Statisten in der Traumfabrik

Der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles
Der Hollywood-Schriftzug in Los Angeles © Jan-Martin Altgeld
07.11.2013
Nathanael West siedelt seinen Roman in einer Welt von Möchtegernstars an und lässt alle seine Figuren bei ihren Karriereplänen kläglich scheitern. Er selbst war ein erfolgloser Schriftsteller, der sich in Hollywood als Drehbuchschreiber verdingte, und mit 37 Jahren bei einem Unfall starb.
Ein Roman über das wahre Hollywood: Lebenslügen und Katastrophen, Glückssucher und Verlierer bestimmen den Alltag in der Filmmetropole. Es war sein vierter und letzter Roman, der ihm jedoch ebenso wenig Anerkennung und Erfolg brachte wie die vorigen Bücher. Im kundigen Nachwort dieser Neuübersetzung wird der Misserfolg aufgelistet, den der Autor in einem Brief an seinen Kollegen F. Scott Fitzgerald notierte: "15% gute Kritiken, 25% schlechte und 60% gemeine, persönlich motivierte Attacken. Der Brief endet mit den Worten ‚I’ll try another one anyway, I guess.’"

Zu einem neuen Versuch kam es aber tragischerweise nicht mehr, denn Nathanael West, der zu diesem Zeitpunkt ein recht erfolgreicher und gut bezahlter Drehbuchautor in Hollywood war, starb am 22.Dezember 1940 bei einem Autounfall. Er war 37 Jahre alt und angeblich gerade auf dem Weg zum Begräbnis seines Freundes Fitzgerald.

Das mag jedoch eine Erfindung sein, wie vieles im Leben dieses Autors Inszenierung war. Geboren wurde er als Sohn deutschsprachiger Juden aus Litauen in New York. Er war ein schlechter Schüler, fälschte später ein Abschlusszeugnis, um an einer renommierten Universität zu studieren, änderte seinen Namen, erfand eine adlige Abstammung, machte aus einem dreimonatigen touristischen Paris-Aufenthalt drei Jahre.

Als Schriftsteller reüssiert er jedoch trotz aller Selbstinszenierung nicht. Daran ändert auch - spätestens nach seinem zweiten Roman "Miss Lonelyhearts" – die Wertschätzung durch Kollegen wie Ernest Hemingway und Dashiell Hammett nichts. Er muss Geld verdienen und wird Drehbuchautor in Hollywood. Seine Erfahrungen im kalifornischen Film-Paradies gehen in seinen letzten Roman ein, einer eindrucksvollen Satire auf die Stadt, in der Lügen und Täu-schungen das Leben bestimmen oder wie die Dichterin Mascha Kalecko es einmal formulierte: Hollywood, das sei "ein Zustand, der häufig zu Zuständen führt."

Im Mittelpunkt steht ein begabter junger Maler, der sich als Bühnenbildner in Hollywood versucht, der von großen Gemälden träumt und umgeben ist von lauter Möchtegernstars. Niemand wird jedoch die große Karriere schaffen: Nicht die schöne junge Frau, nicht der herausgeputzte Cowboy, noch der kleine Junge, den seine Mutter zum Erfolg prügeln will.

Alle sind sie nur Statisten in der Traumfabrik, die unablässig neue Träumer anzieht, die Menschenmaterial vor und hinter der Leinwand braucht, damit sie ertragreich funktioniert.
Am Ende dieser ebenso bösen wie warmherzigen Geschichte über eine Handvoll Verlierer unter der kalifornischen Sonne wird der einzige Mensch, der wirklich nur des Klimas und nicht des Kinos wegen nach Hollywood gekommen ist, verrückt und eine starsüchtigen Menge zur wahnsinnigen Furie.

Besprochen von Manuela Reichart

Nathanael West: Der Tag der Heuschrecke
Aus dem amerikanischen Englisch von Klaus Modick
Nachwort von Bernd Eilert
Manesse Verlag, Zürich 2013
264 Seiten, 19,95 Euro