Staatliche Philharmonie Brünn mit P. Altrichter

Getanzte Parabeln

Der Dirigent Petr Altrichter
Der Dirigent Petr Altrichter © Zdenek Chrapek/EBU
23.02.2016
Musik aus dem Geist des Tanzes - einen ganzen sinfonischen Abend gestaltete die Philharmonie Brno unter Leitung von Petr Altrichter mit motorisch anspruchsvollen und erzählstarken Werken von Jan Novák, Bohuslav Martinů und Sergej Prokofjew.
Eines der berühmtesten und beliebtesten Ballettdramen kam erstmals im tschechischen Brünn auf die Bühne - Sergej Prokofjews "Romeo und Julia". Im Shakespeare-Jahr 2016 ist es eine Frage der Ehre, diese Musik am Ort der Uraufführung wieder zu spielen. Das Philharmonische Orchester der mährischen Metropole unternahm das gleich zu Anfang des Jahres. Ausschnitte aus den ersten beiden Suiten, die Prokofjew noch vor der Uraufführung exzerpiert hatte, gab es am Ende eines Konzertprogramms im Janáček-Theater, das ganz der orchestralen Tanz- und Erzählmusik gewidmet war.
Aus dem reichen Schaffen des exiltschechischen Komponisten Bohuslav Martinů stammen die drei "Parabeln" für Orchester. Farb- und ausdrucksstarke Klangbilder, die sowohl die Herkunft des Komponisten aus Tschechien als auch seine prägenden Lehrjahre in Frankreich hörbar werden lassen, aber auch die neue Zielgruppe, die er mit diesem Auftragswerk für das Boston Symphony Orchestra im Blick hatte, das zahlungskräftige und anspruchsvolle US-amerikanische Abonnentenpublikum, das ja bis heute "Musik mit Herkunft" aus dem alten Europa hoch schätzt.
Zu Beginn gab es in diesem Konzert, das das Musik- und Kulturprogramm Radio Vltava von Cesky Radio aufgezeichnet und uns im Rahmen der Europäischen Rundfunkunion zur Verfügung gestellt hat, ein Werk eines weiteren exiltschechischen Komponisten. Jan Novák ist in Brünn aufgewachsen und musikalisch geprägt worden. 1948 studierte er mit einem Stipendium in den USA bei Aaron Copland und eben jenem Bohuslav Martinů, mit dem ihn später eine enge Freundschaft verband. Novák ging nach Brno zurück und prägte dort die zeitgenössische Musikszene. Er geriet zunehmend in Konflikt mit der realsozialistischen Kulturpolitik und blieb wenige Monate nach der Niederschlagung des Prager Frühlings auf einer Konzerttournee in Westeuropa, lebte zuerst in Dänemark, dann im italienischen Rovereto. Schon vor seiner Emigration hatte er sich als Schöpfer von lateinischen Chorwerken einen Namen gemacht und andererseits als Filmmusikkomponist seinen Unterhalt verdient.
Von 1977 bis zu seinem plötzlichen Tod 1984 lebte er in Neu-Ulm und hatte zeitweise einen Lehrauftrag an der Stuttgarter Musikhochschule. Nach der "Samtenen Revolution" wurde Jan Novák posthum rehabilitiert und von Václav Havel ausgezeichnet. Die Philharmonischen Tänze hat er für das Philharmonische Orchester Brno komponiert, das in diesem Jahr sein 60-jähriges Bestehen feiert.
Auch der Dirigent Petr Altrichter hat nicht nur viele Orchester in Tschechien und in Europa und Nordamerika geleitet, sondern ebenfalls viele Jahre in Deutschland einen verantwortungsvollen Posten innegehabt, nämlich elf Jahre als Chefdirigent der Südwestdeutschen Philharmonie in Koblenz. Der Philharmonie Brünn ist er eng verbunden.
Janáček-Theater Brno
Aufzeichnung vom 28. Januar 2016
Jan Novák
Philharmonic Dances (Choreae philharmonicae)
Bohuslav Martinů
"Die Parabeln" für Orchester H 367
Sergej Prokofjew
"Romeo und Julia" (Ausschnitte aus den Orchestersuiten Nr. 1-2)
Staatliches Philharmonisches Orchester Brno
Leitung: Petr Altrichter
im Anschluss:
Im Gedenken an den amerikanischen Komponisten Steven Stucky
Philharmonie Berlin
Aufzeichnung vom 7. Mai 2006
Steven Stucky
Son et Lumière. Für Orchester
Deutsches Symphonie-Orchester Berlin
Leitung: Leonard Slatkin