Start-up mit Googles Hilfe

Jutta Allmendinger im Gespräch mit Ute Welty |
Finanzielle Unterstützung durch Google ja, Einfluss auf die Forschung nein, sagt Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin (WZB). Das WZB hat sich mit zwei Unis zur Gründung eines Instituts zur Untersuchung des Internets zusammengeschlossen, das im Oktober eröffnet werden soll.
Ute Welty: Was der Weltraum für die Besatzung von Raumschiff Enterprise war, das ist für uns heute das Internet: unendliche Weiten, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat. Unterstützt von Google haben sich jetzt drei hochkarätige Institutionen zusammengefunden, um diesen Zustand zu beenden und das Deutsche Forschungsinstitut für Internet und Gesellschaft zu bilden. Die Humboldt-Universität, die Universität der Künste und das Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung. Und WZB-Präsidentin Jutta Allmendinger begrüße ich jetzt am Telefon. Guten Morgen!

Jutta Allmendinger: Guten Morgen!

Welty: Heute schon im Netz gewesen?

Allmendinger: Aber ja doch! Ich habe meine E-Mails angeschaut und auch beantwortet.

Welty: Würden Sie sagen, das Internet hat auch mein Leben verändert, und leiten Sie womöglich daraus auch den Forschungsansatz ab für dieses neue Institut?

Allmendinger: Daraus einen Forschungsansatz abzuleiten, wäre jetzt vielleicht etwas überheblich, aber selbstverständlich hat das Internet mein Leben verändert. Ich bin mit vielen Freunden enger verbunden, ohne dass ich sie dadurch weniger sehen werde. Es strukturiert meinen Alltag, wenn ich nicht aufpasse. Das heißt, wir müssen da auch mehr Selbstfürsorge jetzt walten lassen, um nicht ganz in Besitz zu geraten von Maschinen.

Welty: Und wenn Sie an Ihre wissenschaftlichen Themenschwerpunkte denken, wie eben Bildung, Soziologie und Sozialpolitik?

Allmendinger: Dann ist das bei der Bildungssoziologie ganz eindeutig, dass wir auf der einen Seite einen Segen haben durch das Internet, insofern wir viel schneller an wesentliche Informationen kommen, Stichwort "Open Access". Wir kommen an Artikel viel schneller als damals noch zu meinen Studierendenzeiten über die Fernleihe und so weiter und so fort. Auf der anderen Seite ist es neben einem Segen natürlich auch ein Fluch, weil wir leicht auf falsche Informationen treffen, auf verkürzte Informationen treffen und das eine, Fluch und Segen, oft voneinander nicht zu unterscheiden vermögen. Und da muss man an den ganzen Governance-Formen, an den ganzen rechtlichen Bedingungen, wer darf was und wie muss das dann auch bezeichnet werden, in der Tat arbeiten. Was wir festgestellt haben ist, dass das in weiten Bereichen noch vollständig ununtersucht ist.

Welty: Wie werden Sie denn da vorgehen im Einzelnen? Das ist ja ein Riesenberg an auch wieder Informationen, den es zu sortieren gilt.

Allmendinger: Das ist richtig. Von daher ist zunächst mal angesagt die Kunst der Beschränkung. Google finanziert dieses Institut an mit 4,5 Millionen auf drei Jahre. Man weiß, das ist jetzt bei drei unterschiedlichen Einrichtungen, die auch in ganz unterschiedliche Richtungen dann forschen, nicht sehr viel Geld, sodass es jetzt darauf ankommt, bis zum Oktober, wenn es dann tatsächlich den Startschuss geben soll – wir haben ja gestern lediglich über eine Interessensbekundung gesprochen -, kommt es darauf an, ein gutes inhaltliches Programm zu schneidern, welches man dann ausfüllen kann und insbesondere welches die Plattform bildet dann auch für Ministerien, für andere Forschungsförderer, da mit einzusteigen, denn wir wollen ja ein größer werdendes Institut und über die Zeit und die Güte unserer Forschung das zeigen.

