Steigende Coronazahlen in Frankreich

Macrons letzter Appell?

04:54 Minuten
Eine Frau schaut die Fernsehansprache von Präsident Emmanuel Macron
Der französische Präsident Emmanuel Macron bei seiner Ansprache im TV zu den verhängten Corona-Schutzmaßnahmen. © Gettyimages / Marc Piasecki
Marina Münkler im Gespräch mit Anke Schaefer · 15.10.2020
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Auch in Frankreich steigt die Zahl der Infizierten an Covid-19. Einen erneuten Lockdown will auch Präsident Macron unbedingt verhindern. In einer TV-Ansprache hat er sich nun mit eindringlichen Worten an seine Landsleute gewandt.
Aktuell infizieren sich in Frankreich im Durchschnitt am Tag 20.000 Menschen neu mit dem Coronavirus. 40 Prozent der Intensivbetten im Großraum Paris sind mit Covid-19-Patienten belegt. Als Reaktion darauf hat der französische Präsident Emmanuel Macron in einer Fernsehansprache am Mittwoch Ausgangssperren verkündet, die ab Sonnabend im Großraum Paris und in den acht Großstädten Aix-Marseille, Grenoble, Lille, Lyon, Montpellier, Rouen, Saint-Étienne und Toulouse gelten sollen. Besuche von Restaurants, Kinos und Theatern sollen dann zwischen 21 Uhr und 6 Uhr untersagt sein.

Auch Emmanuel Macron will einen zweiten Lockdown unbedingt verhindern, heißt es. Noch sei die Situation aber zu bewältigen, sagte er: "Wir haben die Kontrolle nicht verloren. Wir sind aber in einer beunruhigenden Situation, in der wir nicht mehr tatenlos bleiben können. Aber wir müssen auch noch keine Panik verbreiten."
So appellierte er in seiner Fernsehansprache an jeden einzelnen Menschen in Frankreich: "Wir brauchen uns gegenseitig, um Lösungen zu finden, und am Ende, wenn wir dann die Regeln akzeptiert haben, werden wir als eine widerstandsfähige Nation aus diesem Prozess herauskommen", so Macron.

Appell an die "Staatsbürger"

Zu vermuten ist, dass der Präsident mit diesen Worten den Französinnen und Franzosen die Aussicht auf ein stärkeres Frankreich aufzeigen wolle. Und diese Chance würde tatsächlich auch für ganz Europa bestehen, meint Marina Münkler: "Die muss aber auch genutzt werden."
Interessant sei auch an Macrons Rede gewesen, dass er direkt den "Citoyen", den Staatsbürger, angesprochen habe, und nicht den "Bourgeois", den alltäglich agierenden Menschen. Das sei im Französischen eine wichtige Differenzierung, erklärt Marina Münkler.
Auffallend sei auch, dass der Staatspräsident nicht wie zu Beginn der Pandemie von "Wir sind im Krieg!" gesprochen habe. Macron habe "seine Rhetorik umgestellt", und Worte benutzt, die einen appellativen Charakter haben würden. So habe er an das "staatsbürgerliche Verständnis" appelliert und das hält Marina Münkler für wichtig.

Sperrstunde ist hart, aber notwendig

Die angekündigte Sperrstunde von 21 Uhr bis 6 Uhr sei zwar ein "sehr strenges Regime", meint Münkler. Wenn man sich jedoch die aktuellen Zahlen in Frankreich anschaue, bleibe den Franzosen wohl "nichts anderes übrig", als zu solchen Maßnahmen zu greifen. Nach Meinung von Marina Münkler spiele sich das "Infektionsgeschehen am Abend ab", wenn Menschen zusammenstehen würden in Bars und in Klubs tanzen würden. "Das heißt, es ist sinnvoll, das Nachtleben einzuschränken."
Außerdem könne man auch in Paris am Abend andere Dinge unternehmen, als nur das Nachtleben zu genießen. Menschen hätten dann auch wieder mehr Zeit für andere Dinge, die sie sonst vernachlässigen würden. Sie könnten in der Zeit z.B. wieder Bücher lesen, was sie als Literaturwissenschaftlerin nur befürworten könne.

(jde)
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