Staatsbesuch

Charme versprühen, Erwartungen dämpfen

Von Jochen Spengler, Deutschlandradio-Korrespondent London · 27.02.2014
Nach Willy Brandt und Richard von Weizsäcker ist Angela Merkel erst die dritte deutsche Politikerin, die geladen wurde, vor beiden Parlamentskammern zu sprechen. Sie nutzte ihre Rede zu einem Plädoyer für Europa.
Please give the warmest and most respectful welcome to chancellor Dr. Angela Merkel
Ein warmherziger Empfang für die Bundeskanzlerin in der prächtigen Royal Gallery des Parlamentspalastes. Angela Merkel, bewusst in einem royalblauen Sakko, begann ihre mehr als halbstündige Ansprache – zunächst in Englisch – mit persönlichen und humorvollen Erinnerungen an ihren ersten Londonbesuch wenige Wochen nach dem Fall der Mauer. Und dann dämpfte sie sogleich die hochgesteckten Erwartungen, sie werde hier den Weg für eine Fundamentalreform der EU-Architektur ebnen, die alle Wünsche der Briten erfülle:
Some expect my speech to pave the way for a fundamental reform of the European architecture which will satisfy all kinds of alleged or actual British wishes. I am afraid they are in for a disappointment.
Enttäuschen aber müsse sie auch jene, die von ihr die klare Botschaft an London erhofften, dass Europa nicht bereit sei, fast jeden Preis zu zahlen, um die Briten in der EU zu halten.
"Europäische Berufung"
Als ehemalige DDR-Bürgerin, fühle sie sich dem unbedingten Willen zur Freiheit und Demokratie, den Großbritannien und sein Parlament verkörperten, in besonderer Weise verbunden. Angela Merkel verwies auf das britische Engagement im Ersten und Zweiten Weltkrieg und zitierte dann aus einer Ansprache des Altbundespräsidenten Richard von Weizsäcker: "Großbritannien braucht seine europäische Berufung nicht zu beweisen."
Nach Willy Brandt und Richard von Weizsäcker ist Angela Merkel erst die dritte deutsche Politikerin, die geladen wurde, vor beiden Parlamentskammern zu sprechen. Sie nutzte ihre Rede zu einem Plädoyer für Europa. Die politische Gestalt Europas müsse aber immer wieder zeitgemäß erneuert werden. Man benötige starke Institutionen, müsse Fehlentwicklungen etwa bei der Freizügigkeit entgegenwirken und Bürokratie abbauen. Sehr viel konkreter äußerte sich die Kanzlerin nicht über mögliche von Großbritannien geforderte EU-Reformen.
Unserer Vorstellungen der künftigen Entwicklung der Europäischen Union mögen sich in Details immer wieder unterscheiden, aber wir, Deutschland und Großbritannien, teilen das Ziel einer starken wettbewerbsfähigen Europäischen Union, die ihre Kräfte bündelt.
Noch einmal auf Englisch betonte Angela Merkel, dass sie großen Wert auf den Verbleib Großbritannien in der EU lege:
Wir brauchen ein starkes Vereinigtes Königreich mit einer starken Stimme in der europäischen Union. Dann sind wir in der Lage, die notwendigen Veränderungen zum Wohle aller herbeizuführen.
Es gab viel Beifall für die Kanzlerin, ehe sie Premierminister David Cameron zum Dialog beim Lunch in Downing Street Number 10 entführte. Anschließend betonte er auf einer gemeinsamen Pressekonferenz, kurz bevor Angela Merkel zum Tee mit der Queen aufbrechen musste:
Ich weiß, dass Angela ein starkes Britannien in einer reformierten EU will. Mein Ziel ist klar: Ich will dem britischen Volk sagen können im Referendum bis Ende 2017, dass wir die EU befriedigend verändert haben und sie für einen Verbleib stimmen sollten. Aber zweifeln Sie nicht – es wird ein Rein- oder Raus-Referendum geben.
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