Sterbehilfe

Begleitung auf dem letzten Weg

25.01.2014
Soll es in Deutschland erlaubt sein, einem Schwerkranken beim Sterben zu helfen, durch Ärzte oder Sterbehilfe-Vereine? Darüber wird derzeit heftig diskutiert. Noch gibt es in Deutschland kein Gesetz, das die Sterbehilfe regelt. Die Große Koalition will das ändern.
Die Union fordert dabei ein Verbot jeglicher organisierter Hilfe zur Selbsttötung. Anders sieht es aus, wenn man Befragungen anschaut: Mehr als zwei Drittel der Menschen in Deutschland sind nach einer aktuellen Umfrage für Sterbehilfe.
Unser Thema: Sterbehilfe - pro & contra
"Suizidhilfe ist ein Tabu im Verhältnis zwischen Arzt und Patient", sagt der Palliativmediziner und Medizinethiker Dr. Ralf J. Jox von der Ludwig-Maximilians-Universität München. Er gehört zu den Ärzten, die sich für einen ärztlich begleiteten Suizid aussprechen und hat seine Argumente und Erfahrungen in dem Buch "Sterben lassen. Über Entscheidungen am Ende des Lebens" zusammengefasst.
"Ich bin ein Verfechter der Rechtslage, wie es sie in Oregon gibt. Dort ist die Hilfe zur Selbsttötung erlaubt, aber klar und streng geregelt. Es gibt eine ganze Reihe von Bedingungen: Der Patient hat nur noch sechs Monate oder weniger zu leben, er muss geistig klar sein, er muss den Wunsch mehrfach geäußert haben - und andere Punkte. Das wahrt auch den Respekt vor Patienten, die wirklich sterben wollen."
Ralf J. Jox will damit das Tabu brechen, das Selbstbestimmungsrecht der Patienten sichern und den Ärzten mehr Rechtssicherheit geben – das Thema dürfe nicht den Sterbehilfe-Vereinen überlassen werden.
Einen Dammbruch, wie ihn viele Kritiker befürchten, sieht er nicht:
"Wir wissen aus Oregon, dass ein Drittel der Menschen, die um Hilfe beim Suizid bitten, das dann gar nicht umsetzen, also das Rezept einlösen oder die Medikamente nicht einnehmen. Es reicht ihnen, die Kontrolle, diesen Notausgang zu wissen. Und wir wissen aus der Psychiatrie: Auch da war es vor wenigen Jahrzehnten so, dass man sich scheute, über Suizid und Suizidgedanken zu sprechen. Heute ist das Standard. Und dieses offene Ansprechen führt dazu, dass man viel besser damit umgehen kann, dass man die Patienten schützen kann, und nicht jeder einen schrecklichen Suizid begehen muss."
Jens Spahn (CDU): "Kein Geschäft mit dem Tod"
"Der Tod darf nicht zum Geschäft werden, Leben und Tod sind keine Ware", sagt Jens Spahn, der gesundheitspolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion.
"Mit der organisierten Sterbehilfe geraten wir auf eine schiefe Bahn. Und es ist schlimm, wenn ein Arzt es tut. Das ist nicht nur eine berufsethische Frage; er gerät auch auf einer anderen Seite auf eine schiefe Bahn: Er begleitet Patienten in den Tod und bekommt am Ende noch ein Honorar dafür."

Viele Kranke hätten Angst vor einem qualvollen Tod, die Antwort darauf dürfe aber nicht die Hilfe zum Selbstmord sein. "Die richtige Antwort auf die Angst ist der Ausbau der Palliativversorgung, dass niemand in Deutschland unter Schmerzen sterben muss."
Zudem gebe es die Möglichkeit der Patientenverfügung:
"Hier kann ich nur sehr dafür werben, dass die Menschen für sich klar regeln, wann Maschinen abgestellt werden sollen, wenn sie im Koma liegen. Für sich klar zu regeln, ob sie künstlich ernährt werden wollen oder nicht, und damit selbst die Entscheidung treffen, dass diese nicht durch andere getroffen werden muss."
Sterbehilfe – pro & contra. Darüber diskutiert Dieter Kassel heute von 9:05 Uhr bis 11 Uhr mit dem Medizinethiker Ralf J. Jox und dem CDU-Gesundheitspolitiker Jens Spahn. Hörerinnen und Hörer können sich beteiligen unter der Telefonnummer 00800 2254 2254 oder per E-Mail unter gespraech@deutschlandradiokultur.de.
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