Starkregen

Wie sich Städte wappnen

Ein Auto fährt in Oranienburg in Brandenburg über eine nach Starkregen völlig überflutete Kreuzung während Fußgänger durch das Wasser waten, aufgenommen 2017.
Starkregen-Ereignisse werden gar nicht unbedingt häufiger auftreten, aber extremer ausfallen, meinen Experten. © pa/H.Treichel/dpa
Von Alexander Budde · 13.12.2018
Forscher sagen für Deutschland langfristig trockenere Sommer mit steigenden Temperaturen voraus – und ein deutlich höheres Schadensrisiko bei Starkregen. Mit Computersimulationen versuchen Städte dem vorzubeugen.
"So, hier vorne kommen wir praktisch schon an die erste Stelle, hier ist nämlich schon der erste Durchlass…"
Unauffällig sind die Starkregen-Brennpunkte, die Jens Böther zwingend im Blick hat. Sie liegen entlang der Abflussachse der Bruchwetter, die sich als schmaler Graben einmal quer durch Bleckede schlängelt.
"In Friedenszeiten ist dieses wirklich ein kleiner, unscheinbarer Bach – der aber dann, wenn Starkregen niedergeht, sehr schnell das ganze Wasser aus dem Stadtgebiet aufnehmen muss."
Wenn alles gut läuft, gibt das Flüsschen das Regenwasser aus der Kanalisation an die Elbe ab. Die bedeutsame Funktion der Bruchwetter als so genannter Vorfluter ist für das ungeschulte Auge nicht erkennbar, erläutert Böther. Er ist der Bürgermeister der rund 10.000 Einwohner zählenden Gemeinde in der niedersächsischen Elbtalaue.
"Genau das ist die Gefahr: Ja, es ist Regen angesagt, und auch, ja, stärkere Regenfälle – aber oftmals sind das ja sehr lokale, sehr kurzzeitige Ereignisse. Wenn die 500 Meter weiter auf Wiesen und Äckern niedergehen, interessieren die irgendwie gar keinen. Wenn sie aber genau das Stadtzentrum treffen, dann haben wir den Salat!"
Fünf Mal schon hat Starkregen die kleine Elbe-Stadt in den vergangenen zwei Jahren heimgesucht. Mit dem Begriff beschreiben Wissenschaftler Regenmengen ab 25 Liter pro Stunde auf einem Quadratmeter.

Städte arbeiten mit Beratern zusammen

Reissende Fluten wie im Gebirge müssen die Bewohner bei höchstens einem Meter Höhenunterschied im gesamten Stadtgebiet nicht fürchten. Das Regenwasser staut sich aber zurück, wo es nicht problemlos abfließen kann. Die Folge sind immense Schäden:
"Die Feuerwehr ist im Einsatz, pumpt Keller aus, oder versucht, die Gullis freizukriegen, damit das Wasser von den Straßen kommt. Wir hatten aber auch schon das Problem, dass eben uns auch ´ne ganze Ackerkrume in die Kanalisation gespült wurde, und die proppevoll war mit Sand, und das Wasser natürlich dann woanders lang musste, und nicht mehr durch die eigentlichen Rohre."
Markus Groth ist Berater beim Climate Service Center Germany, kurz: GERICS. 2009 von der Bundesregierung gegründet, ist die Einrichtung jetzt Teil des Helmholtz-Zentrum Geesthacht. Rund 50 Natur- und Geisteswissenschaftler, sowie Ökonomen und Architekten arbeiten für das Zentrum. Im Dialog mit Entscheidungsträgern in Städten und Unternehmen sollen sie neuartige Ansätze zur Anpassung an die Folgen des Klimawandels entwickeln.
Groth und seine Forscherkollegen sagen für Deutschland langfristig trockenere Sommer mit steigenden Temperaturen voraus – und in Zukunft ein deutlich höheres Schadensrisiko bei Starkregen:
"Was wir noch nicht zeigen können, ist, wo genau Starkregen-Ereignisse runterkommen werden. Was wir aber ableiten können, ist, dadurch, dass wir über das Jahr gesehen mehr Niederschlag erwarten, die Sommer aber trockener werden, der Niederschlag sozusagen in kürzeren Zeiträumen herunterkommen wird. Was auch zu erwarten ist, dass wenn es zu Starkregen-Ereignissen kommt, dass die gar nicht unbedingt häufiger auftreten, aber extremer auftreten werden."
Mit Hilfe von Luftbildern bauten die Wissenschaftler die Stadt mit ihrem Höhenprofil detailgetreu am Computer nach. Im Modell ließen sie Bleckede anschließend mit umgerechnet 60 Litern Wasser pro Quadratmeter volllaufen.
"Hier geht die Bruchwetter lang und hier sind Supermarktparkplätze, die eben auch sehr versiegelt sind und abschüssig nach hier sind …" / "Für uns ist natürlich so ’ne eher flachere Region interessant, weil auch so ’ne flache Region kann natürlich Senken haben, die man normalerweise nicht sieht…"

