Städte bauen, Inseln erstürmen, Depressionen erfühlen

Von Marcus Richter |
In der neuesten Reihe der Städtebausimulation „Sim City“ können Spieler untereinander kommunizieren. In „Tomb Raider“ strandet Abenteurerin Lara Croft auf einer japanischen Insel. Und in „Depression Quest“ können User erfahren, wie sich eine Depression anfühlt.
Sim City – Fehlerhafter Städtebau
Den Traum vom Oberbürgermeister erfüllen sich viele Spieler seit Jahren mit den verschiedenen Ablegern der Sim City-Reihe. Wie immer bei Sim City ist der Spieler Herrscher über eine wuselige Spielzeugwelt. In einer Draufsicht kann er seine Stadt von Grund auf planen und organisieren.

Wohnviertel, Geschäfte und Industriegebiete müssen platziert werden, Feuerwehren, Polizeistationen und Krankenhäuser in allen Stadtteilen vorhanden sein. Und auch die Wasser-, Strom- und Verkehrsführung muss geplant werden. All das darf nicht zu viel kosten: Ist die Stadt pleite, ist das Spiel zu Ende.

Außerdem kann es zu Katastrophen wie Erdbeben, Wirbelstürmen und Meteoriteneinschlägen kommen – nur wer wirklich umsichtig plant, übersteht so ein Unglück. Auch der neue Teil, der einfach nur „Sim City“ heißt, macht auf diese typische Art Spaß: Die Faszination, eine eigene Stadt zum Wachsen zu bringen, funktioniert hervorragend. Zumindest am Anfang, denn der Aufbau der Stadt bringt klare Ziele. Ist das vorgegebene Gelände ausgefüllt geht es nur noch darum, die Stadt am Laufen zu halten, der spätere Spielverlauf wirkt deshalb etwas beliebig. Bis hierhin ähnelt Sim City – mal abgesehen von der besseren Grafik – den älteren Teilen.

Jetzt kommt eine neue Komponente hinzu: Interaktion mit anderen Spielern. Ressourcenaustausch, Tourismus und die gemeinsame Durchführung von Großprojekten bieten einen Anreiz, den vergangene Sim City-Teile nicht hatten. Zumindest theoretisch: Denn Anbieter Electronic Arts und Maxis waren vom Start an völlig überfordert, es kam immer wieder zu langen Wartezeiten und Fehlern im Spiel. Umso ärgerlicher, dass der Onlineanteil nicht freiwillig gespielt werden kann, sondern zwingend notwendig ist. Wer sich nicht einloggt, darf nicht spielen. Das sei anders nicht möglich, so Hersteller Maxis knapp.

Eine Aussage, an der mittlerweile berechtigte Zweifel bestehen. Hinter dem Onlinezwang scheinen andere, wahrscheinlich wirtschaftliche Interessen zu stecken. Wann die Infrastruktur im Internet – und damit das Spiel – fehlerfrei funktioniert, ist unklar. Sim City mag ein gutes Spiel für Aufbaustrategen sein – aus Verbraucherschutzsicht ist derzeit jedoch davon dringend abzuraten.

Tomb Raider – Mörderische Action mit Klettereinlagen
Auch um das Actionspiel Tomb Raider gab es im Vorfeld große Aufregung: In einer Trailerszene wird Heldin Lara Croft – so eine Art weiblicher, junger Indiana Jones – von einem Gegner in die Enge getrieben und sexuell bedrängt. Eine sexistische Darstellung, meinten Kritiker zurecht – jetzt ist das ganze Spiel erschienen.

„Hier sehen wir die bald schon berühmte Archäologin Lara Croft ganz in ihrem Element, sie sucht nach dem untergegangenen Königreich Yamatai.“

Dass die neue Lara Croft bei Wind, Schnee und Regen nichts als nur ein Spaghettiträgertop anhat, ist ein Relikt archaischer Rollenbilder – ansonsten wird die Heldin als selbstbewusste, junge, fähige Frau präsentiert – weit entfernt von der hilflosen, entführten Prinzessin oder der übersexualisierten Domina, den beiden Extremen, die sonst oft in Computerspielen zu finden sind.

