Stegner empfiehlt Clement Austritt aus der SPD

Ralf Stegner im Gespräch mit Gabi Wuttke |
Der SPD-Vorsitzende in Schleswig-Holstein, Ralf Stegner, hat dem ehemaligen Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement einen freiwilligen Austritt aus der SPD nahegelegt. Clement habe offenbar nicht die Klugheit, "diejenigen, die aktuell Politik machen, mit öffentlichen Ratschlägen und heftiger medialer Kritik zu verschonen", sagte Stegner.
Gabi Wuttke: Schmeißt die SPD Wolfgang Clement heute aus der Partei? Vielleicht wissen wir am Nachmittag mehr, wenn die Bundesschiedskommission der SPD über den Fall beraten hat. Anlass für das Parteiausschlussverfahren: Clement hatte lauthals dazu aufgerufen, die Genossin Ypsilanti im Januar nicht zu wählen. – Ralf Stegner ist jetzt am Telefon. Er ist der Spitzenkandidat der SPD für die Landtagswahlen in Schleswig-Holstein im übernächsten Jahr. Guten Morgen, Herr Stegner.

Ralf Stegner: Schönen guten Morgen.

Wuttke: Wer fortgesetzt auf das eigene Tor schießt, sollte den Verein verlassen, haben Sie im August den Fall Clement kommentiert. Stehen Sie weiter zu diesem Satz, oder sind Sie inzwischen auch bereit beizudrehen?

Stegner: Nein. Ich glaube schon, dass es für jemanden, der nun so gar nicht einverstanden ist mit dem, was die eigene Partei tut, und der sich dann letztlich auch Mehrheitsentscheidungen nicht beugen mag, jedenfalls eine Option ist zu sagen, wenn das so schwierig für mich ist, dann gehe ich aus dem Verein raus. Etwas anderes ist es, wenn die Partei selbst ein Ausschlussverfahren betreibt. Das ist immer kompliziert und wird häufig eher vom politischen Gegner genutzt und ist der schwierigere Weg und wird von daher ja dann auch zu recht von der unabhängigen Schiedskommission entschieden. Und da muss ich sagen würde ich auch jedes Urteil, das diese Schiedskommission spricht, akzeptieren. Sie ist unabhängig. Das glauben immer viele andere nicht, dass solche Parteikommissionen unabhängig arbeiten. Tun sie aber und das ist dann auch gut so.

Wuttke: Warum kann die SPD einen Stänkerer wie Clement nicht wirklich aushalten?

Stegner: Dem geht das so wie öfters Älteren, die aus der Politik ausgeschieden sind, dass sie die Klugheit nicht haben, diejenigen, die aktuell Politik machen, mit öffentlichen Ratschlägen und heftiger medialer Kritik zu verschonen. Die, die das klüger tun – ich nehme mal Hans-Jochen Vogel als ein Beispiel -, die machen das auf eine ganz andere Art und Weise, die dann für die Partei auch deutlich weniger schädlich ist. Der gibt auch Ratschlag, wenn er erbeten ist, der mischt sich auch ein in der Sache, aber er tut das nicht in der Form, dass er denjenigen, die die Verantwortung aktuell haben, das Leben schwer macht. Insofern, glaube ich, gibt es da durchaus Unterschiede. Aushalten tun wir das mit Wolfgang Clement durchaus. Sorgen würde ich mir machen, wenn seine Position zur Atomenergie beispielsweise mehrheitsfähig würde in der SPD, aber davon ist ja bei weitem nicht die Rede. Im Übrigen finde ich natürlich einfach auch nicht schön, wenn jemand die Zeitung dazu benutzt, um zur Wahl anderer Parteien aufzurufen.

Wuttke: Aber Herr Stegner, Sie sind doch auch jemand, der ganz offen gesagt hat, kommen wir zum Fall Hessen jetzt direkt, zu den Abgeordneten, die jetzt in Ihrer Partei ziemlich ausgeschlossen werden, denen auch noch ein Parteiausschlussverfahren droht, ihnen Charakterlosigkeit vorzuwerfen, und das ist ja nun auch nicht unbedingt die Parteilinie. Da gibt es auch Stimmen, die innerhalb der SPD sagen, so können wir nicht mit den Leuten umgehen, die – nun lassen wir mal außen vor aus welchen Gründen sie sich nun tatsächlich kurz vor Toresschluss so entschieden haben – aber zumindest gesagt haben, es ginge ihnen um ihr Gewissen.

Stegner: Die SPD ist nun wirklich eine Partei, die die Gewissensfreiheit von Abgeordneten außerordentlich stark berücksichtigt, und das ist auch wichtig so. Ich glaube allerdings, dass die Rufe auf das eigene Gewissen gelegentlich inflationär benutzt werden, und im konkreten Fall geht es ja wirklich darum, dass da der hessischen SPD großer Schaden zugefügt worden ist. Ich will da über die Motive nicht rechten. Auch hier meine ich - -

Wuttke: Aber Sie tun es doch, wenn Sie ihnen Charakterlosigkeit vorwerfen.

