Rheingold
Oper von Richard Wagner
Regie: Géza M. Tóth
Musikalische Leitung: Péter Halász
Staatsoper Budapest
Rheingold vom anderen Stern
Schrille Mode, bunte Haare, Videoprojektionen: Géza M. Tóth hat Richard Wagners "Reingold" an der Staatsoper Budapest "im überdrehten Futur-Look" inszeniert, wie unser Kritiker meint. Dabei spare der ungarische Filmemacher in seinem ersten Teil des Rings nicht mit Kritik am Kapitalismus.
Verhältnismäßig simpel geht die Sache los. Drei in äußerst bunte Tüllkleider gehüllte Damen fliegen durch die Luft, dazu wabert stellarer Videonebel. Die Sternlein flimmern in unterschiedlichen Varianten und Konstellationen, während der grimmige Alberich am Boden herumrutscht. Jede der quietschfidel turnenden und singenden Rheintöchter trägt eine spezielle Haarfarbe, die nicht mit ihrem eigenen, sondern mit dem Kleid einer ihrer Kolleginnen perfekt harmoniert. Die positive Stimmung freilich wird bald empfindlich gestört, weil sich Alberich das Macht bringende Gold schnappt. Dieses edle Metall in ist drei bunten Säckchen versteckt, die wiederum genau zu den Kleidern der nun klagenden Damen passen.
Nach einem etwas rumpeligen Bühnenumbau sind wir dann, ja, wo denn nur? Wotan sieht aus wie David Lynch und wirkt noch verrückter als das Original. Seine Gattin Fricka ist kleidungstechnisch dagegen auf Speed und auch der Familienanhang Donner und Froh trägt schrillste Couture. Irgendwie sieht das nach Zukunft aus, einer vielleicht gar nicht zu fernen. Der Prachtbau Walhall ist fertig, worauf die herbei gebeamten Riesen Fafner und Fasolt vehement hinweisen, doch Wotan entwirft bereits eine ganze Stadt – in seinem Kopf. Oder auf seinem Rechner. Obwohl, vielleicht sind graue Masse und Computerhirn ja identisch.
Einblicke in den Schädel Wotans
Die auf den Gazevorhang projizierten Videos jedenfalls gewähren Einblicke in Wotans Schädel oder ins (technische) Schicksal unserer Zivilisation – oder zumindest in die Zukunft des Rings von Géza M. Tóth. Dieser ist eigentlich Filmemacher und gibt nun sein Operndebüt. Dabei entwirft er mit stupender Ausdauer ein zeitweise gut verstehbares, dann wieder eher kryptisches Koordinatensystem. Da wird ständig ge- und berechnet, es entstehen und vergehen Netzstrukturen, die möglicherweise Baupläne sind, möglicherweise Matrizen für Überwachungsprogramme, oder, oder, oder. Man darf munter assoziieren, an den wichtigen Stellen jedoch sagt die Regie klar, was sie will. Nämlich erstmal das Stück sauber erzählen. Das gelingt auch und vor allem durch starke Personenführung. Außerdem gibt es eine Menge gut gemeinter und gut gemachter Kapitalismuskritik. Man muss das etwas schal und banal gewordene Wort hier einfach verwenden. Im Laufe der Inszenierung schieben sich nämlich Fluten von Markennamen und Werbetafeln und Konsumtempeln herein, meist sinnfällig mit der jeweiligen Handlung verknüpft.
Ganz neu und spannend deutet Tóth Alberichs Hort, da liegt nicht einfach Gold herum, sondern Kulturgüter, Kelche, Helme, Waffen, Bilder. Auch sie werden später zum simplen Tauschobjekt für Macht beziehungsweise die Rückkehr Freias. Bekanntlich läuft ohne diese Frau nichts, da sie die Götter mit Energie spendenden Äpfeln versorgt. In Budapest sind es sanft glühende Gefäße, sozusagen 'Mini-Grale'.
Musikalische Momente hoher Intensität
Generalmusikdirektor Péter Halász zaubert nicht nur an dieser Stelle Momente hoher Intensität. Halász dirigiert das "Rheingold" als großes Aquarell. Es gibt fein geknüpfte Streicherteppiche, punktgenau heran gezoomte Motive, herrlich prickelnde Tutti. Das fast ausschließlich aus Budapester Hauskräften bestehende Ensemble schlägt sich wacker, nicht immer ganz textdeutlich. Natürlich beherrscht nicht jeder Ungar perfektes Wagnerdeutsch. Adrian Eröds Loge läuft nach klitzekleinen Anlaufmühen zur Höchstform auf, Eröd ist in dieser Partie zu recht mittlerweile weltweit sehr erfolgreich. Stark der Alberich von Marcus Jupither, glänzend Géza Gábors wütender Fafner und Erika Gáls substanzreiche Erda.
Natürlich kann so ein Rheingold-Personal im überdrehten Futur-Look leicht albern wirken. Regisseur Tóth setzt dagegen die gelegentliche, gezielte Karikierung. Donners schwerer Hammer etwa ist so eindeutig aus Plaste-Elaste, dass er damit auch mal seinem Gegenüber auf den Kopf hauen kann, ohne Nachwirkung versteht sich. Ernst und böse ist dagegen das furiose Schlussbild. Die Regenbogenbrücke führt statt nach Walhall in ein augenbetäubend buntes Shoppingparadies, in dem nur noch die Schnelligkeit mit dem Einkaufswagen zählt. Wohin das wiederum führt? Zur "Walküre" natürlich. Die Regie hat sich für die Zukunft so einiges aufgeladen.