Sterben für den Staat
Schon bei Terrorverdacht sollte in Deutschland geschossen werden dürfen, meint der Kölner Staatsrechtler Otto Depenheuer. Seine Thesen wurden in der Vortragsreihe "Der Rechtsstaat unter Bewährungsdruck" im Wissenschaftszentrum Berlin kontrovers diskutiert. Depenheuer ist Autor des Buches "Selbstbehauptung des Rechtsstaates".
Die Bedrohung durch den Terrorismus ist enorm, um gegen sie anzugehen, fast jedes Mittel recht. So könnte man stark verkürzt die These des Buches "Selbstbehauptung des Rechtsstaats" wiedergeben, das Professor Depenheuer unlängst veröffentlichte und das zumindest in Juristenkreisen bekannt wurde, nachdem Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble es als Lektüre empfohlen hatte. Da war viel vom Ausnahmezustand die Rede, ganz im Sinne von Carl Schmitt, "souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet". Und das Denken in Kategorien von Bürgern, für die der Rechtsstaat weiter gelten sollte, und von Feinden, gegen die man härter vorgehen kann.
Depenheuer: "Der Feind lehnt die politische rechtliche Ordnung prinzipiell ab, will sie zerstören, wegen seiner politischen religiösen oder sonstigen Vorstellungen auch immer. Und deswegen kündigt ein terroristischer Feind seine Taten auch selbstbewusst an. Sie kennen alle diese Selbstbezichtigungsvideos. Brüstet sich seiner Tat, gibt sein Bedauern zu Protokoll, dass er nur Hundert umgebracht und nicht Tausend. Und indem wir den Terroristen als Feind identifizieren, in dieser, seiner Überzeugung, nehmen wir ihn ernst. Wir teilen sie zwar nicht, haben Angst vor ihm, aber wir wissen auch eines: Wären wir da geboren, wo er geboren ist, wären wir heute an der Stelle auch."
Anlass für Depenheuers Buch war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Gesetz, das erlauben sollte, Passagierflugzeuge abzuschießen, wenn eine terroristische Gefahr drohte. Das Bundesverfassungsgericht habe ihn mit dieser Entscheidung "richtig in Rage" gebracht, sagte Depenheuer.
Depenheuer: "Wie kommt es zu dieser verqueren Diskussionslage hier in Deutschland, die ich nur in einigen Facetten versucht habe vorzutragen. Wie kommt es zu der permanenten Verwechslung von Menschenwürde mit Lebensrecht. Woher kommt die Unfähigkeit, zu sehen, dass das Leben von der Würde her seinen Sinn bekommt, jenseits dessen es nicht mehr lebenswert ist. Demgegenüber huldigen wir einem Lebenskult, eine Werbung hieß vor einem Jahr ja mal "Leben, was sonst", Leben was sonst, sonst nichts, egal, warum, weshalb, wofür leben, Hauptsache leben. Länger, schöner, aktiver, aber wir wissen nicht warum. Dass man sein Leben für Demokratie, Rechtsstaat hingeben könnte, völlig undenkbar."
Depenheuer will, dass Opfer gebracht werden, wer sich nicht gegen den terroristischen Feind stellt, den hält er für feige. Kein Wunder, dass er in den letzten Monaten viel Widerspruch erntete. Heute Abend war es dann auch eine merkwürdige Mischung aus Rechtfertigung seiner Thesen und aus Angriffen gegen seine Kritiker, die auch im Saal zahlreich vertreten waren.
Depenheuer: "Mit wie viel rhetorischer Verve und gedrechselter Gedankenführung große Teile unserer schreibenden Intelligenz sich die Wirklichkeit der terroristischen Bedrohung schönreden, die Komplexität der Sicherheitslage auf ein moralisches Bekenntnis zur Freiheit reduzieren und im Ergebnis Feigheit für rechtsstaatliche Tugend ausleben."
