Start der Dokfilmwoche Leipzig

Litauische Filme über die Flüchtigkeit der Freiheit

Filmstill aus dem litauischen Film "How we played the Revolution". Menschen die jubeln.
Filmstill aus dem litauischen Film "How we played the Revolution". © Dagnė Vildžiūnaitė
Von Isabel Woop · 29.10.2018
Litauen feiert in diesem Jahr 100 Jahre Unabhängigkeit und ist Gastland bei der Dok-Woche in Leipzig. Elf litauische Filme laufen dort unter dem Titel "Die(Un)Abhängigkeit bewältigen". Die Filmreihe dokumentiert die Identitätssuche des Landes und seiner Bewohner.
Litauen 1988. Unzählige Menschen singen bei einem Festival die Nationalhymne Litauens und schwenken die litauische Flagge. Dieses Fesitval - "Roko Maršas" - hat als kleines Musikfestival in verschiedenen Städten Litauens angefangen und wurde später zur Plattform für die litauische Unabhängigkeitsbewegung.
Auf der Bühne: die Band Antis. Antis ist eine Gruppe von Architekten, die eigentlich nur zum Spaß eine Rockband gründen. Auf der Bühne kreieren sie ein groteskes Bild der Sowjetunion. Mit einem ihrem sehr extravaganten Auftreten spielen sie bei den Veranstaltungen des Roko Maršas regelmäßig vor tausenden von Menschen und werden zum Gesicht von Litauens Unabhängigkeitsbewegung. Und sie werden die Protagonisten in Giedrė Žickytės Film "How we played the revolution": "Meine Eltern sind Architekten und in Litauen kennen sich die Architekten eben untereinander. Und sie waren außerdem Freunde meiner Eltern - also: die lebendigste Erinnerung meiner Kindheit ist, wie wir zu diesen Konzerten, diesen Treffen und Versammlungen gegangen sind. Jeder Tag war wie eine Party. Wir sind irgendwo hingegangen, haben irgendwas gefeiert, irgendwo Party gemacht. Und dieses Wort 'Freiheit', das war wie ein versprochenes Paradies, das irgendwo auf uns wartet."

"Wir haben es im Blut, durch die Bilder zu sprechen"

Giedré Žickytė zeigt in ihrem Film eine sehr friedliche Revolution. Zu dieser Zeit ist sie acht Jahre alt. Als Litauen seine Unabhängigkeit zurückgewinnt, ist sie elf. "How we played the revolution" wird beim diesjährigen Dokumentarfilm-Festival DOK Leipzig im Rahmen des Länderfokus Litauen gezeigt.
Audrius Stonys hat die Reihe kuratiert. Unter dem Titel "Die (Un)Abhängigkeit bewältigen zeigt er elf Filme, die ganz verschiedene Perspektiven auf diese Unabhängigkeit zeigen. Und gemeinsam haben alle Filme eine sehr bildhafte Sprache, erzählt er:
"Das war der einzig mögliche Weg die Wahrheit zu sagen. Bilder können auf so viele unterschiedliche Arten interpretiert werden. Das macht es schwer sie zu zensieren. Und das ist irgendwie zu einer Art genetischem Merkmal geworden. Wir haben es im Blut durch Bilder zu sprechen. Selbst die jüngeren Autoren nutzen diese Art von Poesie in ihren Filmen."

Die neuen Herausforderungen der Unabhängigkeit

In der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg, in den 40er-Jahren oder den Zeiten der Revolution in den 80ern und 90ern geht es vor allem um Litauens Abhängigkeit und Unabhängigkeit von Russland und der Sowjetunion. Die litauischen Filmemacher heute interpretieren das Verhältnis von Abhängigkeit und Unabhängigkeit ganz anders. Für Audrius Stonys ist auch der Zugang zur globalen Marktwirtschaft eine Herausforderung:"Viele Filmemacher geben einfach auf. Und sie opfern ihre künstlerischen Ansprüche dafür, mehr Tickets zu verkaufen. Das ist eine große Herausforderung. Weil du so die ganze Zeit unter Druck stehst. Eine andere Frage ist, wie wir in dieser globalen Welt unsere eigene kulturelle Identität, unser Gesicht, bewahren können."
Dieses Gefühl der Liebe und Irrationalität, das Regisseurin Gidré Žickytė während der Roko Marškas gefühlt hat, das ist vorbei, sagt sie. Heute sieht auch sie andere, neue Herausforderungen für die litauische Gesellschaft. Trotzdem sagt sie, ist es gut sich an die Zeit der Revolution zu erinnern: "Die Probleme, die wir heute haben sind so klein im Vergleich zu den Sowjetischen Zeiten. Wir müssen diese Freiheit wertschätzen. Und wir dürfen nicht vergessen, dass Freiheit etwas ist, das wir jeder Zeit wieder verlieren können."
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