Stadtrundgang

Digitaler Streifzug durch Basel

Blick am 03.08.2007 von der Wettsteibrücke über den Rhein auf den Baseler Stadtteil Grossbasel mit dem Münster der Stadt.
Die App führt durch Basel und zeigt jüdische Spuren im Stadtbild. © picture-alliance/ dpa / Thomas Eisenhuth
Von Dorothee Adrian · 10.10.2014
Die Historikerin Isabel Schlerkmann und die Archäologin Sabina Lutz haben eine App entwickelt, die Interessierte auf eine Stadttour durch Basel nimmt. Wer will, kann auf diese Weise 800 Jahre jüdische Geschichte entdecken. Und wer faul ist, muss dazu noch nicht einmal vom Sofa aufstehen.
"Wir stehen an der Ecke Gerbergasse und Grünpfahlgasse, wo sich im Mittelalter der Rindermarkt befindet."
Isabel Schlerkmann hat einen Master in "Jüdische Studien" und ist Mit-Initiatorin der App.
"Vom 13. bis Ende des 14. Jahrhunderts leben die Juden bevorzugt in dieser Gegend. Hier befinden sich Synagoge, Schule, möglicherweise das Frauenbad. Die erste jüdische Gemeinde ist spätestens seit dem späten 12. Jahrhundert nachzuweisen."
Wo heute das "Unternehmen Mitte" steht, ein großes Café- und Kulturhaus in der Basler Innenstadt, lag also einst das Zentrum des jüdischen Basels. Keine Tafel, kein Denkmal weist darauf hin.
"Ich finds eine sehr interessante Idee, gerade als Baslerin, an Stellen zu kommen wo man täglich vorbeigeht aber gar nichts weiss darüber, so mit neuen Augen die Stadt zu sehen, find ich sehr interessant."
Nina Dormann, 29, ist Lehrerin für Gestaltung und Kunst. Sobald die App da ist, möchte sie den digitalen Streifzug antreten.
"Zum Beispiel, dass beim Unternehmen Mitte eine Synagoge stand früher, das hab ich noch nie gehört, das war sehr aufschlussreich."
"Jüdisches Leben ist also Teil der Schweizer Geschichte und Gegenwart."
Sabina Lutz erläutert bei diesem Stadtrundgang die Hintergründe zum Projekt "Bâleph". Der Name ist ein Kunstwort aus "Bâle" – französisch für «Basel» - und dem ersten Buchstaben des hebräischen Buchstaben "Aleph".
"Umso mehr erstaunt es, dass es eigentlich nur sehr wenig Angebote zur Vermittlung gibt. Für Basel wollen wir dies ändern. Hier wollen wir jüdische Geschichte und jüdisches Leben für eine breite Öffentlichkeit sichtbar machen. Dazu wählten wir als Format einen Stadtrundgang und als Medium eine App."
Schließlich sind digitale Medien selbstverständlicher Teil des Alltags, vor allem der jüngeren Menschen. Das Reizvolle an der App sei, dass sie multimedial bespielt werden kann, sagt Sabina Lutz. Es gibt Texte, Bilder, Tondokumente, ein Video. Per GPS wird der Nutzer zu den Stationen navigiert. Es ist aber auch möglich, den Rundgang zuhause auf dem Sofa anzuschauen.
13 Stationen quer durch Basel
"Unser Ziel war keinesfalls, jede Ecke jüdischen Lebens in der Stadt aufzuspüren. Dieses Konzept fanden wir bei vielen Apps in Deutschland, wo die Kontinuität jüdischen Lebens durch die Schoah brutal unterbrochen worden ist. Deshalb suchen in Deutschland viele nach den kleinsten Puzzleteilchen jüdischen Lebens."
Gemeinsam mit Historikern wählten Isabel Schlerkmann und Sabina Lutz die 13 Stationen aus. Diese schlagen einen Bogen über 800 Jahre jüdisches Leben in Basel.
"Wir befinden uns hier unter dem Hotel 3 Könige. Frage in die Runde: Worum könnte es gehen? Herzl. Zionistenkongress. Es gibt eine Station zu Theodor Herzl, die ist vor dem Hotel, und auch eine Station zum Zionistenkongress, die ist am Stadtcasino. Hier erzählen wir eine andere Geschichte. Für uns war es immer eine Herausforderung: Wie verknüpft man Themen und Orte miteinander?"
An dieser Station am Rhein auf der Großbasler Seite mit Blick auf Kleinbasel, wird die Geschichte der so genannten "Ostjuden" erzählt. 1888 lebte nur ein einziger Jude aus Osteuropa in Basel, 1910 waren es schon 600. Viele von ihnen wohnten in Kleinbasel – bis heute das klassische Migrantenviertel der Stadt.
Sabina Lutz: "Wir machen weiter auf unserem Stadtrundgang. Wir spazieren die Freie Strasse hoch zu unserer letzten Station, dem so genannten Münsterbergbrunnen."
In der App erzählt der Basler Arzt Ronald Fried in einem kurzen Video, was es mit diesem Brunnen auf sich hatte:
"Als 11-Jähriger ging ich am Humanistischen Gymnasium in die Schule. Während des 6-Tage-Krieges fanden verschiedene Solidaritätsaktionen in der Stadt statt. Ich erinnere mich daran, dass der Brunnen, den wir hinter uns sehen, geleert war und die Menschen Geldspenden in diesen Brunnen werfen konnten, die dann gesammelt wurden für Israel."
Aleksandra Lazarevic: "Ich finde die Idee, das virtuell zu machen für Geschichtsvermittlung eigentlich sehr gut."
Fazit einiger Teilnehmenden des Stadtrundgangs:
"Man kann sich das nochmal vergegenwärtigen, wie sich das ganze abgespielt hat. Ich bin auch überzeugt, dass diese Art von Geschichtsvermittlung Jugendliche erreichen sollte."
Simon Graber: "Ich finde es sehr spannend, aus dem Grund, dass ich selbst nicht sehr viel kenne über die Geschichte der Juden in Basel, obwohl ich seit über zehn Jahren hier wohne. Es ist mir nicht bewusst im Alltag, aber es gibt doch die Relevanz dafür: Es gibt ein sehr starkes jüdisches Leben und ein sehr verwurzeltes Leben hier in Basel."
Sara Hess: "Ich habe jetzt schon gemerkt, bei dieser Führung: Es war vieles neu für mich. Das einzige was ich wirklich gekannt habe war das mit Herzl bei Dreikönig, aber alles andere war für mich neu."
Für die beiden jungen Unternehmerinnen – 29 und 32 Jahre alt – stand am Anfang der Wunsch, Geschichte auf neue Art zu vermitteln. Statt den städtischen Raum weiter zu bepflastern, wollen sie den virtuellen Raum bespielen.
Sabina Lutz: "Ich denke auch der sichtbare Raum, der unmittelbar wahrnehmbare Raum, der ist ja auch begrenzt. Irgendwann ist das voll. Aber der virtuelle Raum, der ist einfach unendlich! Und wir versuchen mal rauszufinden, was sich damit machen lässt."