Es waren hauptsächlich Juristen, die das Wort ergriffen. Professor Peter-Alexis Albrecht aus Frankfurt widersprach seinem Kollegen aus Köln vehement.
Albrecht: "Wenn man Menschen, die diese Abwägungsauffassung bis zum Schluss vertreten wie Sie, die Staatsführung überließe, dann ist das nicht mehr mein Staat. Das meine ich nicht persönlich, das meine ich strukturell, staatstheoretisch. Es muss eine Grenze für den Staat geben, wo er nicht mehr handeln kann. Und das sehe ich nicht als Aufgabe des Staates, sondern das sehe ich als Konsequenz der Demokratie."
"Verfassungsautismus" und "Staat der Menschenwürde" – mit solchen Formulierungen kritisierte Depenheuer Verfassungsrechtler und alle anderen, die nicht bereit sind, so über die Gefahren zu reden, wie er sie sieht. Ein Unding, meinte Albrecht.
Albrecht: "Aus meiner Sicht ist die Konstruktion des Grundgesetzes mit Artikel 1 genau die Sicherheit davor, dass die Menschen nicht das Recht haben, darüber zu entscheiden, wie die anderen Menschen leben, und zwar Menschen, wenn sie der Staat sind. Das ist für mich ein Fanal dieser Entscheidung, und deshalb bin ich dankbar, dass es sie gibt."
Professor Albrecht ist Strafrechtler. Auch der renommierte Verfassungsrechtler Professor Hans Meyer hatte für die Theorien Depenheuers kein Verständnis, der davon gesprochen hatte, die Menschen würden sich der Bedrohung fügen, statt sie zu bekämpfen.
Meyer: "Ich war jetzt in London und bin U-Bahn gefahren und ich kann Ihnen sagen, da gibt’s keine Schere im Kopf. Die Leute fahren wie vorher U-Bahn. Die wissen genau, dass das gefährlich sein kann, aber im Prinzip ist es eben nicht gefährlich. Es ist nicht gefährlicher als auf der Autobahn zu verunglücken. Das heißt also, Sie müssen den Feind stilisieren, als ein besonders gefährliches Element, um dann zu sagen, ja, wir müssen ihn aber irgendwie bekämpfen können, und zwar zu Lasten unserer eigenen Bevölkerung. Sie bauen eine Gefahrenlage auf, die so nicht besteht und die so auch nicht empfunden wird. Das heißt also, Sie wollen ein Ausnahmerecht für eine Situation schaffen, die überhaupt nicht existiert."
Depenheuer: "Der Feind lehnt die politische rechtliche Ordnung prinzipiell ab, will sie zerstören, wegen seiner politischen religiösen oder sonstigen Vorstellungen auch immer. Und deswegen kündigt ein terroristischer Feind seine Taten auch selbstbewusst an. Sie kennen alle diese Selbstbezichtigungsvideos. Brüstet sich seiner Tat, gibt sein Bedauern zu Protokoll, dass er nur Hundert umgebracht und nicht Tausend. Und indem wir den Terroristen als Feind identifizieren, in dieser, seiner Überzeugung, nehmen wir ihn ernst. Wir teilen sie zwar nicht, haben Angst vor ihm, aber wir wissen auch eines: Wären wir da geboren, wo er geboren ist, wären wir heute an der Stelle auch."
Anlass für Depenheuers Buch war die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gegen das Gesetz, das erlauben sollte, Passagierflugzeuge abzuschießen, wenn eine terroristische Gefahr drohte. Das Bundesverfassungsgericht habe ihn mit dieser Entscheidung "richtig in Rage" gebracht, sagte Depenheuer.
