Staatsbibliothek Berlin

Schatzsuche zwischen Buchdeckeln

Ein Engel begegnet drei Männern: Aus dem Diez-Album, Iran, erste Hälfte des 14. Jahrhunderts.
Ein Engel begegnet drei Männern: Aus dem Diez-Album, Iran, erste Hälfte des 14. Jahrhunderts. © Staatsbibliothek zu Berlin / Orientabteilung
Von Andreas Schäfer · 22.09.2014
Die Berliner Staatsbibliothek besitzt die umfangreichste Sammlung orientalischer Handschriften in Deutschland. Eine Ausstellung zeigt nun zwei Dutzend der 17.000 persischen Unikate – und erzählt, welche Mühe es macht, alte Bücher zu erhalten.
Wundersam verschlungene Gärten, in denen Gelehrte im Schneidersitz parlieren, Umarmungen junger Liebender in schillernden Gewändern oder Kampfszenen, in denen ein orientalischer Held den "weißen Div" besiegt – doch die Geheimnisse aus der orientalischen Schatzkammer bleiben geheim.
Zumindest werden sie von den Studenten und anderen Bibliotheksbesuchern, die an diesem Nachmittag von der Garderobe zur Schleuse im Foyer der Berliner Staatsbibliothek an der Potsdamer Straße eilen, kaum beachtet. Wie zufällig bleiben immer wieder einige stehen, können sich aber dann von dem, was sie in den acht Vitrinen vorfinden, kaum wieder lösen.
Die 25 gezeigten Handschriftenunikate aus dem persischen Raum stammen aus dem 14. bis 19. Jahrhundert und gehören zu den Spitzenstücken der orientalischen Handschriftenabteilungen. Unter den orientalischen Handschriften sind die persischen besonders prachtvoll, sagt Christoph Rauch, der Leiter der Abteilung und Kurator der Ausstellung:
"Im Unterschied zur arabischen Region hat man im persischen Raum viel mehr Wert gelegt auf Dekoration der Handschriften und Illustrierung der Handschriften und Ornamentierung der Handschriften. Die Illustrationen in den Handschriften sind sehr selten religiösen Inhalts. Liebesszenen und Festgelage, Feierlichkeiten mit Wein und Gesang, das sind die Motive auf den Handschriften."
"Schatzkammer der Geheimnisse" zeigt vor allem Alben und Handschriften aus dem Besitz des Orientliebhabers Heinrich Friedrich von Diez. Friedrich der Große hatte Diez Ende des 18. Jahrhunderts für einige Jahre nach Konstantinopel entsandt, wo Diez wertvolle Handschriften - teilweise aus dem Sultanspalast - erwarb, die er nach seinem Tod 1817 der königlichen Bibliothek vererbte und damit den Grundstein der heutigen Sammlung legte.
"Aus der Diez'schen Sammlung stammen diese beiden Albenblätter. Und das Interessante bei diesen Albenblättern ist, dass sie auch die verschiedenen Phasen der persischen Buchmalerei dokumentieren. Aus diesen Zeichnungen und Entwürfen des 15. Jahrhunderts sieht man ganz klar den chinesischen Einfluss. Zum Beispiel in der Art und Weise, wie die Bäume hier dargestellt sind. Oder auch die Motive, diesen Phönix, dieses Drachenvogels. Auch dieser Tiger hier in der Ecke"
Digitalisierte Bestände der Orientabteilung
Mit der Ausstellung krönt die Staatsbibliothek ein groß angelegtes Digitalsierungsprojekt der Orientabteilung. 310 illustrierte Handschriften mit insgesamt 8000 Miniaturen wurden abfotografiert und gescannt. Wie die meisten Bibliotheken stellt auch die Staatsbibliothek ihren Bestand nach und nach online zur Verfügung. Gerade bei alten Büchern und Handschriften ist das aber eine komplizierter Vorgang, denn viele der Objekte müssen erst einmal aufwendig restauriert werden und allein in der orientalischen Abteilung sind tausende Handschriften nicht einmal katalogisiert. Christoph Rauch führt ins Magazin ins Untergeschoss hinunter, wo schon die Restauratorin Katharina Wewerke wartet. Hinter brandsicheren Türen herrscht in den niedrigen Räumen eine Temperatur von 16 bis 18 Grad und eine Luftfeuchtigkeit zwischen 40 und 50 Prozent. Er zeigt auf das Fach, in dem die Bücher liegen, die am dringendsten restauriert werden müssen.
"Es gibt immer eine Prioritätenliste, aber wir haben so viele Handschriften, die restauriert werden müssten, und es gibt so viele andere Abteilungen neben der Orientabteilung, dass es Jahrzehnte dauern würde, bis alle Handschriften in dem Zustand sind, der uns zufriedenstellen würde."
Einbände müssen repariert oder locker gewordene Lagen wieder eingeheftet werden. Risse im Papier werden unter einem nahezu unsichtbaren hauchdünnen Japanpapier geschlossen oder Quetschfalten mithilfe eines sogenannten Ultraschallverneblers geglättet. Im Moment beschäftigt Rauch und die Restauratorin ein quadratisches Buch von etwa 30 mal 30 Zentimeter in einem schmucklosen braunen Ledereinband.
Raritäten werden behutsam restauriert
"Das ist eines der frühsten erhaltenen Koranbücher überhaupt, eine Handschrift aus dem 7., 8. Jahrhundert, eine Pergamenthandschrift, und es gibt wahrscheinlich weltweit keinen Koran, der in diesem Umfang älter ist."
Als er das Buch aufschlägt, wird deutlich, wie gut es erhalten ist. Das Pergament ist zwar gewellt und verspannt. Es gibt bräunliche Verfärbungen, einige Ecken sind umgeknickt, aber die arabische Schrift, die die Seiten vollständig bedeckt, ist gut zu lesen und die Seiten sind verhältnismäßig leicht umzuschlagen. Das Buch kam 1860 in den Besitz der Bibliothek und wurde damals auch mit einer westlichen neuen Bindung versehen.
Katharina Wewerke: "Man sieht die Spuren der Zeit, aber ich würde sagen, es ist nicht durchgehend Restaurierungsbedarf, sondern man muss halt schauen, wo nachträglich Verklebungen aufgebracht worden sind, die zu Verspannungen führen, dass man die entfernt."
Ein Schadensbild, das wesentlich schwieriger zu behandeln ist, ist der sogenannte Kupferfraß, der vor allem illuminierte Bereiche von Handschriften betrifft. Im farbigen Schmuckrand, der in vielen Büchern den Textblock umschließt, enthält die grüne Farbe Kupferazetat, dass das Papier zersetzt, sodass die Textblöcke oft aus den Seiten herausbrechen.
"Es laufen Forschungsprojekt, es wird weiter daran geforscht, aber dieser Prozess, dass die Kupferionien den Zelluloseabbau katalysieren, den kann man nicht stoppen. Man kann nur konservatorisch für gute Bedingungen sorgen."
Oder wieder mit Hilfe von hauchdünnem Japanpapier und Gelatine schmale Brücken herstellen, von denen die gerissenen Teile punktweise zusammengehalten werden. Auch einige der in der Ausstellungen gezeigten Handschriften mussten auf diese Weise gesichert werden. Welche denn? Dem Besucher ist nichts aufgefallen. Die Restauratorin macht eine Geste, als wollte sie sagen: Berufsgeheimnis.
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