"Der Steppenwolf" in Berlin

Ein intensiver Abend mit Zumutungen

07:34 Minuten
Die Schauspieler Katrin Wichmann, Jonas Sippel, Manuel Harder, Elias Arens (v.l.) in einer Szene auf der Bühne während des Stücks "Der Steppenwolf" am DT Berlin.
Mutiger Abend mit starken Momenten: Katrin Wichmann, Jonas Sippel, Manuel Harder, Elias Arens (v.l.) in "Der Steppenwolf" am DT Berlin. © Deutsches Theater Berlin / Arno Declair
André Mumot im Gespräch mit Eckhard Roelcke · 07.05.2022
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Hermann Hesses Roman „Der Steppenwolf“ prägte Generationen junger Leser auf der Sinnsuche in ihrem Leben. Thomas Melles Adaption am Deutschen Theater Berlin ist radikal und setzt sich intensiv mit dem Text auseinander, sagt der Kritiker André Mumot.
In "Der Steppenwolf" erzählt Hermann Hesse die Geschichte eines Mannes, der zerrissen ist zwischen bürgerlicher Anpassung und einem unabhängigen Leben, auf der Suche nach Sinn und Spiritualität. Über viele Jahrzehnte fühlten sich insbesondere junge Leser von dem Stoff angesprochen.
In den USA der 1960er- und 1970er-Jahre wurde der Roman zum Kultbuch der Flower-Power-Bewegung, erfuhr aber auch scharfe Ablehnung.

Fabelhafte Schauspieler – mit Behinderungen

In der Theateradaption des Dramatikers Thomas Melle am Deutschen Theater Berlin sei viel Originaltext von Hesse eingeflossen, sagt der Kritiker André Mumot. Die beiden Autoren verbinde die Beschäftigung mit den eigenen Problemen, Neurosen, Depressionen und Exzessen.
Regisseurin Lilja Rupprecht hat für das Stück eine Schauspielerin und einen Schauspieler aus dem RambaZamba Theater engagiert, einem inklusiven Theater für Menschen mit Behinderungen. "Damit hebt sie eine scheinbare Normalität aus den Angeln", sagt Mumot.
„Damit hebt sie eine scheinbare Normalität aus den Angeln“, erzählt Mumot. „Die Allmachtsfantasien des Protagonisten Harry Haller, der sich als Intellektueller über den Dingen sieht und sehr eingebildet und arrogant ist, werden durch Figuren kontrastiert, die ganz anders mit ihm und seiner Wirklichkeit umgehen.“
Diese beiden Darsteller hätten keine Ehrfurcht vor dem klassischen Hesse-Text. „Das machen die beiden auf eine ganz fabelhafte Art und Weise und sie bringen auch einen besonderen Humor hinein.“

Eine Art Steppenwolf-Exorzimus

Insgesamt sei die Inszenierung nicht einfach, weil sie sehr viel wolle, sagt Mumot. Wegen der vielen kleinen von Rupprecht und Melle in das Stück hineingepackten Ideen, habe ihn die Umsetzung an Frank Castorf erinnert. „Nach einem etwas langweiligen Beginn, wird es immer radikaler und intensiver, fast schon zu einer Zumutung für das Publikum, zu einer Art Steppenwolf-Exorzismus.“
Weil sich das Stück mutig mit Hesses Text auseinandersetze, habe der Abend sehr starke und radikale Momente, allerdings auch einige, bei denen man die Geduld verliere und sich wünsche, die Handlung möge doch mal weitergehen.

Der Steppenwolf
nach Hermann Hesse
in einer Bearbeitung von Thomas Melle
Deutsches Theater Berlin
bis 5. Juli 2022

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