„Wo lernt eine junge Lady wie du denn solche Sachen? – In der Spätschicht im 9 Bells. Gegen eine Scherbe ist so ein Wolf gar nichts. Also, ich nehme an, dass damit jemand hoch zum Funkturm soll?“

Die junge Abenteuerin Lara, gesprochen von der Schauspielerin Nora Tschirner, erlebt hier ihr erstes, großes Abenteuer, es wird also die Geschichte vor allen anderen jemals erschienen Tomb Raider-Spielen erzählt. Lara strandet mit einer Gruppe Forscher auf einer seltsamen japanischen Insel, auf der sowohl Banditen als auch seltsame, scheinbar übernatürliche Monster ihr Unwesen treiben. In den Filmsequenzen wird deutlich, wie ungewohnt, erschreckend und hart diese raue Welt und die Lebensgefahr für die Protagonistin sind. Leider steht das im krassen Kontrast zum eigentlichen Spiel.

„Ich musste einige töten, ich hatte keine Wahl! – Das war sicher nicht leicht!“

Von diesen Gewissensbissen ist nichts mehr zu merken, sobald der der Kampf beginnt. Lara erledigt routiniert eine Angreiferhorde nach der anderen mit Bogen, Pistole oder Maschinengewehr. Zwischen den Kämpfen gilt es verschiedene Kletterpassagen zu meistern, bei denen Geschicklichkeit und Reaktionsvermögen getestet werden.

„Das war knapp!“

Aber dem unglücklichen Spagat zwischen Geschichte und Spiel zum Trotz: Tomb Raider macht Spaß. Die Actionszenen sind dynamisch, spannend und herausfordernd und sehen gut aus: Der Blick von einer Hängebrücke hinunter in einen gähnenden Abgrund wirkt authentisch genug für echte Höhenangst. Egal ob dichter Dschungel, ein verlassenes japanische Dorf oder schneebedeckte Gebirgshöhen – die Tomb Raider-Kulissen sind ein echtes Erlebnis.

„Die sind faszinierend! – Ich hab das schon mal gesehen, die müssen rituell sein! – Dieses Frauenbild hier ist besonders interessant!“

Alles in allem ist Tomb Raider trotz einiger Klischeestolperfallen ein gut erzähltes und spannend inszeniertes Actionabenteuer, das zwar nicht innovativ ist, aber dafür sehr gute Unterhaltung bietet.

Depression Quest – Im Innern der Krankheit
Was ist eigentlich eine Depression? „Depression Quest“ versucht die Frage nicht zu beantworten – sondern zu zeigen, wie sich Betroffene fühlen. Es ist kein klassisches Spiel, die Macher sprechen von „Interactive Fiction“. Mit melancholischer Hintergrundmusik und in kurzen, eindrucksvollen, englischen Texten, wird beschrieben, dass selbst einfachste Aufgaben für einen an Depression erkrankten Menschen nahezu unüberwindbare Hindernisse sind. Eine Übersetzung einer Szene, in der der Protagonist versucht zu arbeiten:

„Je länger du auf deinen Computer starrst, desto gestresster, fast schon panisch wirst du. Schnell ergibst du dich deiner geistigen und körperlichen Erschöpfung und krauchst ins Bett. Bevor du einschläfst, hält dich die Enttäuschung wach, schon wieder nichts geschafft zu haben.“

Nach jeder Szene kann der Leser entscheiden, wie der Protagonist reagiert. Möglichkeiten, für die der Kranke zu depressiv ist, werden zwar angezeigt, sind aber nicht auswählbar und machen so die Hoffnungslosigkeit noch klarer.

„Depression Quest“ ist wie gesagt kein klassisches Spiel, sondern eher eine spielbare Erfahrung. Und vielleicht eine Hilfe für alle, die Depression genauer verstehen wollen, weil sie oder ihr Umfeld davon betroffen sind.


Mehr zum Thema:

„Sim City“ für Windows-PC
Hersteller: Maxis, Verlag: Electronic Arts, USK: ab 6 Jahren freigegeben, Preis: rund 60 Euro

„Tomb Raider“ für Windows-PC, Mac, XBox 360, Playstation 3
Hersteller: Crystal Dynamics, Verlag: Square Enix, USK: freigegeben ab 18 Jahren, Preis: rund 60 Euro

„Depression Quest“ für alle gängigen Browser
Autoren: Zoe Quinn, Patrick Lindsay, Isaac Schankler, USK: keine Angabe, Preis: kostenlos