Staatliche Verbote in der Coronakrise

Brauchen auch wir eine Ausgangssperre?

04:39 Minuten
Links in der Collage wird an einer Bar Wein eingeschenkt, rechts eine leere Straße in Mailand.
Für gesellige Abende ist jetzt der falsche Moment, so viel ist klar. Aber muss deshalb gleich ein Zwang zum Daheimbleiben angeordnet werden? © Eyeem/Dina Alfasi / Unsplash/Mick De Paola
Von Alexander Moritz und Thomas Wheeler · 18.03.2020
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Einige europäische Länder haben schon eine Ausgangssperre verhängt. Sie sei das einzige Mittel gegen die Ignoranz vieler Leute, meint Alexander Moritz. Ihm widerspricht Thomas Wheeler: Der Staat dürfe die Bewegungsfreiheit nicht weiter einschränken.
Viele Menschen fragen sich, ob das Thema "Ausgangssperre" in Deutschland im Moment nur aufgeschoben ist – ob die Versicherungen deutscher Politiker, eine solch restriktive Anordnung sei (noch) nicht vorgesehen, ernst genommen werden können. Warum eine Ausgangssperre auch bei uns sinnvoll wäre oder eben nicht, darüber gehen die Meinungen auseinander. Unser Redakteure Alexander Moritz (Pro) und Thomas Wheeler (Contra) reflektieren einige Argumente dafür und dagegen.

Pro: Isolation ist das Sozialste, was man tun kann!

"Wer jetzt nicht zu Hause bleibt, gefährdet das Leben anderer Menschen." Die Botschaft aus der Medizin und von der Regierung ist klar und einfach: Wir müssen das Coronavirus bremsen. Und zwar jetzt.
Wir sehen doch die Berichte aus italienischen Krankenhäusern, wo alte Leute zum Sterben auf dem Gang liegen, weil es einfach zu viele sind, um sie noch zu versorgen. Wir müssen verhindern, dass hier das Gleiche passiert.
Trotzdem meinen manche, dass sie das offenbar alles nichts angeht. Schüler, die ihre vermeintliche Freizeit nutzen, um "Corona-Partys" zu feiern. Eltern, die ihre Kleinkinder statt in die Kita jetzt zum gemeinsamen Spielen in großen Gruppen auf die Spielplätze bringen. Oder sie – noch besser – trotz starkem Husten mit ins Café nehmen. Oder alle, die glauben, sich wegen des Frühlingswetters mit Freunden in den Biergarten drängen zu müssen.
So viel Ignoranz macht mich wirklich wütend. Die Losung dieser Tage ist doch ganz einfach: "Bleiben Sie zu Hause." Und weil das freiwillig bei einigen nicht zu klappen scheint, muss es wohl bald Ausgangssperren geben.
Isolation ist im Interesse von uns allen. Auch gesunde, fitte Menschen können an Covid-19 erkranken. Die Alten und Schwachen brauchen ohnehin unsere Solidarität. Auch ein leichter Verlauf der Krankheit kann unangenehm sein. Lesen Sie nur einmal die zahlreicher werdenden Berichte von Menschen, die wegen des Virus eine Lungenentzündung bekommen. Auch wenn nur wenige daran sterben – Sie wollen das nicht haben.
Es entscheidet sich in diesen Tagen, wie lange der Ausnahmezustand andauern wird. Wenn sich weiterhin viele Menschen neu anstecken, wird eine Ausgangssperre umso länger notwendig sein.
Also: Bleiben Sie zu Hause! Gehen Sie nur raus, wenn es absolut sein muss. Für Verabredungen mit Freunden ist jetzt nicht die richtige Zeit. Für uns soziale Wesen klingt das widersprüchlich, aber ein paar Tage nur für sich zu bleiben, ist das Sozialste, was Sie jetzt tun können – und müssen.

Contra: Bewegungsfreiheit ist ein elementares Bürgerrecht!

Merken Sie was? Den Menschen werden gerade weltweit scheibchenweise ihre Bewegungsfreiheiten genommen. Ausgangssperre in Italien, Spanien und in Frankreich. Das kennen wir sonst nur aus Diktaturen. Immer mit der Begründung, das sei alles zum Schutz der Bevölkerung, um sich nicht mit dem Coronavirus anzustecken.
Gestern war ich in Berlin mit dem Rad unterwegs. Einige Menschen waren auch draußen – entweder mit dem Rad, dem Hund oder zu Fuß. Sie genossen das Gefühl der Freiheit bei frühlingshaften Temperaturen. Aber was ist, wenn wir wegen Corona bald nur noch zum Arbeiten und Einkaufen rausdürfen? Das kann Wochen oder im Extremfall Monate lang dauern.
Dann können Sie sich nur noch zu Hause frei bewegen. Haben Sie sich schon Gedanken gemacht, wie lange Sie das aushalten können, ohne unruhig oder gar aggressiv zu werden? Das wird für jeden Einzelnen, aber auch für uns alle eine Belastungsprobe, mehr noch: eine echte Herausforderung, wo doch heute immer mehr nur an sich denken. Das schaffen wir nur, wenn sich nicht jeder selbst der nächste ist.
Bei uns haben wir momentan noch Bewegungsfreiheit – ein elementares Bürgerrecht. Schätzen Sie es. Denn Sie entscheiden, wann Sie vor die Tür gehen, und nicht der Staat. Also, nichts wie raus! So lange Sie noch dürfen.
Bewegungseinschränkungen erleben wir durch die neuesten Restriktionen ja schon. Ist zwar alles noch ganz frisch, aber macht das schon was mit Ihnen?
Wenn auch bei uns Ausgangssperren verhängt werden, werden wir erst richtig merken, welche enormen Freiheiten wir sonst haben.
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