Starke Frauen
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs war das vorläufige Ende der Friedensbewegung in Europa. Selbst engagierte Pazifisten verstummten jetzt aus Überzeugung: da es nun einmal zum Krieg gekommen sei, habe der nationale Schulterschluss Vorrang. Andere wurden mundtot gemacht. Dennoch gab es im ersten Kriegsjahr eine spektakuläre Aktion, initiiert von Frauenrechtlerinnen im neutralen Holland.
"Mit Trauer im Herzen stehen wir hier vereint [...] Wir wollen es nicht dulden, daß in diesem 20. Jahrhundert der Zivilisation alle Kultur, aller Fortschritt der Wissenschaft weiter nur dazu dienen soll, die Methoden des Tötens und Zerstörens zu verbessern. [...] Wir Frauen aber wissen nur zu gut, daß, was immer der Krieg bringen mag, er nicht das Blut und die Tränen aufzuwiegen vermag, die Leiden, die Todesangst und Verzweiflung, die er gekostet hat."
Mit diesen Worten begrüßte die niederländische Ärztin Aletta Jacobs die Teilnehmerinnen des Frauenfriedenskongresses, den sie mitten im Krieg organisiert hatte. Vom 28. bis 30. April 1915 fand er in Den Haag statt, wenige Tage nach dem ersten Giftgaseinsatz der deutschen Armee und dem Kriegseintritt Italiens. Die meisten Frauen waren unter großen Schwierigkeiten angereist. Die Schweiz und England hatten Pässe verweigert, von hundertachtzig angemeldeten Engländerinnen konnten nur drei teilnehmen. Vier Belgierinnen wurden, trotz ihrer deutschen Militärpässe, bis auf die Haut durchsucht. Die Amerikanerinnen nahmen das Risiko deutscher U-Boot-Angriffe in Kauf. Dennoch kamen in Den Haag mehr als eintausendzweihundert Frauen aus zwölf Nationen zusammen.
"Nur eine italienische Delegierte war durchgekommen, aber Delegierte aus Polen, Südafrika und Kanada waren da,"
berichtete die amerikanische Journalistin Mary Heaton Vorse. Auch in der Frauenbewegung betrachteten viele eine pazifistische Demonstration während des Krieges als Verrat. Der Bund deutscher Frauenvereine distanzierte sich ausdrücklich davon, und keine einzige Französin kam nach Den Haag. Die Teilnehmerinnen befürchteten Konflikte zwischen Angehörigen der kriegführenden Staaten, dazu kam es jedoch nicht. Die Atmosphäre beschrieb Mary Heaton Vorse:
"Ich hatte lauteren Protest und einen revolutionäreren Geist erwartet von Frauen, deren bloße Anwesenheit ein revolutionärer Akt war und die eine Resolution von revolutionärer Natur nach der anderen verabschiedeten. Stattdessen herrschte ein Geist schrecklichen Erduldens, wie er von Schmerz, Furcht und Anspannung hervorgebracht wird. Ein Geist, mit dem ich vertraut war, denn ich hatte in einem Fischerdorf gelebt und ich kannte die steinerne Ruhe von Frauen bei einem Sturm, wenn ihre Männer auf See waren."
Doch mit ihren Forderungen waren die Frauen ihrer Zeit weit voraus. Sie verlangten einen sofortigen Vermittlungsversuch der neutralen Staaten und einen Frieden ohne Annexionen. Zur langfristigen Friedenssicherung sollten ein ständiger internationaler Gerichtshof und eine internationale Organisation als Vermittlungsinstanz geschaffen werden. Weitere Resolutionen bezogen sich auf die Kontrolle des Waffenhandels und eine neue Weltwirtschaftsordnung. Sie protestierten gegen Massenvergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung und forderten Friedenserziehung für die Jugend. Eine unmittelbare Wirkung erwarteten sie allerdings nicht. Die österreichische Schriftstellerin Rosa Mayreder:
"Niemand, der die gegenwärtige Weltlage kennt, konnte sich auch nur der leisesten Hoffnung auf solche praktischen Resultate hingeben."
Dennoch reisten nach dem Kongress zwei Delegationen durch Europas Hauptstädte, um die Resolutionen persönlich zu übergeben. Sie waren zwei Monate unterwegs, wurden von Regierungsvertretern von dreizehn Staaten empfangen und hatten eine Audienz beim Papst. Die meisten Gespräche verliefen so, wie die Amerikanerin Emily Greene Balch aus Kopenhagen meldete:
"Wir wurden sehr förmlich empfangen. Man sagte uns, dass nur zwei von uns sprechen dürften und dass man uns eine schriftliche Erwiderung übergeben würde. Diese war natürlich in den allgemeinsten Worten gehalten. Unter dem Strich – wir wurden offiziell anerkannt, und unsere Argumente haben vielleicht etwas Sympathie mit unseren Ideen erzeugt."
