Steueraffäre um Schmitz

"Wowereit einen Strick zu drehen, ist albern"

Der frühere Regierende Bürgermeister, Walter Momper (SPD) steht neben seiner Büste am 10.12.2013 im Rahmen der feierlichen Enthüllung im Abgeordnetenhaus in Berlin.
Der frühere Regierende Bürgermeister, Walter Momper (SPD) © picture alliance / dpa / Rainer Jensen
Walter Momper im Gespräch mit Julius Stucke · 07.02.2014
Wegen des Steuerbetrugs von Ex-Kulturstaatssekretär André Schmitz gerät auch Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit zunehmend unter Druck. Zu lange habe er Schmitz gedeckt, heißt es. Rückendeckung bekommt Wowereit nun von seinem Vorgänger Walter Momper.
Julius Stucke: Es könnte eigentlich so schön sein, gerade für die Sozialdemokraten: Bundesregierung, große Koalition, sie sind beteiligt an der Macht, und dann bringen Prominente wie Alice Schwarzer und andere auch noch ein Lieblingsthema der SPD wieder ganz groß raus: Steuerbetrug und Steuergerechtigkeit. Nur blöderweise für die SPD sind es eben Schwarzer und andere – konkret: SPD-Mann André Schmitz, mittlerweile wegen Steuerbetrugs zurückgetretener Berliner Kulturstaatssekretär. Der regierende Bürgermeister Klaus Wowereit, der wusste schon 2012 Bescheid und offenbar auch andere Berliner Politiker, sie behielten das aber für sich. Äußern will sich Wowereit erst Montag nach seinem Urlaub, den er nicht vorzeitig beenden will. Die Opposition macht Druck, und auch die eigene Partei ist nicht begeistert. Wie sieht es einer seiner Vorgänger? Walter Momper, SPD, früher regierender Bürgermeister von Berlin. Ich grüße Sie Herr Momper.
Walter Momper: Ja, guten Tag, Herr Stucke.
Stucke: Herr Momper, muss Klaus Wowereit jetzt gehen?
Momper: Nein, überhaupt nicht, also das sehe ich nicht so.
Stucke: Mit welcher Begründung kann er denn bleiben?
Momper: Na ja, man muss das mal sehen, wie das mit Schmitz gelaufen ist. Der Schmitz hat ja keine Selbstanzeige oder sonst etwas gemacht, sondern der hat ein ordentliches Verfahren gehabt. In dem Verfahren hat die Staatsanwaltschaft mangels öffentlichen Interesses und wegen der offenbar geringen Schwere der Schuld das Verfahren eingestellt gegen Zahlung einer Buße. Und deshalb gilt ja Schmitz als nicht vorbestraft in irgendeiner Art und Weise. Und der Wowereit: Das entscheidende Kriterium für einen Staatssekretär ist, dass er das Vertrauen des Ministers genießt, also in dem Falle Wowereit in seiner Eigenschaft als Kultursenator, und dieses Vertrauen hat er offenbar, und in der Abwägung, auch gerade eine so herausragende und hoch qualifizierte Persönlichkeit wie Schmitz dort zu haben oder sie gehen lassen, hat er entschieden: Er bleibt.
Stucke: Aber Sie sagen, das ist wegen geringfügigem öffentlichen Interesse nicht weiter behandelt worden.
Momper: Ja.
Stucke: Es geht um mehrere 100.000 Euro, und wenn das ein Klaus Wowereit weiß, der gleichzeitig hart gegen andere Steuerbetrüger und Steuersünder wettert, wie kann er denn dann seinem eigenen Kollegen so vertrauen?
"Es bleibt immer noch Steuerhinterziehung"
Momper: Na ja, es ist hier eben anders. Das Verfahren ist anders gelaufen, das Verfahren war auch anders, und die Höhe der Beträge … Ich meine, es bleibt immer noch Steuerhinterziehung, das ist gar keine Frage. Aber man muss ja auch irgendwann mal sagen: Irgendwann ist es auch vorbei. Wir glauben an die Resozialisierung der Menschen, warum soll das nicht auch in dem Falle so sein? Er hat seine Strafe bezahlt, also dieses Bußgeld, diese Buße, aber wie gesagt, die Staatsanwaltschaft hat eingestellt wegen fehlenden öffentlichen Interesses und wegen der geringen Schwere der Schuld. Das ist doch der entscheidende Punkt.
Stucke: Aber warum ist es denn, Herr Momper, warum ist es denn etwas anderes hier? Es ist doch derselbe Fall: Steuerhinterziehung, Steuerbetrug.
Momper: Ja, aber er ist bestraft worden, die Sache ist beendet – was ist denn dann? Ich meine, wie gesagt, der entscheidende Punkt beim Staatssekretär, der ein abhängiger Beamter ist, ein politischer Beamter in dem Falle, ist, dass der Wowereit ihm weiterhin vertraut hat und ihm deshalb im Amte belassen hat. Andere haben es ja im Übrigen auch gewusst. Ich meine, im Übrigen ist ja auch noch die Frage, ob denn der Wowereit es überhaupt hätte öffentlich machen dürfen. Man muss ja auch mal fragen, warum in diesem Land das Steuergeheimnis nun überhaupt nichts mehr wert ist.
