Starke Frau mit sanfter Stimme

Von Britta Kuntoff · 29.03.2011
Die Berliner Musikerin hat die "Lassie Singers" mitbegründet und war lange Zeit Frontfrau bei "Britta". Nach acht Alben mit den beiden Bands hat sie ihr jetzt ihr Solo-Debüt herausgebracht.
Musik: "Ich muss immer an dich denken, und ich weiß gar nicht warum, ich denk vorwärts in die Zukunft, rückwärts zur Erinnerung."

Christiane Rösinger: "Es sind ja nun eben meistens die Dinge, die einen schmerzen oder wehtun oder nicht gefallen, über die man dann Lieder schreibt."

Musik: "Ich muss immer an dich denken, und das macht mich ganz verrückt. Ich denk im Kreis und um die Ecke, denk dich in Scheiben und am Stück."

Christiane Rösinger hat die traurigste Platte aller Zeiten gemacht. Massenhaft Liebeskummer steckt im neuen Album "Songs of L. And Hate". Die Krise nach ihrer letzten Trennung hat die Berliner Musikerin überwunden. Weil sie gern unter Leuten ist, treffen wir uns in einer ihrer Kreuzberger Lieblingskneipen:

"Und dann hab ich gedacht, ich mach' da jetzt einfach 'ne Platte drüber. Das wird dann meine Selbsttherapie. Meine Rache, das sind die Lieder."

Ein bürotaugliches Business-Outfit würde auch gar nicht zu der Songwriterin passen. Jeans und Sweatshirt, kein Schnickschnack. Wie in ihren Liedern.

Musik: "Ich denke, denke, denk an dich jetzt schon ein ganzes Jahr."

Christiane Rösinger hat 1988 zuerst die Lassie Singers und nach deren Auflösung die Band Britta gegründet. "Geh in den Keller und reiß dich zusammen" oder "Pärchen verpisst Euch, keiner vermisst Euch": Titel, die zu Indierock-Slogans geworden sind.
Christiane Rösinger: "Ich war immer auf dem Acker. Im Sommer jeden Tag, im Winter weniger."

Aufgewachsen ist Christiane Rösinger als jüngstes von drei Kindern in dem Städtchen Hügelsheim in Baden. Die Eltern hatten einen kleinen Bauernhof. Schon mit vier Jahren fühlt sie sich für die Unterhaltung zuständig.

Christiane Rösinger: "Ich hatte schon als Kind einen großen Willen zum Entertainment. So kam es halt, dass ich jeden Tag, wenn wir auf dem Kartoffelacker oder auf dem Karottenfeld waren, dann immer entweder die Karotte oder die Kartoffel genommen hab' als Mikrofon und hab' dann so performt. Und ich hatte immer nur ein Lied, das hieß 'Downtown' von Petula Clark. Kinder lieben ja die Widerholung. Weil ich das dann aber stundenlang weitergemacht hab', bis die dann angefangen haben: 'Hör' jetzt endlich auf! Du raubst uns den letzten Nerv!'"

Weil es die Eltern wollen, macht Christiane Rösinger eine Buchhändlerlehre. Mit neunzehn wird sie schwanger.

Christiane Rösinger: "Das war glaube ich das unglücklichste Jahr meines Lebens. Da habe ich wirklich gedacht, so, jetzt hock ich hier mit dem Kind auf dem Land, ich komm nie mehr da weg."

Schließlich packt sie ihre Koffer und zieht mit ihrer Tochter nach Berlin, besucht das Abendgymnasium und studiert Germanistik. Der Traum vom Musikmachen wird wahr. Dem Stadtteil Kreuzberg ist Christiane Rösinger seitdem treu geblieben.

Christiane Rösinger: "Also, ich wohn in der gleichen Wohnung seit 28 Jahren, ich schäm' mich schon dafür, dass ich nie umgezogen bin."

Drei Zimmer, in die nur die Tochter und der Kater einziehen durften. Beziehungen müssen leider draußen bleiben:

Christiane Rösinger: "Das Zusammenwohnen, das ist doch gleich der Tod von allem. Die Gewohnheit. Da versackt man dann auf dem Sofa. Liebe ist ja viel mehr, als jetzt zu zweit einfach nur aufeinander zu hocken. Es funktioniert nicht und führt meistens zu Unheil."

Musik´: "Liebe wird oft überbewertet, Liebe ist nicht so richtig wie man denkt, Liebe ist nur ein Teilaspekt des Lebens."

Für die bekennende Paar-Kritikerin ist eine Liebesbeziehung nicht mehr als ein wackeliges Konstrukt.

Christiane Rösinger: "Das geht ja dann schnell wieder vorbei."

Und trotzdem:

Christiane Rösinger: "Ich bin ja auch weltlichen Genüssen sehr zugeneigt, da müsste man schon sehr stark sein. Wenn einen dann so eine Woge erfasst, dann macht man halt mit."

Musik: "Es ist das alte Spiel und eine Frage der Zeit, auf all den Kummer folgt bald Hass und Verachtung und ein kleines Lied, das bleibt."

Die Ausgeh-Spezialistin und Mitbestreiterin der Kneipe Flittchenbar ist im letzten Jahr Großmutter geworden. Mindestens einmal in der Woche hütet sie den kleinen Enkelsohn. Oma mit fünfzig:

Christiane Rösinger: "Wenn man dann fünfzig ist, kann man sagen, ich bin jetzt definitiv nicht mehr jung. Fünfzig, das ist jetzt schon so jenseits. Und es ist gleichzeitig auch eine Befreiung."

Auch wenn es mit den Lassie Singers Anfang der 90er-Jahre eine Zeitlang danach aussah – mit Musik alleine kann Rösinger ihr Leben nicht finanzieren. Neben dem Musikmachen arbeitet sie als freie Journalistin, veröffentlichte 2008 ihre Autobiografie "Das schöne Leben" und hat eine wöchentliche Radiokolumne.

Christiane Rösinger: "Was auch ein Vorteil des Alters ist, früher hab' ich manchmal so gegrübelt, wenn ich nicht schlafen konnte. Und das hat ein bisschen nachgelassen, ich weiß gar nicht wie. Aber auch so durch die Gewissheit, ich hab mich jetzt mein Leben lang so durchgeschlagen. Es wird auch jetzt gehen, es wird auch jetzt weitergehen."

Und das tut es. Gerade arbeitet die Autorin an einem neuen Buch. Thema: Der Stellenwert der Liebe. Eine Lektüre, die sich wahrscheinlich besser denen empfiehlt, die gerade NICHT verliebt sind.

Tourdaten:
30.03.2011 Wien, Flex
31.03.2011 Salzburg, ARGE Kultur
09.06.2011 Berlin, Kulturbrauerei
20.06.2011 Nürnberg, MUZ Club
21.06.2011 Frankfurt, Brotfabrik
22.06.2011 Mainz, Kammerspiele
23.06.2011 Hannover, Schauspielhaus
02.09.2011 Dresden, Sound of Bronkow Festival