Staatsbürgerschaft

Doppelpassgedöns

Der Bundesvorsitzende der Grünen Cem Özdemir (Mitte) wirbt in Berlin mit anderen Aktivisten für die Doppelte Staatsbürgerschaft.
Demonstranten werben für die Doppelte Staatsbürgerschaft © dpa / picture alliance / Michael Kappeler
Von Doris Anselm · 23.11.2013
Was für ein großes Wort: Heimat. Eine Gefühlssache, eine Identitäts-Frage, aber auch ein Verwaltungsakt. Im Moment wird dieses große Thema in tausenderlei juristische Einzelheiten zerlegt – die "doppelte Staatsbürgerschaft".
Das Leben ist kein Ankreuzfrühstück; man muss sich auch mal entscheiden; und man kann nicht alles haben. Drei schöne Sätze, die mir beim Thema "Doppelte Staatsbürgerschaft" sofort eingefallen sind. Warum kriegt jemand ein doppeltes Wahlrecht, nur weil seine Eltern irgendwann mal umgezogen sind von einem Land ins andere? Und ich dagegen hab nur eine Stimme, weil meine Eltern es bloß aus der Bahnhofstraße rüber in den Birkenweg geschafft haben?
Diskriminierung! Überhaupt, wo kommen wir dahin, wenn sich jetzt jeder die Rosinen rauspickt?! Aaaalso, ich hätte gerne das Sozialsystem von Norwegen, (Familie und Beruf, Sie wissen schon), dazu ein bisschen Dolce Vita aus Italien, die deutschen Autobahnen und das Ganze schön zum Schnäppchenpreis des Schweizer Durchschnitts-Steuersatzes. Danke, das wärs.
So geht es ja wohl nicht, hab ich gedacht. Die armen, armen Staaten und Regierungen. Belastet! Bedroht! Von wildgewordenen Bürgern, die darauf bestehen, in aller Welt zu arbeiten, sich fortzupflanzen und zu wohnen, bloß nicht daheim. Und um das Völkerrecht noch weiter zu strapazieren, wollen die Leute dann zwischendurch auch noch zurück! Die bucklige Verwandtschaft besuchen! Mann, Mann, Mann. Es läuft auf einen Satz hinaus:
Der Staat könnte so reibungslos funktionieren, wenn diese ollen Bürger nicht wären.
Ja, gut. Technisch gesehen ist der Staat eigentlich nichts anderes als seine Bürger… beziehungsweise dient er laut der meisten Verfassungen der Welt überhaupt nur dazu, den Menschen ein gutes Leben zu ermöglichen. Ach, bla, bla! Nein, hier geht’s ums Prinzip und das Prinzip, das funktioniert wie immer am besten mit ganz viel Ideologie. Bekenntnis zu einem Staat! Loyalität zum Grundgesetz! Das muss kesseln.
Auch wenn’s in Deutschland keine 100.000 Leute gibt, die von dem ganzen Doppelpassgedöns überhaupt betroffen sind. Auch wenn’s viele von denen schon verpennen, eine Stimme abzugeben in einem Heimatland, die Auslands-Wahlbeteiligung also verschwindend niedrig ist und die meisten Länder nicht mal Briefwahl haben. Und auch, wenn manch deutsch-türkischer Gemüsehändler eine größere "Loyalität zum Grundgesetz" an den Tag legt als unsere Bundesregierung. Siehe Abhörpraxis.
Alles egal! Da sei Gott vor, dass wir am Ende noch zu einer pragmatischen Lösung kommen, und den Leuten, die da zwischen zwei Kulturen vermitteln, ein bisschen das Leben erleichtern. Nicht, dass sich am Ende noch die Rechtslage den Menschen anpassen muss, also ihrem mobilen, globalisierten Dasein! Nein, nein, nein. Man muss sich schon entscheiden für ein Vaterland. Und links, zwo, drei und uff-ta-taa…!
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