Stucke: Wobei es ja auch möglich gewesen wäre – er hätte es ja nicht in die Öffentlichkeit bringen müssen, er hätte es ja aber wenigstens partei- oder koalitionsintern thematisieren können.
Momper: Ja, bleibt weiterhin eine Straftat, Steuergeheimnis zu offenbaren.
Stucke: Wobei es da auch Stimmen gibt, die sagen: Das ist gar nicht so klar, dass das nicht auch innerhalb der Koalition trotzdem thematisiert werden könnte.
Momper: Ja, das kann wohl sein, das weiß ich nicht, im Moment sind ja nun alle so scharf, nachdem diese Vorgänge da passiert sind, aber man muss doch mal auf die objektive Rechtssituation sehen, und da darf man das Steuergeheimnis nicht verletzen, jedenfalls keine Amtsperson, und in dem Falle hat der Wowereit es auch nicht getan. Will man ihm denn nun heute einen Vorwurf daraus machen? Ich meine, man kann die moralische Frage – da haben Sie schon recht –, … Die moralische Frage wird weiterhin eine Frage sein. Aber was das Verhältnis zwischen dem Senator und seinem Staatssekretär anbelangt, so sehe ich da …
Stucke: Wie sieht es denn – die moralische Frage –, wie sieht es denn mit der Glaubwürdigkeitsfrage aus, wenn eine Partei wie die SPD, die mit dem Thema Steuergerechtigkeit, mit null Toleranz gegenüber Steuersündern immer wieder in Wahlkämpfe zieht und dann in den eigenen Reihen Steuersünder eben deckt?
Momper: Na ja, dafür … Nein, den deckt doch keiner. Das ist doch nun genau wie mit dem Steuerbetrüger immer zu reden, ist Steuerhinterziehung, genau gesagt, aber hier deckt auch niemand niemanden, sondern es ist so, dass, nachdem das öffentlich geworden ist, der Schmitz sofort zurückgetreten ist. Welche Strafe …
Stucke: Aber dazu musste ihn Jan Stöß, der Landesvorsitzende, auch, sagen wir mal, bringen.
Momper: Na, der hat ihn beraten, ja, klar.
Stucke: Der hat ihm das nahegelegt.
"Man muss von einer Resozialisierung ausgehen"
Momper: Ja, gut, mag ja sein, das weiß ich nicht, war nicht dabei. Aber man muss von einer Resozialisierung ausgehen, und das bedeutet auch, dass irgendwann Schluss ist. Aber jedenfalls nun dem Wowereit einen Strick daraus zu drehen, das halte ich nun für ziemlich albern.
Stucke: Halten Sie es denn für in Ordnung, dass er sagt, ich bleibe jetzt auch so lange, wie mein Urlaub geht, im Urlaub und komme erst Montag zurück?
Momper: Ja, natürlich. Man kann doch nicht bei jedem Pfiff der Opposition immer gleich springen.
Stucke: Aber es pfeifen ja auch die aus der eigenen Partei, Heinz Buschkowsky zum Beispiel.
Momper: Ja, Heinz Buschkowsky ausgerechnet, ja, und der Juso-Vorsitzende noch, den haben Sie jetzt vergessen. Also wenn man sich nach denen immer richtet, dann würde man ja nun dauernd hin und her springen. Nein, ich habe da volles Verständnis für, Urlaub muss sein, auch selbst für einen regierenden Bürgermeister, und nur, weil die Opposition pfeift, braucht man noch lange nicht zu springen.
Stucke: Und denken Sie, Klaus Wowereit kann dem Druck aus Opposition, aus Teilen der eigenen Partei, wie Sie sagen, standhalten?
Momper: Na ja, mit den Teilen der eigenen Partei ist es man auch so eine Sache, ich sagte das ja schon. Heinz Buschkowsky und der Juso-Vorsitzende, das ist die richtige Mischung, die gute Ratschläge in der Öffentlichkeit gibt. Also das lasse ich nicht so ganz gelten.
Stucke: Aber auch Sigmar Gabriel, der Parteivorsitzende auf Bundesebene, der dürfte sich darüber ja auch nicht freuen.
Momper: Nein, ich freue mich auch nicht darüber, dass der Schmitz zurückgetreten ist, weil eine, wirklich, eine so integre, im Übrigen integre Persönlichkeit, aber eine Persönlichkeit, die in der Kulturpolitik ja nun wirklich große Verdienste hat. Wenn die geht oder wenn die gehen muss, das ist immer bitter. Da bin ich ja auch betroffen von.
Stucke: Klaus Wowereit und die Berliner SPD zwischen Anspruch und steuerlicher Wirklichkeit, dazu der frühere regierende Bürgermeister Walter Momper. Ich danke Ihnen fürs Gespräch, Herr Momper!
Momper: Ja, bitte schön! Danke!
Stucke: Schönen Tag noch!
Momper: Ja, gleichfalls. Tschüss!
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