Steppenvogel in der Mark

Von Christiane Habermalz · 09.05.2008
In Deutschland soll es nur noch 110 Exemplare von ihr geben, alleine 59 davon haben sich in Brandenburg niedergelassen: Die Großtrappe, ein hausgansgroßer Steppenvogel, bevorzugt die Agrarsteppe Westbrandenburgs.
So klingt eine männliche ausgewachsene Großtrappe bei der Balz. Da kann man von Glück sagen, dass die Trappe in der Regel ein schweigsamer Vogel ist.

Die meiste Zeit des Jahres ist sie so unscheinbar und heimlich, dass man sie, braun auf braunem Acker, nur selten zu sehen bekommt. Das jedoch ändert sich im April, zur Balzzeit. Die Großtrappe, auch märkischer Strauß genannt, ist für ihre Balz berühmt: Dann dreht das Männchen Kopf und Schwanz auf den Rücken, spreizt die Barthaare, dreht die weiße Unterseite der Flügel nach oben, das ganze Tier stülpt sich quasi einmal von innen nach außen um, verwandelt sich in eine riesige schneeweiße Federblume. Und macht merkwürdige, ja man muss es sagen: Furzgeräusche.

Nur noch 110 Exemplare dieser hausgansgroßen Steppenvögel gibt es noch in Deutschland. Davon sollen 59 hier im Havelländischen Luch sein, unweit des Birnbaums des Herrn Ribbeck zu Ribbeck im Havelland. Wie um zu beweisen, dass es sie hier tatsächlich noch gibt, die letzten Großtrappen, hat die Vogelschutzwarte Buckow des Landes Brandenburg die interessierte Öffentlichkeit zur Trappenpirsch geladen. In bereitgestellten Autos werden die Teilnehmer zum Beobachtungsturm gefahren. Aber werden wir auch welche sehen? Großvater und Enkel, aus Potsdam angereist, sind optimistisch:

"Wenn wa schon hergekommen sind, muss sich auch's lohnen. Wir wollen uns ja auch dran erfreuen. Ich war einmal schon in den Belziger Landschaftswiesen. Das ist aber Jahre her, da habe ich schon die Balz der Trappen schon mal erlebt. Das war ein tolles Erlebnis, das sieht man ja nur wenige Male im Leben."

Eher eintönig, die Landschaft. Äcker, Wiesen, mitten drin zwei Beobachtungstürme, vom verschlafenen Dorf Garlitz aus in wenigen Minuten zu erreichen. Kaum zu glauben, dass es den letzten Großtrappen ausgerechnet hier gefällt.

"Den Trappen hat's ursprünglich in ganze vielen Gebieten Brandenburgs gefallen und in Meck-Pomm und Sachsen-Anhalt. Es gefällt ihnen hier noch, weil hier was getan wurde am Lebensraum. Die Trappen sind in insgesamt 30 Gebieten, die mal als Trappenschongebiete ausgewiesen worden waren, ausgestorben. Und nur da, wo was für den Lebensraum getan werden konnte, nämlich hier bei uns, und zweitens in den Belziger Landschaftswiesen und drittens im Finower Bruch an der Grenze nach Sachsen- Anhalt, da haben die überlebt und da können Sie auch heute noch reproduktionsfähige Trappen erleben."

Torsten Langgemach, Leiter der Vogelschutzwarte Buckow, ist stolz auf seine Trappen. Er und seine Mitarbeiter kennen jede ihrer 59 Exemplare persönlich. Mit den Landwirten der Umgebung haben sie sich auf eine extensive Bewirtschaftung der Wiesen und Felder geeinigt – denn nur so haben die Küken eine Chance, groß zu werden. Sie sind auch die Erfinder des Mutter-Kind-Geheges. Um die Trappenmütter mit ihren Eiern und später den geschlüpften Junge vor Beutegreifern zu schützen, haben sie ein fuchssicheres Gehege gebaut, das für die Vögel nur von oben zu erreichen ist. Doch damit nicht genug. Sind die ersten Eier gelegt, schleicht sich Peter Block, Mitarbeiter des Vogelschutzzentrums, ins Gehege und tauscht die kostbaren Trappeneier gegen Holzeier aus. Um die Feinde zu täuschen.

"Für den Kolkraben. Die werden dann bebrütet und kurz vor dem Schlupf werden die Eier wieder reingelegt. Das machen wir nur bei den Frühbruten. Die ersten Gelege in offener Landschaft würden ja sofort gesehen werden."

Doch so weit sind wir noch nicht. Auch bei den Trappen geht alles der Reihe nach: Erst kommt das Vorspiel: die Balz. Die Exkursionsteilnehmer erklimmen erwatungsvoll den Beobachtungsturm.

"Ah! Oh! Jetzt dreht er grad seinen Schwanz um, da sehen Sie es sehr schön! Klasse! Und man sieht das weiße Untergefieder!"
" Ich will auch mal!"

Und da stehen sie, wie bestellt. 15 Hähne, in einer Reihe am Feldrand. In heißer Liebesglut entbrannt. Weiße, wichtig aufgeblähte Federbälle, das Innerste nach außen gekehrt, die Barthaare gesträubt: Extrem-Posing. Das ist auch notwendig, denn bei den Trappen herrscht Damenwahl. Nur der schönste Hahn darf in den Korb. Nur, in diesem Fall: Alles vertane Liebesmüh! Keine Henne weit und breit!

"Mehr Balz gibt’s nicht! Alles Hähne!"

Extrem scheu sind die Trappen. Bei Störungen, das haben die Ornithologen herausgefunden, geht sofort die Befruchtungsrate der Eier zurück. Wie die Luchse wachen die Mitarbeiter der Vogelschutzwarte daher über die Ruhe ihrer Trappen. Da wird auch offiziell Beschwerde eingelegt, wenn die Regierungsstaffel der Bundesregierung zu tief über das Gebiet hinwegfliegt.

"Heut früh gab's wieder einen Paparazzi mit großer Optik der von meinen Mitarbeitern hier rausgefischt wurde. Er sagte er wär von der Presse und er müsste jetzt ein paar gute Aufnahmen schießen ..."

Draußen, auf dem freien Feld, naht für die balzenden Hähne endlich: die Erlösung!

" Da hinten sind auch zwei Hennen!"
"Da, hinter dem Reh ..."

Das Publikum ist begeistert. Zwei schmächtige braune Hennen stehen, wie zufällig, auf einem benachbarten Acker. Die Großtrappendamen mimen Desinteresse. Doch in Wahrheit, versichert Langgemach, entgeht ihnen nicht das kleinste bisschen von dem, was die Männerwelt ein paar Hundert Meter weiter zu bieten hat. Bei den Hähnen macht sich derweil Unruhe breit.

"Jetzt fliegt eine! Der schwerste flugfähige Vogel der Welt!
Fliegt genau zu den zwei Hennen da hin. Erstaunlicherweise."

Diskret wenden wir das Mikro ab – der Rest ist Privatsache. Unten auf der Wiese quaken die Frösche, die Lerchen trällern. Geht alles gut, wird bald wieder Peter Block, der Eierdieb, aktiv werden dürfen. Gewisse Vatergefühle kann der langjährige Trappeneibebrüter nicht verhehlen:

"Hoffen wir, dass sie flügge werden. Dann ist natürlich die Freude groß!"