Stegner: Ich fand das Verhalten nicht in Ordnung, denn schauen Sie: Ein Parteitag der SPD hat mit 97 Prozent oder fast 97 Prozent nach dieser ganzen Diskussion, nach monatelanger Diskussion entschieden, wie der Weg sein soll, und dann kann ich nicht finden, dass 3 Prozent sagen sollen, was die Mehrheit tut. Und im Übrigen gab es ja reichlich Gelegenheit, monatelang Gelegenheit, wenn man Bedenken gehabt hätte, diese in einer Form zu äußern, die dann nicht zu diesem Fiasko geführt hätte. Ich bin aber auch in diesem Fall der Auffassung, dass Ausschlussverfahren, wenn sie denn kommen – auch hier sind sie ja beantragt -, in der Tat von der unabhängigen Kommission entschieden werden sollen, deren Ergebnis man dann akzeptiert und respektiert. Ausschlussverfahren sind für die SPD immer schwierig, weil dann die Öffentlichkeit über einen herfällt, die Konkurrenz sowieso, und es meistens einfach besser ist, wenn jemand es so gar nicht aushält mit seiner Partei und der Mehrheitsmeinung fortgesetzt nicht aushält, dass er dann halt besser aus der Partei rausgeht.

Wuttke: Wenn Sie aber jetzt für sich feststellen, die "Abweichler" in Hessen seien nicht respektvoll mit der Partei umgegangen, dann können Sie sich auch die Respektlosigkeit leisten, sie als Charakterlose zu bezeichnen? Wie ist der Ton in Ihrer Partei?

Stegner: Das, was da in Hessen passiert ist, passiert ja Gott sei Dank nicht jeden Tag. Das ist ja ein katastrophales Ereignis für die SPD und ich kann daran nichts Positives finden und erlaube mir schon, darüber dann auch so zu urteilen, was ich, glaube ich, mit der Mehrheit meiner Partei auch tue. Mir geht es auch ein Stückchen um innerparteiliche Demokratie. Respektvoller Umgang mit Minderheiten ja, ausdrücklich in Gewissensfragen allemal, aber wenn in der Frage der Regierungsbildung einzelne ihre eigene Entscheidung letztlich über das der Partei stellen, dann wird das ein Problem.

Wuttke: Ich muss Ihnen jetzt nicht vorlesen, welche Kommentare es auf die eingeleiteten Parteiausschlussverfahren in Hessen gegeben hat. Um noch mal das Bild vom Fußball aufzugreifen: Ist es nicht ein Eigentor mit einem Torwart Frank-Walter Steinmeier, der sich nicht dem Nationaltorwartstatus nähert, den er gerne hätte, nämlich mit der SPD als Spitzenkandidat die nächsten Bundestagswahlen zu gewinnen?

Stegner: Ich glaube nicht, dass die eigene Partei politisch erfolgreicher ist auf Bundesebene, wenn man zu bestimmten Dingen seine Meinung nicht mehr sagt. Die SPD ist eine Partei, wo immer diskutiert wird, häufig untereinander geredet wird. Das ist manchmal taktisch nicht immer schlau, aber das ist eine alte demokratische Volkspartei und da gibt es auch unterschiedliche Meinungen und es schadet auch nicht, wenn man sie austrägt. Nehmen Sie das Beispiel Bundeswehreinsatz im Innern. Das ist eine kleine Schramme, aber unterm Strich wäre das für den Kanzlerkandidaten viel, viel schlimmer, wenn er die nächsten Monate mit einer Partei, die uneinig ist und unzufrieden ist mit den Ergebnissen, agieren müsste. So wird er das nicht tun. Und dass er der bessere Kanzler wäre als das Frau Merkel ist, die inhaltlich überhaupt keine Meinung äußert, sondern ausschließlich das Kameralicht - -

Wuttke: Das ist aber jetzt nicht unser Thema, Herr Stegner.

Stegner: Das ist aber ein Teil der Wahrheit, über die wir reden, wenn Sie sagen, wie sind die Chancen von Frank-Walter Steinmeier. Es geht nicht nur um die Frage, ob man in der Partei diskutiert oder nicht.

Wuttke: Ich danke. – Ralf Stegner. Er ist der Landes- und Fraktionsvorsitzende der SPD in Schleswig-Holstein, hier im Gespräch bei Deutschlandradio Kultur. Herr Stegner, vielen Dank und schönen Tag.

Stegner: Gerne. Tschüß!

Das Gespräch mit Ralf Stegner können Sie bis zum 24. April 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio