finanzamt in Stuttgart so erlebt?
Eigenthaler: Nun, die Sache mit den Selbstanzeigen wegen Schwarzgeld in der Schweiz, die fingen ja an, als der frühere Postchef Zumwinkel hier spektakulär verhaftet wurde. Seither gibt es immer Wellen, immer wenn eine neue CDU angekauft wurde, kamen wieder Tausende von Selbstanzeigen an, bis in die jüngste Zeit.
Brink: Aber das ist ja eigentlich was Positives. Es gibt da ja zum Beispiel den nordrhein-westfälischen Finanzminister Norbert Walter-Borjans von der SPD, der sagt, durch den Kauf von Datenträgern hat sich etwas verändert.
Eigenthaler: Nun, ich begrüße den Kauf von Datenträgern uneingeschränkt. Wer sich ins Unrecht gesetzt hat, ist der Steuerhinterzieher, und solang wir keinen Datenaustausch haben, wenn etwa Staaten wie die Schweiz sich an der Mitwirkung, an der europäischen Mitwirkung verweigern, bleibt dem Staat gar keine andere Möglichkeit mehr, als diese Daten zu erwerben – ich stehe da voll dahinter.
Brink: Also positives Ja zum Ankauf von Steuer-CDs – was ist mit der Straffreiheit?
Eigenthaler: Nun die Straffreiheit gehört ja zur Selbstanzeige, das ist die eine Seite der Medaille, man muss alles auf Heller und Pfennig nachbezahlen, plus sechs Prozent Zinsen pro Jahr, und der Lohn ist dann die Straffreiheit. Wie gesagt, das ist vertretbar, wenn es sich um normale Fälle handelt, um kleinere Fälle, nicht aber in Großfällen. Hier sollte der Gesetzgeber nachjustieren.
Brink: Sie haben das Stichwort selbst genannt, das muss eigentlich einen EU-weiten Informationsaustausch geben, das wird auch Thema beim EU-Gipfel morgen sein. Aber ist das wirklich aussichtsreich? Was ist Ihre Einschätzung?
Eigenthaler: Nun, wir haben derzeit einen Flickenteppich in Europa. Einige Staaten beteiligen sich am Informationsaustausch, dann gibt es Staaten, die weiter anonym sind, die aber eine Quellensteuer erheben, wie etwa die Schweiz, und dann gibt es Staaten, die sich überhaupt nicht beteiligen.
Brink: Also Liechtenstein zum Beispiel oder Monaco.
Eigenthaler: Liechtenstein, oder aber alles was in Übersee ist. Und da muss dringend nachgearbeitet werden, dass wir mindestens in der EU – auch bitte mit britischer Beteiligung – zu einheitlichen Standards kommen. Bislang hält Großbritannien einen deutlichen Schutzmantel über seine Überseeinseln, wo viel an Steuerhinterziehung stattfindet. Also insbesondere Großbritannien muss in der EU wieder auf Linie gebracht werden.
Brink: Das ist ein schöner Traum – immerhin hat Premier Cameron ja schon mal eine deutliche Warnung in diese Richtung gegeben, dabei hat er es aber dann auch belassen. Warum geht man eigentlich nicht den amerikanischen Weg? Das US-Gesetz über Steuerehrlichkeit für Auslandskonten ist ja seit 2010 in Kraft und zwingt ausländische Finanzinstitute, Konten von US-Bürgern an die US-Steuerbehörde zu liefern.
Eigenthaler: Ich habe Bundesfinanzminister Schäuble immer wieder empfohlen, sich Amerika zum Vorbild zu nehmen. Er hat sich ja da in den Verhandlungen etwa mit der Schweiz nahezu einlullen lassen. Aber wir dürfen eines auch nicht vergessen: Wir brauchen in Europa Einstimmigkeit in diese Fragen, und da hat es bislang gefehlt, es haben sich verweigert Luxemburg, Österreich und vor allem auch Großbritannien.
Brink: Wie kann man die unter Druck setzen, letzte Frage?
Eigenthaler: Nun, da bleiben nur wirtschaftliche Maßnahmen, man muss gucken, dass man mit diesen Staaten jetzt nicht extreme Freundschaften schließt, sondern man muss sie zwingen, einfach auf diesem Weg der Ehrlichkeit und der Abschaffung des Bankgeheimnisses zu gehen.
Brink: Thomas Eigenthaler, Vorsitzender der deutschen Steuergewerkschaft. Schönen Dank, Herr Eigenthaler, für das Gespräch!
Eigenthaler: Gerne, Wiederhören!
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