Stargeiger Oleg Kagan: Historisches Konzert 1968

Mit Brahms Berlin verblüffen

Ein Bogen spielt auf den Saiten einer Geige so schnell, dass er ganz verschwommen auf dem Foto zu sehen ist.
Das hochvirtuose Violinkonzert von Johannes Brahms entstand für den besten Geiger der Zeit. © imago / Panthermedia / TongRo ASIA
Moderation: Stefan Lang · 15.07.2021
Oleg Kagan war der berühmteste russische Geiger nach seinem Lehrer David Oistrach. 1968 war Kagan mitten im Karriereaufstieg, gerade hatte er den Leipziger Bach-Wettbewerb gewonnen. Die Orchester suchten ihn als Solisten: So spielte er Brahms in Berlin.
1968 war Oleg Kagan gerade 22 Jahre alt. Sein musikalisches Talent hatte Lehrer, Hochschulen und schließlich wichtige Wettbewerbsjurys überzeugt. So hatte der junge Geiger, der in Moskau bei David Oistrach studierte, bereits den Sibelius-Wettbewerb gewonnen und höchst erfolgreich beim Tschaikowsky-Wettbewerb teilgenommen.
1968 entsendete ihn Moskau nach Leipzig, wo er den Internationalen Bach-Wettbewerb für sich entschied. Die Augen der Welt waren auf Leipzig gerichtet, die Stadt stand durch den Abriss der Universitätskirche in der Kritik. So war die Aufmerksamkeit in diesem Jahr für die Musiker besonders hoch.
Schwarz-weiß-Fotografie des Geigers Oleg Kagan, der gerade seine Violine spielt.
Oleg Kagan erlebte eine steile Karriere, die jäh durch Krankheit beendet wurde. Mit 43 Jahren spielte er sein letztes Konzert und starb nur wenig später.© www.imago-images.de
David Oistrach war zuerst Kagans Lehrer, dann sein Freund und Kammermusikpartner. Oistrach integrierte ihn in seinen Zirkel, wo Kagan auch auf den legendären Pianisten Swjatoslav Richter stieß. In diesem Kreis bewegte sich der Geiger zusammen mit seiner ersten Frau, der ebenso aufstrebenden Pianistin Elisabeth Leonskaja.
Wer Preise für die UdSSR bei Wettbewerben gewann, dem öffnete sich eine Tür für internationale Auftritte, so auch für Oleg Kagan. Nach der Auszeichnung in Leipzig spielte er nur wenige Monate später in Berlin, beim Rundfunk-Sinfonieorchester, damals in Ost-Berlin ansässig. Sein Spiel faszinierte die Hörer 1968 und begeistert auch heute noch: Nachdem Geiger und Orchester nach den ersten Takten zusammengefunden haben, entspinnt sich ein fulminantes Spiel voller Lebensfreude und Virtuosität.Das Konzert fand im Berliner Metropol-Theater statt, das damals eine regelmäßige Spielstätte des Orchesters war. Am Pult des Orchesters stand der Dirigent Rolf Kleinert.

Retter des Rundfunk-Sinfonieorchesters

1911 in Dresden geboren, kam Kleinert 1952 nach Berlin und wurde 1959 Generalmusikdirektor des Orchesters. Er meisterte schwierige Zeiten, denn nach dem Mauerbau am 13. August 1961 hatte der Klangkörper etwa ein Drittel des Stammpersonals verloren, meist die Spitzenmusiker, die in Westberlin beim Radio-Symphonieorchester des RIAS oder auch bei den Philharmonikern weiterspielten. Das Orchester stand fast vor der Auflösung, auch weil man zusätzlich Musiker zugunsten der ebenso gelichteten Staatskapelle und des Städtischen Orchesters umbesetzte.
Blasse historische Fotografie aus dem Jahr 1961 vom Platz vor dem Brandenburger Tor, auf dem ein Wachhäuschen platziert ist.
Die Sektorengrenzen, hier 1961 vor dem Brandenburger Tor, sollten nach dem Mauerbau "Schnittlinien" für die Orchesterbesetzungen werden.© imago / Gerhard Leber
Rolf Kleinert hat sich dann als Pragmatiker in der Krise erwiesen. Mithilfe des Komponisten Hanns Eisler konnte er Studierende anwerben und Musiker aus dem restlichen Staatsgebiet nach Berlin locken.
Historische Konzerte
Aufzeichnung vom 11. November 1968 im Metropol-Theater, Berlin
Ludwig van Beethoven
Leonoren-Ouvertüre Nr. 3 C-Dur op. 72
Johannes Brahms
Konzert für Violine und Orchester D-Dur op. 77
Witold Lutoslawski
Konzert für Orchester

Oleg Kagan, Violine
Rundfunk-Sinfonieorchester Berlin
Leitung: Rolf Kleinert

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