Ständige Sicherheitsratsmitglieder ohne Vetorecht

Marie Sagenschneider |
<strong>Sagenschneider:</strong> Frau Nolte, das hat ja erst mal viel Zuspruch erfahren, was Kofi Annan gestern präsentiert hat. Sind Sie auch zufrieden?
Nolte: Ich finde es eine unglaublich gute Analyse der derzeitigen Situation, auf der sehr sauber herausgearbeitet wird, in welcher Weise sich die UN reformieren sollte und warum sie sich reformieren sollte. Ich war von dem Bericht sehr angetan.

Sagenschneider: Was den erweiterten Sicherheitsrat anbelangt, also von jetzt 15 auf 24 Sitze in welcher Variante nun auch immer, welche Variante würden Sie sich denn wünschen?

Nolte: Also beide Variante gehen ja davon aus, dass keine neuen Vetorechte dazu kommen. Von daher schaffen beide Varianten eine dritte Klasse innerhalb des VN-Sicherheitsrats, was sicherlich nicht so günstig ist, sondern eher dem Pragmatismus geschuldet, dass es wohl nicht so sehr wahrscheinlich ist, dass die jetzigen Vetomächte bereit wären, etwas am Veto zu verändern und es zu erweitern. Aber wenn man jetzt von diesen Varianten ausgeht, denke ich, käme nur Variante A in Frage, das heißt, die Erweiterung um sechs ständige Mitglieder und drei nicht ständige. Die andere Variante, wo man eine neue Zeitform schafft, wo man für vier Jahre gewählt werden kann, wenn auch mit Wiederwahlmöglichkeiten, wird eine noch klarere Klassifizierung schaffen, die, glaube ich, der Sache nicht gut täte.

Sagenschneider: Die Vetomächte sind USA, Russland, Frankreich, Großbritannien und China. Wenn ich Sie richtig verstanden habe, dann kritisieren Sie, dass es sozusagen keine neuen Vetomächte geben soll, weil es ja im Grunde auch bei der alten Ordnung bleibt, die ja eigentlich die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg abbildet?

Nolte: Also ich gebe zu, dass es nicht ganz so einfach zu beantworten ist. Immerhin muss man sagen, ein Veto dient ja weniger der Gestaltung von VN-Politik, sondern es ist mehr eine Notbremse, um eine Sache zu verhindern. Ich halte es für richtig, dass man, gerade wenn man das Sicherheitsgremium erweitert, trotz allem handlungsfähig bleibt, dass man konstruktiv an Themen arbeitet und versucht nach Lösungen zu finden. Dann ist es nicht unbedingt hilfreich, die Zahl derjenigen, die als alleinige Staaten dort ein Veto einlegen können, zu erweitern. Andrerseits, unbestritten, schafft das natürlich auch ein Gewicht, wenn ich ein Vetorecht habe, und ständige Sicherheitsratsmitglieder mit unterschiedlichem Gewicht zu haben, ist natürlich auch problematisch.

Sagenschneider: Die Bundesregierung sieht sich durch diese Vorschläge von Kofi Annan bestätigt in ihrem Anliegen, einen ständigen Sitz für Deutschland im Sicherheitsrat zu bekommen. Ist es tatsächlich wahrscheinlicher geworden?

Nolte: Ich finde, von der Vorlage des Berichtes des Generalsekretärs allein kann man das noch gar nicht sagen. Am Ende wird die Generalversammlung entscheiden müssen, das heißt, es hängt sehr stark von den Verhandlungen zwischen den Staats- und Regierungschefs ab. Kofi Annan hat ja klugerweise selber keine Vorgaben gemacht, sondern darauf gedrängt, dass die Generalversammlung selber entscheidet und, wenn es geht, schon vor September ein Kompromiss gefunden wird. Allerdings hat er auch deutlich gemacht, selbst ohne Kompromiss möchte er gerne eine Beschlussfassung herbeiführen. Das heißt, es kommt wirklich darauf an, wie agiert wird, dass man die Mehrheit für sein Anliegen bekommt. Ich empfinde, dass das Auftreten in der Vergangenheit der Bundesregierung nicht immer förderlich war. Also zum einen macht der Ton der Musik, und es ist wirklich die Frage, in welcher Weise ich auftrete und für mein Anliegen werbe. Wir haben durch die Art und Weise der Werbung den einen oder anderen, den wir vielleicht brauchen könnten, auch vor den Kopf gestoßen. Zum anderen, finde ich, müsste die Bundesregierung auch klarer erklären, womit sie diesen Wunsch begründet und wofür sie diesen Sicherheitsratssitz anstrebt. Auch das finde ich wichtig, denn ein Sitz im Sicherheitsrat bedeutet eigentlich dann auch, mehr Verantwortung mit zu tragen, und ich denke, das muss hier auch deutlich kommuniziert werden.

Sagenschneider: Kommen wir zum zweiten zentralen Anliegen Kofi Annans, nämlich die Menschenrechtskommission zu verkleinern, nur noch Vertreter von Staaten dort hineinzuberufen, die keine Menschenrechtsverletzungen begehen und das Gremium eben damit doch aufzuwerten. Das ist natürlich ein ehrenvolles Anliegen, aber wird es auch durchzusetzen sein?

Nolte: Also, isoliert betrachtet, gäbe es eine ganze Menge an Widerständen, weil eben eine Reihe von Ländern nicht so ein großes Interesse hat, dass die Menschenrechtskommission, so wie heute das Gremium noch heißt, allzu genau hinschaut, was in diesen Ländern vorgeht. Allerdings ist der Vorschlag von Kofi Annan ein Gesamtpaket, und ich denke, als solches muss man es auch betrachten. Er wirbt ja sehr für die Vielzahl an Vorschlägen, die er macht, für eine Verbesserung der Mechanismen der Vereinten Nationen, aber auch der Autorität von einzelnen Gremien neben dem Sicherheitsrat. Er sagt auch ganz klar, die Generalversammlung selber muss in ihrer Wertigkeit wieder angemessen verstärkt werden, und dann eben diesen wichtigen Punkt. Ich finde, es gibt dafür sehr gute Argumente, schon allein die Charta der Vereinten Nationen, also bei der Gründung war ein ganz entscheidender Punkt Achtung und Einhaltung der Menschenrechte. Dieser Punkt ist immer mehr zu Gunsten der Haltung der Souveränität der Staaten zurückgetreten. Von daher fände ich sehr gut, wenn man an diesem Punkt ein Erfolg schaffen könnte und die Menschenrechtskommission aufwerten könnte.

Sagenschneider: Ich danke Ihnen für das Gespräch.