Depenheuer: "Wie kommt es zu dieser verqueren Diskussionslage hier in Deutschland, die ich nur in einigen Facetten versucht habe vorzutragen. Wie kommt es zu der permanenten Verwechslung von Menschenwürde mit Lebensrecht. Woher kommt die Unfähigkeit, zu sehen, dass das Leben von der Würde her seinen Sinn bekommt, jenseits dessen es nicht mehr lebenswert ist. Demgegenüber huldigen wir einem Lebenskult, eine Werbung hieß vor einem Jahr ja mal "Leben, was sonst", Leben was sonst, sonst nichts, egal, warum, weshalb, wofür leben, Hauptsache leben. Länger, schöner, aktiver, aber wir wissen nicht warum. Dass man sein Leben für Demokratie, Rechtsstaat hingeben könnte, völlig undenkbar."
Depenheuer will, dass Opfer gebracht werden, wer sich nicht gegen den terroristischen Feind stellt, den hält er für feige. Kein Wunder, dass er in den letzten Monaten viel Widerspruch erntete. Heute Abend war es dann auch eine merkwürdige Mischung aus Rechtfertigung seiner Thesen und aus Angriffen gegen seine Kritiker, die auch im Saal zahlreich vertreten waren.
Depenheuer: "Mit wie viel rhetorischer Verve und gedrechselter Gedankenführung große Teile unserer schreibenden Intelligenz sich die Wirklichkeit der terroristischen Bedrohung schönreden, die Komplexität der Sicherheitslage auf ein moralisches Bekenntnis zur Freiheit reduzieren und im Ergebnis Feigheit für rechtsstaatliche Tugend ausleben."
Es waren hauptsächlich Juristen, die das Wort ergriffen. Professor Peter-Alexis Albrecht aus Frankfurt widersprach seinem Kollegen aus Köln vehement.
Albrecht: "Wenn man Menschen, die diese Abwägungsauffassung bis zum Schluss vertreten wie Sie, die Staatsführung überließe, dann ist das nicht mehr mein Staat. Das meine ich nicht persönlich, das meine ich strukturell, staatstheoretisch. Es muss eine Grenze für den Staat geben, wo er nicht mehr handeln kann. Und das sehe ich nicht als Aufgabe des Staates, sondern das sehe ich als Konsequenz der Demokratie."
"Verfassungsautismus" und "Staat der Menschenwürde" – mit solchen Formulierungen kritisierte Depenheuer Verfassungsrechtler und alle anderen, die nicht bereit sind, so über die Gefahren zu reden, wie er sie sieht. Ein Unding, meinte Albrecht.
Albrecht: "Aus meiner Sicht ist die Konstruktion des Grundgesetzes mit Artikel 1 genau die Sicherheit davor, dass die Menschen nicht das Recht haben, darüber zu entscheiden, wie die anderen Menschen leben, und zwar Menschen, wenn sie der Staat sind. Das ist für mich ein Fanal dieser Entscheidung, und deshalb bin ich dankbar, dass es sie gibt."
Professor Albrecht ist Strafrechtler. Auch der renommierte Verfassungsrechtler Professor Hans Meyer hatte für die Theorien Depenheuers kein Verständnis, der davon gesprochen hatte, die Menschen würden sich der Bedrohung fügen, statt sie zu bekämpfen.
Meyer: "Ich war jetzt in London und bin U-Bahn gefahren und ich kann Ihnen sagen, da gibt’s keine Schere im Kopf. Die Leute fahren wie vorher U-Bahn. Die wissen genau, dass das gefährlich sein kann, aber im Prinzip ist es eben nicht gefährlich. Es ist nicht gefährlicher als auf der Autobahn zu verunglücken. Das heißt also, Sie müssen den Feind stilisieren, als ein besonders gefährliches Element, um dann zu sagen, ja, wir müssen ihn aber irgendwie bekämpfen können, und zwar zu Lasten unserer eigenen Bevölkerung. Sie bauen eine Gefahrenlage auf, die so nicht besteht und die so auch nicht empfunden wird. Das heißt also, Sie wollen ein Ausnahmerecht für eine Situation schaffen, die überhaupt nicht existiert."