Staubkörner zu Sternschnuppen

Jürgen Oberst im Gespräch mit Julius Stucke · 12.08.2013
Jedes Jahr im August durchfliegt die Erde einen Teilchenstrom, die Perseiden. Deshalb kann man dann besonders viele Sternschnuppen beobachten. Forschern geben die winzigen Staubkörner Hinweise auf Flugbahn und Struktur von Kometenbahnen.
Julius Stucke: Heute Nacht, so ab 23 Uhr in Berlin Mitte. Wenn man dann genau hinsieht, wird man auf den Dächern des Regierungsviertels irgendwo weit oben schemenhafte Gestalten im Dunkel der Nacht sehen: die Köpfe in den Nacken gelegt, der Blick angestrengt gen Himmel. Angela Merkel wird da stehen und sich wünschen, dass alles so weitergeht wie immer. Peer Steinbrück wird sich wünschen, dass alles nur ein schlechter Traum war bisher. Jürgen Trittin wünscht sich eine bessere Welt. Und Gregor Gysi? Ja, auch der wünscht sich da was.

Okay, das gehört ins Reich der Vorstellungskraft, aber Anlass genug, in die Sterne zu schauen, gäbe es für die vier, denn in diesen Tagen rasen Tausende Sternschnuppen durch den Nachthimmel, die Perseiden. Heute Nacht hat dieses Spektakel seinen Höhepunkt. Bleibt erst mal zu wünschen, dass der Himmel dann auch klar genug ist, um das zu beobachten. – Jürgen Oberst ist am Telefon. Er leitet das Institut für Planetenforschung am deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Guten Morgen, Herr Oberst!

Jürgen Oberst: Guten Morgen!

Stucke: Sie beobachten den Himmel aus professionellem Interesse. Aber haben Sie sich schon mal gefragt, woher denn dieses volksnahe kommt, also der Glaube, man könne sich was wünschen, wenn man eine Sternschnuppe entdeckt?

Oberst: Das weiß ich auch nicht so genau. Aber ich denke, das hängt wahrscheinlich zusammen mit diesem Märchen von den Sterntalern, dass alles Gute von oben kommt und dass die Sterne dann vom Himmel fallen. Das ist wohl in dem Zusammenhang.

Stucke: Sternschnuppen habe ich das Ganze jetzt genannt. Das sagen wir Laien. Was sagt denn der Experte? Was ist das, was da vom Himmel rast?

Oberst: Das sind Teilchen. Die sind gerade mal so groß wie Staubkörner. Die bewegen sich in einer Bahn, in einem Strom um die Sonne, und jedes Jahr im August durchfliegt die Erde diesen Teilchenstrom und die Teilchen prasseln dann auf die Erdatmosphäre. Das ist es halt, was wir dann am Boden sehen, was unsere Sternschnuppen sind.

Stucke: Winzig kleine Teile, haben Sie jetzt gesagt, wie Staubkörnchen, und die prallen in die Atmosphäre. Das heißt, wenn da mal was größeres dabei ist, muss man sich dann auch Sorgen machen beim Sternschnuppen gucken?

Oberst: Die Sternschnuppen, diese Typen von Teilchen, die sind in der Richtung eigentlich gefahrlos. Das sind wirklich alles nur kleine Teilchen. Okay, da ist auch mal ein größerer Brocken dabei. Aber die wirklich großen und gefährlichen, das sind dann ordentliche Stein- und Metallklötze. Mit denen hat das nichts zu tun. Das ist eine ganz andere Klasse von Objekten.

Stucke: Ist das für Planetenforscher wie Sie auch einfach nur ein schönes Ereignis heute Nacht, oder gibt es auch wissenschaftliches Interesse daran?

Oberst: Da gibt es auch wissenschaftliches Interesse. Wir beobachten diese Teilchen und können die Bahnen der Teilchen ganz genau vermessen. Wir bestimmen die Flugbahn und können auch die Geschwindigkeiten bestimmen, wie stark die abbremsen in der Atmosphäre. Interessant ist auch, wie tief diese Teilchen genau eindringen in die Erdatmosphäre. Da kann man dann ablesen daraus, aus was für einem Material die bestehen, wie fest und wie dicht die sind.

Und dann interessieren wir uns auch für die Häufigkeiten der Teilchen in dem Strom, wann und wo treten diese Teilchen gehäuft auf, gibt es mehr größere oder viele kleinere. Da lernt man was über die Struktur und den Aufbau des Stroms. Diese Ströme, die hängen ja mit Kometen zusammen, und da lernen wir indirekt auch was darüber, wie die Kometen entstehen und wie sie sich im Laufe der Zeit entwickeln.

Stucke: Ich gebe zu, das klingt für mich als Laie jetzt ziemlich theoretisch. Gibt es auch ein praktisches Wissen, was man daraus zieht?

Oberst: Praktisch wäre auch zum Beispiel interessant: Wir wissen ja, die Teilchen kommen ja mit sehr hohen Geschwindigkeiten daher und die können unter Umständen auch Satelliten gefährlich werden, und da möchte man schon genau wissen, wie viele von diesen Teilchen gibt es, zu welchen Zeiten treten die auf, wann treten die vielleicht gehäuft auf, dass man sich doch ein bisschen darauf vorbereiten kann auf so was.

Stucke: Jürgen Oberst vom deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt. Und eine Sache wollen wir jetzt natürlich unbedingt wissen: Wann und wo legen wir uns heute Nacht am besten auf die Lauer?

Oberst: Da macht man es am besten so: Man muss raus aus der Stadt, man muss also von den Lichtern der Stadt sich ein bisschen entfernen, und dann muss man sich einen Beobachtungsposten suchen, wo man möglichst freie Sicht auf den Horizont hat, und dann geht es los. Heute ab Mitternacht ist wahrscheinlich die beste Zeit bis in die frühen Morgenstunden. Da sollte man vielleicht auch eine warme Jacke oder was zu trinken mitnehmen, und dann kann eigentlich gar nichts mehr schief gehen.

Stucke: Dann kann nur noch das Wetter schief gehen?

Oberst: Genau, nur noch das.

Stucke: Jürgen Oberst, Planetenforscher am deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, über den Sternschnuppenregen heute Nacht. Herr Oberst, ich wünsche einen guten Tag!

Oberst: Danke!

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