Stadt und Land unter

Von Udo Schmidt · 03.11.2011
Auch wenn sich die Hochwasserlage im Zentrum Bangkoks beruhigt hat, in anderen Stadtvierteln herrscht weiterhin Notstand. Dort fühlen sich die Bewohner von den Behörden verlassen, die in erster Linie das Zentrum der thailändischen Hauptstadt im Auge haben.
Veerasak Neungjakjan stemmt ein kleines Kunststoffboot auf die Fähre über den Chao Praya-Fluss. Er will mit dem Boot in sein Viertel Borvornmongkol im Distrikt Thon Buri - mit dem Boot kann er seine Familie sowie die Einkäufe durch das einen Meter tiefe Wasser transportieren. Veerasak ist eigentlich öffentlicher Angestellter, jetzt aber einer von vielen, die in Thon Buri helfen:

"Wir haben hier auch ein ernsthaftes Versorgungsproblem. Viele Leute bleiben zuhause, weil sie sich nicht raus ins Wasser trauen, weil sie alt sind, weil sie Angst vor Dieben haben und auf ihr Haus aufpassen wollen."

Die Zuhausegebliebenen, die Alten vor allem, werden jetzt von den Nachbarn versorgt - wer sonst sollte es tun. Die Regierung ist bisher noch nicht nach Thon Buri gekommen.

Rungsak Phandee fährt normalerweise mit deinem Motortaxi durch die Stadt, mit seinem kleinen Motorrad, auf dessen Sozius man für wenig Geld Platz nehmen kann. Im Moment steht das Moped im trockenen Tempel um die Ecke, und Rungsak hilft seit Tagen den Ankömmlingen beim Einsteigen in die wackeligen Boote:

"Eigentlich bräuchten wir Hilfe, aber von außen, von der Stadtverwaltung kommt nichts und wir wissen auch nicht, an wen wir uns wenden sollen. Also werden wir hier wohl noch länger so weitermachen mit unseren Booten."

Borvornmongkol im Distrikt Thon Buri liegt am Westufer des Chao Praya-Flusses. Rund 3000 Menschen leben hier normalerweise. Jetzt sind es noch etwa 600. Borvornmongkol ist wie große Teile Thon Buris überschwemmt, hüfthoch steht das Wasser in den Straßen. Und obwohl der Distrikt Thon Buri nahe am Zentrum Bangkoks liegt, kümmert sich offiziell niemand um die Menschen hier. Jetzt haben vor allem die Jüngeren in Borvornmongkol Hilfstrupps organisiert. Suriay und Nattapong wuchten Säcke mit abgepackten Lebensmittelrationen von der kleinen Fähre, die glücklicherweise noch anlegt:

"Wir helfen den Menschen hier, vor allem den Älteren, wir sind so eine Art Rettungsteam, das auch die Interessen der Bewohner hier vertritt."

Mit Schlauchbooten, umfunktionierten Badewannen, großen Maurerkübeln werden das Essen, aber auch Menschen durch die völlig überfluteten Straßen gezogen.

Wenige hundert Meter weiter treffen sich die Hilfstrupps. Poo, Anfang 30, die schon immer hier im Viertel lebt, ist bereits den ganzen Tag damit beschäftigt, die Einsätze zu dirigieren:

"Eigentlich brauchen wir hier dringend etwas, um das Trinkwasser sauber zu halten. Das ist unsere größte Sorge im Moment. Und auch Flaschen benötigen wir, um das Wasser abzufüllen."

Dann geht es weiter mit mehreren Booten, die Lebensmittel werden frei Haus geliefert

Alte Leute erscheinen an den Fenstern der oberen Stockwerke oder stehen im tiefen Wasser vor ihrem Haus und nehmen die Spenden entgegen. Wer Geld hat in Borvornmongkol, der zahlt, wer keines hat, wird beschenkt.

Und für die, die vom Wasser ganz aus ihrem Haus vertrieben wurden, werden in der nahegelegenen Schule Essensportionen an 80 Bedürftige ausgegeben. Professor Safit Sriwattanaburapa leitet die Schule und jetzt auch die improvisierte Notunterkunft:

"Eigentlich liegt diese Schule hier gar nicht sonderlich zentral im Stadtteil, aber im Moment hat es sich angeboten, dass wir von hier vieles organisieren, immerhin gibt es einen großen Versammlungsraum."

Veerasak Neungjakjan, der Staatsangestellte, der zur Zeit nicht ins Büro geht, sondern Kunststoff- und Schlauchboote durchs Wasser schiebt, meint:

" Die Menschen hier helfen sich gegenseitig, viele setzen ihre ganze Kraft ein, das ist die Art Aussöhnung, die Thailand nach den letzten Jahren auch braucht."

Die Aussöhnung im Kleinen, die die Großen, die Regierung und Opposition noch lernen müssen.

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