Stadler: Unnötig und verfassungsrechtlich bedenklich

Max Stadler im Gespräch mit Christopher Ricke · 12.11.2008
Die FDP befürwortet eine Verfassungsklage gegen das neue BKA-Gesetz. Das Gesetz leide an einem "ganz schweren rechtsstaatlichen Mangel", eine Überprüfung des Gesetzes durch das Bundesverfassungsgericht sei "nahezu unumgänglich", sagte der FDP-Innenexperte Max Stadler.
Christopher Ricke: Das BKA-Gesetz soll kommen. Die Große Koalition wird es mit der Mehrheit der Stimmen im Bundestag beschließen. Im Innen- und im Rechtsausschuss haben sich zuvor CDU/CSU und SPD geeinigt. Neue Befugnisse wird es geben für das Bundeskriminalamt in der Terrorbekämpfung. Das BKA wird also deutlich aufgewertet. Es soll in Zukunft eben nicht nur für die Strafverfolgung, sondern auch für die Abwehr terroristischer Gefahren zuständig sein. Die Zustimmung ist im Bundestag allerdings nicht ungeteilt. Die Opposition ist dagegen.
Max Stadler von der FDP ist der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses. Guten Morgen, Herr Stadler.

Max Stadler: Guten Morgen!

Ricke: Es geht nur um den Terrorfall und dann muss schnell gehandelt werden. Das klingt doch sehr vernünftig, was da kommt.

Stadler: Ja, aber das hat doch mit der Praxis nichts zu tun. Wenn man eine heimliche Online-Durchsuchung anordnen will – wir als FDP sind gegen diese Maßnahme schlechthin, aber die Mehrheit wird das heute so entscheiden -, wenn man also diese anordnen will, dann ist doch das Mindeste, was in einem Rechtsstaat verlangt werden kann, dass ein unabhängiger Richter diese Entscheidung trifft. Und heute im Handy-Zeitalter lässt sich die Justiz mühelos so organisieren, dass immer ein unabhängiger Richter erreichbar ist. Das ist auch die Auffassung des Deutschen Richterbundes. Deswegen krankt an dieser Stelle das Gesetz an einem ganz schweren rechtsstaatlichen Mangel.

Ricke: Ansonsten ist es in Ordnung?

Stadler: Nein. Leider gibt es viele Bereiche, bei denen die Durchführung der Grundidee, nämlich Schutz vor internationalem Terrorismus, missglückt ist. Noch einmal: Auch wir als Opposition wollen natürlich für die Sicherheit unserer Bürgerinnen und Bürger so gut als möglich sorgen. Aber dies ist in der Vergangenheit auch gelungen durch die gute Arbeit der Landeskriminalämter. Es wäre gar nicht erforderlich, dass man die Kompetenzen des Bundeskriminalamts ausdehnt und noch dazu in einer Weise, wo vielfach rechtsstaatliche Prinzipien verletzt worden sind. Ich nenne ein weiteres Beispiel. Wenn der Kernbereich der privaten Lebensführung berührt wird, dann ist dies nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts besonders schützenswert. Hier wird nicht sofort ein Richter beigezogen, der die Verwertbarkeit oder Nicht-Verwertbarkeit der Daten feststellt. Auch dies ist unverständlich.

Ricke: Bleiben wir mal bei diesem Fall Terrorismus. Das ist ja keine Bedrohung der Länder. Das ist ja eine Bedrohung der Nation. Wir haben das ja in der Debatte über den Einsatz der Bundeswehr im Inneren auch gehabt. Da wird ja, wenn ein terroristischer Anschlag geplant, vorbereitet und möglicherweise sogar durchgeführt wird, das ganze Land angegriffen und nicht ein einzelnes Bundesland. Es ist doch sinnvoll, dass man das in einer Hand konzentriert.

Stadler: Ja, aber es gibt keinen praktischen Beweis, dass eine Änderung der bisherigen Aufgabenaufteilung wirklich zwingend erforderlich wäre. Man hat ja, als die Bundesrepublik Deutschland gegründet wurde, aus gutem Grund die Polizeihoheit in die Hand der Bundesländer gelegt, weil man aus den historischen Erfahrungen heraus keine zentrale Polizeigewalt haben wollte. Das Bundeskriminalamt sollte später ergänzend tätig werden und das wäre genauso konstruierbar bei der Abwehr des internationalen Terrorismus, so wie es bisher ja mit Erfolg praktiziert wurde, denn auf der Basis der geltenden Gesetze konnten ja erfreulicherweise einige Anschläge verhindert werden.