Welty: Sie haben die finanzielle Unterstützung von und durch Google angesprochen. Da stellt sich natürlich die Frage, wo bleibt in diesem Zusammenhang die wissenschaftliche Freiheit? Google ist dafür bekannt, Wissen und Daten abzuschöpfen, und beteuert, jetzt keinen Einfluss nehmen zu wollen. Welches Argument hat Sie denn überzeugen können, denn man braucht gute Argumente, um Sie zu überzeugen?

Allmendinger: Da ist die Dimension der Überzeugung eine ganz falsche. Wir haben klare rechtliche Rahmenbedingungen geschaffen, ohne die hätte ich das auch überhaupt nicht gemacht, hätte es auch das Kuratorium des WZB und auch der anderen Einrichtungen nicht gemacht. Wir haben zwei gGmbH's: das eine ist sozusagen eine Forschungseinrichtung, das andere ist eine Finanzierungseinrichtung. Die Forschung wird von den drei Direktoren und den assoziierten Direktoren in Zusammenarbeit mit den Gesellschaftern also der Humboldt-Universität, dem WZB, der Universität der Künste festgelegt. Wir führen die Forschungen da durch und wir publizieren die Forschungen, da hat Google überhaupt nichts reinzureden und ist da auch gar nicht integriert und beteiligt. Was anderes ist dann die Finanzierungs-GmbH. Da haben wir im Moment dieses Startvolumen von Google und hoffen natürlich, dass weitere auch durchaus von dem privaten Sektor dann dazukommen, um dieses zu erhöhen.

Welty: Aber bleibt nicht dann doch, wie man im Süddeutschen sagt, ein Geschmäckle?

Allmendinger: Dieses Geschmäckle, wenn es bleibt, das können Sie besser sagen als ich. Für mich bleibt kein Geschmäckle. Ich habe vier Jahre das Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung geleitet, und auch da ging es ja in der Tat darum, eine gute sozialpolitische, arbeitsmarktpolitische Forschung zu machen, egal ob das dem BMAS passt, ob das der Bundesagentur für Arbeit passt, und hier muss ich darauf zurückgreifen. Wenn es so ist, dass Google Themen setzt, oder wenn Google darauf Wert legt, bestimmte Ergebnisse nicht publizieren zu lassen, dann wird das WZB sofort von den Ausstiegsklauseln Gebrauch machen und sich verabschieden. Das ist auch so kommuniziert.

Welty: Wissenschaft lebt auch aus der Konkurrenz heraus und vom Wettstreit. Wie ist es darum bestellt, wenn drei namhafte Einrichtungen kooperieren? Wo bleibt die Vielfalt?

Allmendinger: Nun, die Zusammenarbeit dieser drei Einrichtungen ergab sich hauptsächlich aus dem großen Interesse an interdisziplinärer Forschung. Wenn man um Internet und Gesellschaft spricht, da gibt es rechtliche Fragen, es gibt technische Fragen, es gibt Fragen des Datenschutzes, es gibt gesellschaftspolitisch relevante Fragen, an denen das WZB insbesondere interessiert ist. Das war die Idee, dass drei starke Direktoren gegenseitig sich befruchten, sich auch ein bisschen stacheln und zeigen, das eine kann man überhaupt nicht getrennt von dem anderen beforschen, sondern es geht nur ein Zusammen. Das war das und es gibt ja in anderen Ländern auch an Universitäten dann Lehrstühle. Von daher habe ich in keiner Weise den Eindruck, dass wir hier ein Monopol aufbauen. Das könnte man mit so einer geringen Forschungssumme allemal nicht tun.

Welty: Das Internet und seine Auswirkungen werden jetzt erforscht, unter anderem in Kooperation mit dem Wissenschaftszentrum Berlin für Sozialforschung und mit seiner Präsidentin Jutta Allmendinger. Viel Erfolg fürs neue Institut und einen schönen Tag noch!

Allmendinger: Das wünsche ich Ihnen auch sehr!

Links bei dradio.de:
Campus & Karriere: Googles Internet-Institut
Berliner Institut untersucht Auswirkungen moderner Technologien auf Gesellschaft


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