Startup mit Bio-Toilette

Humus, Humanismus und Humor

Die Tür eines mit einem Herz verzierten Toilettenhäuschens auf einem Bauernhof in Birstein-Obersotzbach (Hessen), aufgenommen am 12.10.2005.
Die gute alte Toilette - für die Erfinder der Goldeimer-Toilette war sie Teil einer Geschäftsidee. © picture alliance / dpa / Heiko Wolfraum
Von Jürgen Stratmann · 25.08.2015
Weil sie die Toiletten bei Open-Air-Festivals anekelten, erfanden Kieler Studenten eine hygienisch angenehme Alternative zu chemischen Klos. Der sogenannte Goldeimer ist eine wasser- und geruchlose Komposttoilette, mit der Humus gewonnen wird.
Es ist Montagvormittag, der lahme Rest der gut 65.000 Festivalbesucher schleppt sich schwer bepackt, schmutzig und müde vom Platz, es regnet, der aufgeweichte Platz mit verwaisten Camping-Ruinen sieht wüst und ungemütlich aus - bis auf eine kleine Oase der Behaglichkeit: das Goldeimer-Toilletten-Areal - hier ist die Stimmung noch gut!
"Klar, alles Normal!"
Ein quadratischer Platz, von drei Seiten wettergeschützt durch Wände aus hölzernen Toilettenhäuschen, die Türfronten über und über kunstvoll mit Graffitis verziert, und der Platz dazwischen: frisch eingestreut mit einer dicken Packe gold-gelben Strohs. Dazu passend liegt zwar eine leichter Hauch von Stallgeruch in der Luft - aber von störendem Gestank? ist das weit entfernt - der Grund:
"Man spült mit Holzspänen, durch die Holzspäne wird der Geruch aufgesaugt."
So Jan Ole Garbers vom Goldeimer-Team - aber: Man spült? Konkret füllt der Goldeimer-Benutzer auf dem Weg zum Kabäuschen Hobelspäne aus einer Holzkiste in einen großen Bierbecher um damit dann nach vollendetem Prozedere auf dem wachsenden Spänehaufen im Goldeimer seine eigenen Spuren zu verwischen:
"Wichtig ist, dass man da nichts sieht, das immer alles abgedeckt und das die Brille immer sauber ist!"
Klo-Flatrate für 15 Euro
Was in den meisten Fällen auch gelingt: Überall Stroh und Hobelspäne, die ganze Anlage verströmt die Behaglichkeit eines Kälberstalls - und ist darum auch wohl
"ein sozialer Treffpunkt - wir laden auch die Leute auch dazu ein, auch hier zu verweilen - viele aus den umliegenden Camps setzen sich dazu hin, bringen ihre Stühle mit."
Und auch die sieben Freiwilligen, die drei Tage lang - ohne Lohn - für freien Eintritt! - Klos geputzt und gewartet haben, bestätigen:
"Eigentlich sind wir nur Entertainer, wir sind Animateure. Wenn die Leute morgens hier grummelig in der Schlange stehen, und dann gehen sie auf´s Klo, komm´se wieder runter, und strahlen richtig, wie wenn so ´n Kind im Zeugnis ´ne eins hat ...- Ich hab noch nie soviel Dankbarkeit erfahren ! Auf jeden Fall!"
Dankbarkeit? immerhin muss man auch diese Bio-Qualität - wie üblich - teuer bezahlen: Man zahlt - pro Stuhlgang"
"Entweder zwei Euro - oder man kauft sich gleich am Anfang eine Flatrate für 15 Euro - das wird von den Mädels sehr gerne genutzt."
Dabei fließt der Großteil der Gewinne an den Hamburger Verein "Viva con Agua", der sich für Trinkwasserversorgung und Sanitäre Anlagen in Entwicklungsländern einsetzt.Denn darum geht es den Goldeimer-Leuten eigentlich: weltweit saubere Toilletten verbreiten zu helfen:
"Das ist das übergeordnete Hauptziel - Paradigmenwechsel! - und Toiletten für alle Menschen auf der Welt - das ist das Kernziel von Goldeimer!"
Wobei sie, Stichwort "Paradigmenwechsel" - in bestimmter Hinsicht wieder zu uralten Standards zurückkehren wollen: zum "Goldeimer" als Düngemittelquelle, als: Wertstofftonne!
"Damals war der Nährstoffkreislauf noch geschlossen! Was gewachsen ist, wurde gegessen - und anschließend als Dünger auf den Feldern wieder ausgebracht. - heute ha´m wir das nicht mehr, es ist vom Gesetzgeber nicht vorgesehen - dass menschliche Fäkalien anderswo als in der Kläranlage verwertet werden!"
Was übrigens die Hygiene auf den Goldeimern angeht?die wird natürlich vom Gesundheitsamt überprüft - und was die Fäkalverwertung als Kompost betrifft:
"Beim Kompostieren zerfallen alle pathogenen Keime - und welche Rückstände von Medikamenten oder andern Dingen bleiben, das lassen wir gerade untersuchen, an einigen Forschungsprojekten!"
"Es kommt'n buntes Volk zu uns"
Mit den Open-Air-Festival-Großeinsätzen soll übrigens nicht bloß Geld verdient werden. Es gehe auch um das Forum:
"Wir wollen´s auf jeden Fall auf die großen Bühne bringen!"
Und zwar mit der Mischung:
"Humus, Humanismus und Humor!"
Und dazu will das Goldeimer-Team auch auf eine andere, längst vergessene Tradition anknüpfen: das öffentliche Abort als sozialer Treffpunkt, als: Plauder-Laube!
"Da gab´s ja richtig diese Bänke, wo man sich wirklich nebeneinander gesetzt hat - da hatte man ja auch mal Zeit - und auch hier wird sich unterhalten, wir haben auch´n Doppelbock, da kann man dann zusammen auf´s Klo gehen - Also: wir haben sehr viele Ideen - es kommt'n buntes Volk zu uns, wir sind ´ne bunte Truppe, da kann noch viel passieren, das ist auf jeden Fall ´ne richtig tolle Sache. - Aber sowas von! Auf jeden Fall!"
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