Stephan Detjen zu den Folgen von Hanau

"Es hat sich viel verändert im Land"

08:13 Minuten
Zahlreiche Menschen gehen bei einem Trauermarsch vom Tatort Heumarkt zum Tatort Kurt-Schumacher-Platz und halten dabei Fotos der Opfer in den Händen.
Gedenken der Opfer: Tausende Menschen trauerten in Hanau. © picture alliance/Nicolas Armer/dpa
Stephan Detjen im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 27.02.2020
Audio herunterladen
Die rassistischen Morde in Hanau haben die Tonlage in der Politik verändert, meint der Journalist Stephan Detjen. Alle Parteien mit Ausnahme der AfD würden die rechtsextremistische Bedrohung des Landes nun als schwerwiegend beurteilen.
Vor einer Woche wurden in Hanau zehn Menschen aus vermutlich rechtsextremistischen Motiven ermordet.
"Das hat das Land aufgewühlt, da hat sich viel verändert", sagt Stephan Detjen, der für das Deutschlandradio als Chefkorrespondent insbesondere die CDU beobachtet.
Bei den Konservativen erkennt er – in Reaktion auf den Terrorakt von Hanau – einen anderen Tonfall. Innerhalb einer Woche sei es "Common Sense" aller Parteien mit Ausnahme der AfD geworden, dass die rechtsextremistische Bedrohung derzeit die schwerwiegendste Bedrohung des Landes ist. Es werde nicht mehr im gleichen Atemzug auf den Linksterrorismus oder den Islamismus verwiesen.

Merz: Landsleute in den Arm nehmen

Auch der Kandidat für den Parteivorsitz der CDU, Friedrich Merz, äußerte sich sehr versöhnlich. Beim Politischen Aschermittwoch in Apolda in Thüringen sagte er vor Stammtischpublikum: "Die Opfer in der letzten Woche sind Landsleute von uns. Das sind Menschen, die hier leben. Die grenzen wir nicht aus. Die nehmen wir in den Arm und trauern mit ihnen um diese schrecklichen Opfer."
Friedrich Merz (l.), ehemaliger Vorsitzender der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag, und Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU-Thüringen, stoßen mit Biergläsern in der Festhalle der Vereinsbrauerei Apolda an.
Friedrich Merz (l.), Kandidat für den Parteivorsitz, und Mike Mohring, Landesvorsitzender der CDU-Thüringen, in Apolda.© Martin Schutt/dpa-Zentralbild/dpa
Ebenfalls in dieser Woche hatte Merz allerdings im Zusammenhang mit dem Rechtsextremismus auf die Clankriminalität verwiesen – und indirekt einen Zusammenhang mit Ausländerkriminalität und Migrationsfragen hergestellt.
Merz habe damit an ein "Rezept" der Politik aus den 1990er-Jahren angeknüpft, als "wir sozusagen als Reaktion auf die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen das Asylrecht verschärft haben", so Detjen.
"Ich glaube, er wollte an dieser Stelle dieses polarisierende Signal senden", meint der Journalist und verweist auf die Rhetorik des CDU-Politikers: "Also, zu Friedrich Merz muss man sagen, dass das ein Politiker ist, der sich einer schillernden Aussprache bedient. Das klingt alles sehr auf den Punkt – genau, unumstößlich."
Viele Äußerungen würden aber dann, wenn man sie auf die sachliche Substanz zurückfährt, Widersprüche und Inkonsistenzen beinhalten. Oder sie seien, wenn man nachfragt, doch nicht ganz so gemeint.
(huc)

Hören Sie hier einen Bericht über den politischen Aschermittwoch in Apolda mit den CDU-Politikern Friedrich Merz und Mike Mohring; Autor: Henry Bernhard