Stadt oder Land - wo wollen wir leben?

Zu Gast: Hilal Sezgin und Barbara Schaefer · 08.06.2013
"Landlust" oder "Country", die Zahl der Hochglanzmagazine, die das Landleben preisen, wächst stetig. Zielgruppe sind die gestressten Städter, die sich damit ein Stück Idylle ins Haus holen wollen. Die Landliebe scheint so groß wie nie, gleichzeitig veröden ganze ländliche Regionen, die Jungen wandern ab. Mittlerweile leben 60 Prozent der Deutschen in Städten.
Warum zieht es die einen aufs Land, was steckt hinter ihrer Landliebe?
Was macht für andere das Leben in der Stadt so attraktiv?

Stadt oder Land – wo wollen wir leben?

"Ich liebe die Stadt", sagt Barbara Schaefer. Die Journalistin ist Großstädterin aus Überzeugung und hat über diese Liebe ein Buch geschrieben: "Stadtlust – Vom Glück in der Stadt zu leben." Der Boom der Landidyll-Zeitschriften machte sie skeptisch. Gemeinsam mit ihrer Kollegin Katja Trippel ging sie der Frage nach, "Was steckt hinter der Idyllen-Sehnsucht und diesem Fluchtreflex? Es ist ja nicht das Landleben, was darin abgebildet wird, sondern die Sehnsucht nach einem entspannteren Leben. Aber das kann man auch in der Stadt bekommen."

Was macht für sie das Stadtleben alternativlos?

"Das eine ist die Vielzahl der Möglichkeiten, das ist grundsätzlich das, was die Stadt vom Land unterscheidet. Es gibt immer einen Plan B, wenn ich offen bin. Wenn ich mich beruflich oder privat verändern will, kann ich immer eine andere Richtung einschlagen. Das andere ist die Inspiration, der Einfluss von fremden Themen und fremden Menschen – das gehört zur inneren Struktur der Stadt."

Nur die Stadt biete diese herausfordernde Vielfalt, die ständig neuen Einflüsse erforderten viel mehr gegenseitige Toleranz als die Monotonie der "Datschendörfer".

Ihr Kommentar zu Städtern, die aufs Land ziehen: "Wer rauszieht, ist raus."

"Ich könnte mir ein Leben ohne meine Tiere nicht mehr vorstellen", sagt Hilal Sezgin. Die Journalistin und Schriftstellerin lebte lange in Frankfurt, genoss dort auch das quirlige Leben mit Kultur und Kneipenbesuchen. Doch mit Mitte Dreißig zog es sie aufs Land; seit 2007 lebt sie auf einem alten Bauernhof in der Lüneburger Heide – gemeinsam mit 40 Schafen, Ziegen, Hühnern und Gänsen. In ihrem Buch "Landleben. Von einer, die raus zog " erzählt sie unterhaltsam und mit leichter Selbstironie von den Abenteuern, Glücksmomenten, aber auch Strapazen ihres Umzugs – und von den Freuden ihres neuen Dorflebens: "Ein Leben mit weitem Blick aus allen Fenstern, ein Leben mit den Jahreszeiten, ein Leben mit Tieren, ein Leben mit Schnee im Winter, Kuckucksrufen im Frühjahr, Faulenzen im eigenen Garten im Sommer und Pilzsammel- und Einkochorgien im Herbst."

Sie ist voll integriert in dem 500-Seelendorf, mehr, als sie es je in der Stadt war:

"Was soll ich als Single in der Stadt? Theoretisch zu wissen, dass da draußen Tausende von Menschen sind, und ich sitze in meinem Schuhkarton? In meinem Dorf habe ich es viel besser, da gehe ich aus dem Haus und bin gleich im Wald."

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Über Barbara Schaefer
Über Hilal Sezgin

Literaturhinweise:
Barbara Schaefer, Katja Trippel: "Stadtlust: Vom Glück, in der Großstadt zu leben", Blanvalet Verlag (Erscheinungsdatum: 10. Juni 2013)
Hilal Sezgin: "Landleben. Von einer, die raus zog". DuMont, Köln 2011