Staatsziel Kultur

Von Jens Rossbach |
Die Kritiker schimpfen, ein Staatsziel Kultur sei völlig überflüssig. Denn eine Verfassungsänderung würde zwar die besondere Bedeutung der Kultur festschreiben - aber den politischen Alltag nicht verändern. Selbst die Befürworter einer Staatsziel-Formulierung räumen dies ein - wie Bundestagspräsident Norbert Lammert, CDU:
"An den operativen Entscheidungs-Notwendigkeiten und Möglichkeiten ändert eine solche deklarative Festlegung überhaupt nichts. Der Streit um Haushaltsmittel und die angemessene Dotierung von Kulturaufgaben im Vergleich zu anderen öffentlichen Aufgaben wird durch eine solche Festigung im Grundgesetz nicht überflüssig."

Worum geht’s den Befürwortern dann? Sie wollen den Status quo festschreiben: die weit gefächerte Struktur der Kulturpflege und Kulturförderung in Deutschland. Bernd Wagner vom Bonner Institut für Kulturpolitik sieht in einem Staatsziel eine Quasi-Kulturversicherung:

"Damit wird insgesamt von den Befürwortern gemeint, dass eine solche Festlegung im Grundgesetz den Gefahren des Kulturabbaus, der Kürzungen von Finanzmitteln einen stärkeren Riegel vorschiebt."

Ein neuer Paragraph im Grundgesetz würde vor allem – so ist man sich einig – bei Gerichtsprozessen eine Rolle spielen. Bereits vor zwei Jahren erläuterte der damalige Verfassungsrichter Udo Steiner die Konsequenzen einer neuen Staatsziel-Formulierung:

"Sie könnte zum Beispiel bewirken, dass die gesamte deutsche Bundesgesetzgebung unter dem Vorbehalt und unter der Maßgabe bestünde, dass sie immer kulturfreundlich sein muss. Wir also prüfen müssen, inwieweit von Gesetzgebung Wirkungen zu Lasten oder zu Gunsten der Kultur ausgehen."

Die Gegner einer Verfassungsänderung warnen allerdings: Ein Staatsziel Kultur würde einer "Staats-Kultur" Tür und Tore öffnen. Sprich: Die Kulturförderung könnte künftig stark politisch motiviert sein; Auftragskunst und abhängige Auftragskünstler wären die Folge. Der Literaturwissenschaftler und Journalist Tilman Krause etwa sieht die Gefahr einer Zunahme staatlicher Subventionierung und Reglementierung – für den Experten Synonyme eines Kultur-Niedergangs:

"Deswegen sollte eine Gesellschaft alles tun, den selbständigen Eifer und nicht das knechtische Tun zu unterstützen. Dann entsteht nämlich Kultur von selbst. Und solche Kultur aus eigenem Antrieb - die ist es, die wir brauchen. Keine gelenkte, geförderte, verfassungsmäßig verbriefte."