Stefan Raab hört auf

Der fleißige Entertainer

Stefan Raab
Stefan Raab © dpa / picture alliance / Sascha Baumann/ZDF
Hendrik Efert im Gespräch mit Gesa Ufer · 16.12.2015
Er hat dem deutschen Fernsehen unzählig viele neue Fernsehformate geschenkt und mit Events wie dem "großen Turmspringen" oder der "Wok WM" die klassische Samstagabendshow gerettet. Jetzt beendet Stefan Raab seine Karriere.
Gesa Ufer: Wenn dieser Mann etwas hat, dann sind das Ideen. Stephan Raab verdanken wir Fernsehformate von "Wok WM" bis "Turmspringen", von "Bundesvision Song Contest" bis " Pokernacht". Nicht zu vergessen die wiederum von zahlreichen anderen Ländern adaptierte Parade-Show "Schlag den Raab". Die läuft jetzt Samstag zum letzten Mal im deutschen Fernsehen, heute kommt die letzte Folge von TV Total, dann ist Stefan Raab - wenigstens bis auf Weiteres - weg vom Fenster.
Bei mir im Studio ist jetzt mein Kollege, der Medienexperte Hendrik Efert – wie groß ist denn nun das Loch wirklich, das Raab mit seinem Abgang in die deutsche Fernsehlandschaft reißt?
Hendrik Efert: Das Loch, das die Sendung hinterlässt, ist relativ klein. Insgesamt ist das Loch aber ziemlich groß, das durch Raab und seine Person und sein Franchise, das ihn umgibt, also die ganzen Sendungen, die um ihn gestrickt sind.
Gesa Ufer: Was machte Stefan Raab für Sie aus?
Er hat von Anfang an nur gemacht, worauf er Lust hat, schon Anfang der 90er bei Viva und später bei ProSieben. Das andere ist, dass er in seiner Art einzigartig ist. Und das Dritte: Er war extrem fleißig dabei. Interessant ist auch das Verhältnis von öffentlicher und privater Person, die sehr unterschiedlich waren, und da hat man einfach gesehen, der Mann ist ein Profi.
Gesa Ufer: Worauf hatte er denn Lust?
Hendrik Efert: In seiner ganz frühen Viva-Phase hatte er Lust darauf, ein Arschloch zu sein. Er hat sich da wirklich drin gefallen in dieser Rolle, ihm war es damals schon nicht wichtig, anderen zu gefallen, sondern nur sich selbst. Diese Skrupellosigkeit hat ihn dann auch berühmt gemacht bei Viva, später bei ProSieben wurde er dann etwas gemäßigter, allerdings mit 'ner großen Portion Rücksichtslosigkeit, vor allem gegenüber medienunerfahrenen Leuten, und das ist wirklich der Punkt, da kann man ihn und seine Karriere kritisieren, dass er wirklich rücksichtslos mit Menschen umgegangen ist, die ja dieses System nicht verstehen und nicht dahinter schauen kann, wie z.B. die Dame mit dem Maschendrahtzaun oder die Teenagerin Lisa Loch.
Gegen Ende seiner Karriere war er in den Medien öfter der "Retter": der Retter der Nation mit dem ESC, der Retter des Fernsehens, weil er die Samstagabendunterhaltung gerettet hat, und durch das "Kanzlerduell" wurde ihm schon auch der Retter der Demokratie zugeschrieben.
Bei allem, was er gemacht hat, strahlte er aber aus, dass er immer gemacht hatte, was er wollte, und das unterscheidet ihn auch vom klassischen deutschen Moderatorentyp wie Pilawa, Kerner, Lanz.
Gesa Ufer: Jetzt tritt Raab aber erstmal von der Bildfläche ab. Wie wird das deutsche Fernsehen ohne ihn aussehen?
Hendrik Efert: Tatsächlich ist es nicht nur Raabs Abgang, sondern der Abgang der Generation Raab. Jetzt ist eine neue Generation am Zug, die tatsächlich auch das Internet versteht. Raab hat das Internet nie so richtig verstanden, wollte er auch nicht, musste er auch nicht, aber jetzt haben wir Leute wie Böhmermann oder Joko und Klaas, die das Internet bespielen und mit dem Internet spielen und da ist eben eine ganz andere Generation.
Was mit ihm verschwindet, ist auch die letzte Chance auf großes Eventfernsehen, was mit dem Absetzen von "Wetten dass" und dem Weggang von Raab einfach aus dem deutschen Fernsehen verschwindet. Was ich für ein großes Desaster halte, denn: Wenn sich lineares Fernsehen gegenüber Streamingdiensten behaupten will, dann braucht es Fernsehen, was es lohnt, zum Zeitpunkt der Ausstrahlung zu schauen, so dass man am nächsten Tag drüber reden kann. Und so was schafft man eben mit Events, die Raab gemacht hat.
Wenn man in die USA schaut, die suchen seit vielen Jahren händeringend nach Eventformaten, weil die kennen das gar nicht. Wir in Deutschland machen das seit 50 Jahren, machen wir Eventfernsehen für ein Millionenpublikum, Samstagabend, diese deutsche Fernsehtradition wird gerade leichtfertig aufgegeben, da kann Raab nichts dafür, aber man hätte ihn vielleicht halten können.
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