In Deutschland durften die Haager Resolutionen nicht verbreitet werden. Die Kongressvorsitzende Jane Addams, eine amerikanische Sozialreformerin, wurde nach dem Kriegseintritt der USA als gefährlichste Frau der Nation bezeichnet. Die Professorin Emily Greene Balch verlor ihre Stelle. Doch das auf dem Kongress gegründete "Internationale Frauenkomitee für dauernden Frieden" baute Netzwerke in vielen Ländern auf. Als "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit" hat es heute beratenden Status bei den Vereinten Nationen. Jane Addams erhielt 1931 den Friedensnobelpreis, Emily Greene Balch 1946.
Mit diesen Worten begrüßte die niederländische Ärztin Aletta Jacobs die Teilnehmerinnen des Frauenfriedenskongresses, den sie mitten im Krieg organisiert hatte. Vom 28. bis 30. April 1915 fand er in Den Haag statt, wenige Tage nach dem ersten Giftgaseinsatz der deutschen Armee und dem Kriegseintritt Italiens. Die meisten Frauen waren unter großen Schwierigkeiten angereist. Die Schweiz und England hatten Pässe verweigert, von hundertachtzig angemeldeten Engländerinnen konnten nur drei teilnehmen. Vier Belgierinnen wurden, trotz ihrer deutschen Militärpässe, bis auf die Haut durchsucht. Die Amerikanerinnen nahmen das Risiko deutscher U-Boot-Angriffe in Kauf. Dennoch kamen in Den Haag mehr als eintausendzweihundert Frauen aus zwölf Nationen zusammen.
"Nur eine italienische Delegierte war durchgekommen, aber Delegierte aus Polen, Südafrika und Kanada waren da,"
berichtete die amerikanische Journalistin Mary Heaton Vorse. Auch in der Frauenbewegung betrachteten viele eine pazifistische Demonstration während des Krieges als Verrat. Der Bund deutscher Frauenvereine distanzierte sich ausdrücklich davon, und keine einzige Französin kam nach Den Haag. Die Teilnehmerinnen befürchteten Konflikte zwischen Angehörigen der kriegführenden Staaten, dazu kam es jedoch nicht. Die Atmosphäre beschrieb Mary Heaton Vorse:
"Ich hatte lauteren Protest und einen revolutionäreren Geist erwartet von Frauen, deren bloße Anwesenheit ein revolutionärer Akt war und die eine Resolution von revolutionärer Natur nach der anderen verabschiedeten. Stattdessen herrschte ein Geist schrecklichen Erduldens, wie er von Schmerz, Furcht und Anspannung hervorgebracht wird. Ein Geist, mit dem ich vertraut war, denn ich hatte in einem Fischerdorf gelebt und ich kannte die steinerne Ruhe von Frauen bei einem Sturm, wenn ihre Männer auf See waren."
Doch mit ihren Forderungen waren die Frauen ihrer Zeit weit voraus. Sie verlangten einen sofortigen Vermittlungsversuch der neutralen Staaten und einen Frieden ohne Annexionen. Zur langfristigen Friedenssicherung sollten ein ständiger internationaler Gerichtshof und eine internationale Organisation als Vermittlungsinstanz geschaffen werden. Weitere Resolutionen bezogen sich auf die Kontrolle des Waffenhandels und eine neue Weltwirtschaftsordnung. Sie protestierten gegen Massenvergewaltigungen als Mittel der Kriegsführung und forderten Friedenserziehung für die Jugend. Eine unmittelbare Wirkung erwarteten sie allerdings nicht. Die österreichische Schriftstellerin Rosa Mayreder:
"Niemand, der die gegenwärtige Weltlage kennt, konnte sich auch nur der leisesten Hoffnung auf solche praktischen Resultate hingeben."
Dennoch reisten nach dem Kongress zwei Delegationen durch Europas Hauptstädte, um die Resolutionen persönlich zu übergeben. Sie waren zwei Monate unterwegs, wurden von Regierungsvertretern von dreizehn Staaten empfangen und hatten eine Audienz beim Papst. Die meisten Gespräche verliefen so, wie die Amerikanerin Emily Greene Balch aus Kopenhagen meldete:
"Wir wurden sehr förmlich empfangen. Man sagte uns, dass nur zwei von uns sprechen dürften und dass man uns eine schriftliche Erwiderung übergeben würde. Diese war natürlich in den allgemeinsten Worten gehalten. Unter dem Strich – wir wurden offiziell anerkannt, und unsere Argumente haben vielleicht etwas Sympathie mit unseren Ideen erzeugt."
In Deutschland durften die Haager Resolutionen nicht verbreitet werden. Die Kongressvorsitzende Jane Addams, eine amerikanische Sozialreformerin, wurde nach dem Kriegseintritt der USA als gefährlichste Frau der Nation bezeichnet. Die Professorin Emily Greene Balch verlor ihre Stelle. Doch das auf dem Kongress gegründete "Internationale Frauenkomitee für dauernden Frieden" baute Netzwerke in vielen Ländern auf. Als "Internationale Frauenliga für Frieden und Freiheit" hat es heute beratenden Status bei den Vereinten Nationen. Jane Addams erhielt 1931 den Friedensnobelpreis, Emily Greene Balch 1946.