Ricke: Jetzt haben ja einige Persönlichkeiten bereits den Gang nach Karlsruhe hin zum Bundesverfassungsgericht angekündigt, unter anderem der frühere Innenminister Baum, der Ihrer Partei angehört. Unterstützt die Partei insgesamt, unterstützt die Fraktion insgesamt diesen Gang nach Karlsruhe?

Stadler: Ja. Die FDP lehnt dieses Bundeskriminalamtsgesetz geschlossen ab und wenn das von der Koalition heute dennoch so beschlossen wird, dann ist es nahezu unumgänglich, dass dies in Karlsruhe überprüft wird, denn wie gesagt, an mehreren Stellen gibt es ganz erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken. Ich nenne als weiteres Beispiel auch noch, dass das umfassende Zeugnisverweigerungsrecht, das Journalisten für die Ausübung ihres Berufs brauchen, das Rechtsanwälte brauchen und das wir als Bürger brauchen, damit wir gegenüber diesen Berufsgruppen vertrauensvoll kommunizieren können, ebenfalls nicht in dem Gesetz gesichert wird. So wird hier ohne Not eine neue Konstruktion der Sicherheitsarchitektur installiert und im Einzelfall noch mit vielen Eingriffsbefugnissen, die über das Prinzip der Verhältnismäßigkeit hinausgehen.

Ricke: Aber das Bundesverfassungsgericht hat sich doch mit diesem Thema schon einmal befasst und die Haltung der Richter ist doch eigentlich Grundlage dieses Gesetzesentwurfes, der jetzt vorliegt.

Stadler: Nur zum Teil. Richtig ist, dass es eine Entscheidung gibt über die heimlichen Online-Durchsuchungen. Da hat Karlsruhe ein sogenanntes neues Computergrundrecht sogar definiert, weil eben das, was wir auf unseren Festplatten niederlegen, oft sehr intim ist und jedenfalls der persönlichen Privatsphäre zuzurechnen ist. Unserer Meinung nach – und das wurde bestätigt durch namhafte Sachverständige wie beispielsweise auch Professor Geiger, der früher selber Chef des Bundesnachrichtendienstes war – sind bei der Ausgestaltung der heimlichen Online-Durchsuchung die Vorgaben aus Karlsruhe eben nicht vollständig eingehalten worden und egal ob man die Maßnahme als solche befürwortet, oder wie wir für überflüssig hält, schon alleine die Ausgestaltung entspricht nicht dem, was man von Verfassungswegen hätte erwarten können.

Ricke: Erwarten Sie heute im Bundestag eine geschlossene Abstimmung der Regierungskoalition, oder kennen Sie Kollegen, die Bauchschmerzen haben und die nicht mitgehen werden?

Stadler: Ja. Bei der SPD gibt es sicher große Bauchschmerzen. Das hat sich ja jetzt auch gezeigt, indem die SPD-Innenpolitiker die Einigung ihrer Fraktionsspitze zum Einsatz der Bundeswehr im Inneren abgelehnt haben. Also manchen Innenpolitikern der SPD geht hier auch einiges zu weit. Ich möchte auch darauf hinweisen, dass in Bayern sogar die CSU bei den Koalitionsverhandlungen mit der FDP bei der dortigen Online-Durchsuchung nach Landesrecht viel klarere rechtsstaatliche Kriterien zugebilligt hat, als das heute im Bundestag der Fall sein wird. Also auch in der Großen Koalition kann bei einem solchen Einschnitt in die Bürgerrechte nicht jedem wohl sein, aber trotzdem wird die Koalitionsdisziplin heute siegen und das Gesetz vom Bundestag zunächst und später vom Bundesrat verabschiedet werden.

Ricke: Vielen Dank, Herr Stadler.

Stadler: Ich danke.

Ricke: Max Stadler von der FDP ist der stellvertretende Vorsitzende des Bundestagsinnenausschusses.


Das Gespräch mit Max Stadler können Sie bis zum 12. April 2009 in unserem Audio-on-Demand-Angebot nachhören. MP3-Audio