Städte heizen sich auf

Hamburger Forscher suchen Abkühlmethoden

06:14 Minuten
Zwei künstliche Palmen stehen im rötlichen Abendlicht am Hamburger Hafen.
Südseestimmung am Hamburger Hafen: Die Städte werden heißer. Das Projekt Blue-Green-Streets erforscht Methoden, um den Temperaturanstieg abzumildern. © imago images / Panthermedia
Von Axel Schröder · 13.08.2020
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In einem Forschungsprojekt an der Hamburger Hafencity Universität wird Regenwasser systematisch genutzt, um Bäume am Leben zu halten und so den Stadtraum abzukühlen. Denn bislang läuft das Wasser oft einfach ungenutzt in die Kanalisation.
Bei 32 Grad im Schatten macht sich Wolfgang Dickhaut auf den Weg nach Hamburg-Harburg. Dickhaut ist Professor an der Hafencity Universität und erforscht, wie die Großstadt sich auf den fortschreitenden Klimawandel vorbereitet und wie die Stadt gekühlt werden kann.

Baumbewässerung mit Tanklaster

Dass sich auch in Hamburg die Temperaturen ändern, zeigt schon der Trecker am Straßenrand mit angehängtem Wassertank. "Der Tanklaster, der pumpt sich aus den Trinkwasserleitungen hier aus dem Hydranten Wasser in seinen Tank, um dann in der Hafencity rumzufahren und die Bäume mechanisch zu bewässern durch die Spritze, die er vorn am Trecker hat. Jeder Baum bekommt alle zwei Tage Wasser."
Und zwar sauberes Trinkwasser. Teilweise werden damit Plastiksäcke am Fuß der Bäume befüllt, die dann nach und nach die Nässe abgeben.
Dass es auch anders geht, will Dickhauts Team mit einem Projekt in Harburg, auf der Südseite der Elbe, beweisen. Möglich machen das unterirdische Wasserspeicher, die sogenannten Rigolen. Die liegen verborgen unter dem Pflaster der Harburger Fußgängerzone, direkt unter dem Wurzelwerk der weiß gekalkten, noch jungen Bäume.
"Wir haben Regenwasser von Flächen des Gebäudedachs hier nebenan angeschlossen und haben es in die Baumgrube versickern lassen", erklärt Dickhaut. "Und zusätzlich, um das Thema Trockenheit zu bedienen, und damit die Bäumen in trockeneren Wochen noch ein Wasserreservoir haben, ist unten im Bereich der Baumgrube eine große Zisterne gebaut worden, in der das Wasser gestaut wird, aus dem sich der Baum bedienen kann, wenn es nicht geregnet hat."

Nur der nachträgliche Einbau ist teuer

Die nachträgliche Installation der Technik sei sicher teuer, sagt Wolfgang Dickhaut. Aber überall dort, wo ohnehin Sanierungs- oder Verschönerungsarbeiten anstünden, seien die Mehrkosten für eine Bewässerung über unterirdische Speicher überschaubar. "Letztendlich gehe ich davon aus, dass es sich im Bereich von vielleicht zehn Prozent Mehrkosten am Ende bewegen wird. Das Material ist ein Standardmaterial. Was wir zusätzlich eingebaut haben, ist unten die Wanne und mehr ist es letztendlich nicht."
Zwei Bäume werden neuerdings über die neue Technik mit Wasser versorgt, zwei weitere dagegen nicht. So kann der Nutzen der Maßnahme am besten überprüft werden.
Auch in anderen Städten, unter anderem in Berlin und Hagen, wird die neue Technik getestet.

Doppelter Nutzen

Mehr Kühle erzeugen die Bäume auf zwei Wegen: Zum einen spenden sie Schatten, zum anderen verdunsten sie Wasser und kühlen so die Umgebung. "Wenn die Bäume Wasser haben, ergibt sich mehr Kühle in diesen Räumen. Das gehört eben zusammen. Und wenn es stimmt, dass diese Bäume dann wirklich länger mit Wasser versorgt werden, dass sie diesen Benefit auch nutzen und sich das Wasser aus unseren Reservoirs holen, dann haben sie auch im Sommer mehr Möglichkeit, Wasser zu verdunsten. So ein ausgewachsener, großer Baum verdunstet in der Größenordnung 300 Liter Wasser am Tag."
Die Harburger Baumrigolen gehören zum Projekt der sogenannten Blue-Green-Streets. Einerseits wollen die Forschenden an der Hafencity Universität damit dem Klimawandel und den steigenden Temperaturen etwas entgegensetzen, andererseits aber auch das Abwassersystem der Stadt umbauen.
Bisher wird in der stark versiegelten Stadt kühles und kostbares Regenwasser in Abwasserkanälen ungenutzt entsorgt. Und genau das soll sich ändern.

Blue-Green-Streets-Projekt

Tomke Voß arbeitet als wissenschaftliche Mitarbeiterin für das Blue-Green-Streets-Projekt. Sie steht im Park rings um die Trinitatiskirche, hundert Meter weiter rollt der Verkehr über die Hamburger Königstraße. Der Straßenzug soll demnächst umgebaut werden, eine Fahrspur wegfallen.
Auch die Häuser an der Königstraße sollen ins Projekt mit eingezogen werden, erklärt Tomke Voß: "Eine Idee ist, dass man Fassaden begrünt – und zum Beispiel auch diese Pflanzen mit Regenwasser, das zum Beispiel auf dem Gehweg anfällt, dann auch wässert."
Wenn es stark regne, stünden die Straßen voller Wasser und manchmal überflute es auch, sagt Voß. "Aber die angrenzenden Pflanzen, das Straßenbegleitgrün ist total vertrocknet und dort gelangt das Wasser nicht hin. Und wir möchten da gerne einen natürlicheren und effektiveren Kreis schließen."

Einfache Methoden gesucht

Eine Förderung für die Begrünung von Dächern und Fassaden gibt es in Hamburg bereits. Allerdings gibt es auch noch weitaus simplere und kostengünstigere Methoden, die Stadt herunterzukühlen.
"Eine etwas einfachere Variante ist, dass man Mulden vorsieht, in denen man zum Beispiel Bäume pflanzen kann", sagt Tomke Voß. "Aber auch in einer einfachen Mulde mit Grasbepflanzung kann man Wasser speichern, indem die Mulde ein bisschen vollläuft. Und aus der Mulde heraus kann es in den Boden versickern. Und während es dort steht, kann es auch verdunsten und dann wieder was für die Hitzeprävention leisten."
Das Ziel der Forschenden im Blue-Green-Streets-Projekt: Es sollen Lösungen für die Klimafolgenanpassung in dicht bebauten Städten gefunden werden, die dann auch Eingang in die Regelwerke der Stadtplaner finden. Lösungen, die ohne kostenintensive Hightech-Apparate auskommen und in möglichst vielen Städten anwendbar sind.
Dass die Hamburger auf dem richtigen Weg sind, zeigt die jüngste Auszeichnung des Projekts: Gerade erst wurde es mit Bundespreis für Stadtgrün 2020 prämiert.

Alle reden übers Wetter – wir auch. Unser Kollege Vladimir Balzer findet die Hitze super und geht die Sache relaxt an. Kollegin Nicole Dittmer findet: Zum Relaxen ist es viel zu heiß.
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