Simulationen sagen Brennpunkte voraus

Am GERICS-Sitz in Hamburg diskutiert Groth mit seinem Kollegen, dem Hydrogeologen Steffen Bende, über die Erkenntnisse. Die Forscher glichen ihre Daten mit den Einsatzprotokollen der Freiwilligen Feuerwehr und einer Anwohner-Befragung ab.
In der Simulation sammelt sich das Wasser in Bereichen, wo es tatsächlich schon Erfahrungen mit Überflutungen gibt. Die auch gewerblich genutzte Industriestraße in der Innenstadt ist ein solcher Brennpunkt, wo sich das Wasser bei heftigen Unwettern knöchelhoch staut. Sintflutartig prasselt das Regenwasser auf die Supermarkt-Parkplätze gegenüber der Häuserzeile, mit den Straßen-Gullis läuft auch das nahe Rückhaltebecken über.
Die Stadt lässt Gräben freischneiden, Rohre reinigen, Sandfänge installieren. Ein weiterer Ausfluss des Präventions-Projekts ist der Info-Flyer. Das Flugblatt soll Grundstückseigentümer darüber aufklären, wo Gefahren lauern – und was jeder Einzelne dagegen tun kann. Groth empfiehlt…
"…mal durchzuprüfen, gibt´s Eintrittswege von Wasser in mein Haus. Es gibt eine Zeichnung im Querschnitt, wo so klassische Probleme sind, dass wir zum Beispiel Lichtschächte, Kellerfenster nicht entsprechend gesichert haben. Auch das Thema Grundhochwasser ist ein großes Problem. Es gibt Rückstauklappen, die nicht in allen Häusern verbaut sind."
Bürgermeister Böther sagt, er wolle aber nicht nur an Symptomen herumdoktern, sondern über die Ursachen des Übels aufklären. Der Schutz vor Starkregen, sagt er, fängt nicht erst vor der Haustür an. Er pocht auf das Baurecht: Hauseigentümer müssen auch selbst aktiv werden gegen den Starkregen.
"Es ist nicht nur der öffentliche Bereich, es sind auch die privaten Grundstücke, auf denen ja erstmal das Wasser auch niedergeht. Dort ’ne kleine Regenrinne einzubauen und das Wasser mit einem Drainagerohr hinten auf´s Grundstück zu führen, das hilft schon."
Die Simulation zeigt: Auch am Stadtrand, wo Bleckede gerade um 100 neue Wohneinheiten wächst, wird sich das Wasser stauen, sobald das Ackerland versiegelt ist. Die Forscher empfehlen, auf einer städtischen Wiese vor dem Neubaugebiet ein Rückhaltebecken anzulegen. Böther sagt, das Präventionsprojekt hat alle Beteiligten für das Thema sensibilisiert.
"Wenn man weiß, was Tiefbau-Maßnahmen kosten, die dann im Regelfall irgendwo angeschoben werden müssen, dann ist das schon immer auch ’ne Hürde. Und wenn man gerade ’nen Kindergarten bauen muss, oder ein Rohr verlegen muss, dann entscheidet man sich vielleicht doch noch mal eher für den Kindergarten. Uns hat das wirklich auch geholfen, es hat im Endeffekt den ganzen Stadtrat für das Thema auch offen gemacht. Und ich glaube auch, dass dieser Klimawandel ein Thema sein wird, mit dem sich eigentlich vielmehr Kommunen zukünftig auseinandersetzen müssen."
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